Neuer RTL-Sender: Fernsehen für Sofahelden
Zielgruppenkanäle sind schwer in Mode, weil Massenprogramme immer schlechter funktionieren. Im April startet mit RTL Nitro ein neuer Sender.
Es geht um die Sicherung der Zukunft. Bei ARD und ZDF heißt das: gesellschaftliche Legitimation. Bei den Privaten: Werbegelder. Die Interessen der Zuschauer werden spezieller, Programm für die Massen, die nicht im Brei der Beliebigkeit versinken und ein Publikum jenseits der zehn Millionen erreichen, werden immer seltener. Neue Kanäle, so genannte Zielgruppensender, im frei empfangbaren Fernsehen sind mehr und mehr eines der Mittel, um sich langfristig Marktanteile zu sichern.
Über Grundstimmung und Lebensgefühl sollen dort die Zuschauer an eine Sendermarke gebunden werden: Junge, Alte, Männer, Frauen, Abenteurer. Das hat neben Programm vor allem auch mit Marketing zu tun.
Während sich ProSiebenSat.1 seit rund zwei Jahren mit Sixx an die Frauen der Republik wendet, schickt die Konkurrenz der Mediengruppe RTL Deutschland zum 1. April seinen neuen Sender RTL Nitro an den Start. Der TV-Konzern verspricht „Fernsehen für Helden“. Man will ein breites Publikum ansprechend, langfristig aber eher Männer. RTL Nitro ist neben RTL Television, Vox, Super RTL, n-tv und der Beteiligung RTL II der sechste frei empfangbare Kanal der Fernsehfamilie.
Eigenartige Mischung
Er zeigt alte RTL-Hits, wie „Knight Rider“ und „Balko“, hochwertige Serien, die sich für das breite Publikum als zu sperrig erwiesen haben – zum Beispiel das HBO-Historien-Epos „Rom“ – und frische preisgekrönte Programme wie „Modern Family“. Auf den ersten Blick mag diese Mischung ein wenig eigenartig anmuten.
Bei RTL Nitro werden Serien laufen, die entweder schon viele Jahre auf dem Buckel haben oder aber frische Ware aus dem Rechteportfolie der RTL-Gruppe, für die sich im Hauptprogramm kein Platz finden lässt. Doch eine bessere Auswertung vorhandener Programmrechte ist auch ein Thema bei der Entscheidung für ein weiteres Free-TV-Angebot.
Denn richtig platziert, können abgehangene Hits aus frühen Privatfernsehjahren noch mal abräumen. RTL II zum Beispiel fährt momentan mit Bastelkönig „MacGyver“ im Nachmittagsprogramm hervorragende Ergebnisse ein. Und der „Knight Rider“ dreht schon länger im Bezahlfernsehen seine Runden.
Zugpferd statt Nischendasein
Neue Serien wie „Nurse Jackie“ und Jerry Bruckheimers „Chase“ könnten im reichweitenstarken Programm der Hauptsender – wenn überhaupt – nur ein Nischendasein an den Programmrändern fristen. Bei RTL Nitro taugen sie als Zugpferd für Kommunikation und Publikum.
Eine konkrete öffentlich kommunizierte Quotenerwartung gibt es für RTL Nitro nicht. „Wir starten schließlich bei null“, sagt Sprecher Claus Richter. „Aufgrund der anfangs eingeschränkten technischen Empfangbarkeit erwarten wir über das erste Jahr hinaus einen Marktanteil von deutlich unter einem Prozent.“
So ist RTL Nitro zunächst nur über den Satelliten Astra zu empfangen. Damit deckt man auf einen Schlag fast die Hälfte der TV-Haushalte ab. Im regionalisierten Kabelmarkt mit seinen vielen Anbietern geht das nicht so schnell.
Eigenproduktionen wird es vorerst keine geben. Neben der Programmplanung sind es vor allem Marketing, PR und Werbeverkauf, die bei der Entwicklung des neuen Senders gehörig Arbeit machen. Einen verantwortlichen Kopf für das neue Programm will man bis zum Sendestart präsentieren.
Auch die Konkurrenz von ProSiebenSat.1 werkelt an weiteren Kanälen. „Die Nischensender erleben einen Boom, da auch der TV-Markt immer fragmentierter wird und sich an gezielte Zielgruppen wendet“, sagt Katja Hofem-Best, die sich bei ProSiebenSat.1 um die neuen Programme kümmert. „Je weiter die Digitalisierung voranschreitet, um so spannender wird auch der Markt für die ’kleinen Sender‘.“ Derzeit laufen im Konzern Planungen für einen Sender, der Männer im Alter zwischen 45 und 65 Jahre erreichen soll.
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