Neuer Premier in Haiti: Das unwürdige Spiel geht weiter
Zehn Monate dauerte die Suche nach einem neuen Premierminister in Haiti. Nun wird mit großer Mehrheit Außenminister Lamothe zum neuen Premier bestellt.
SANTO DOMINGO taz | Haiti hat wieder einen neuen Premierminister. Zehn Monate nach dem Rücktritt von Garry Conille beerbt der bisherige Außenminister Laurent Lamothe seinen früheren Kabinettschef, der die Regierung kommissarisch geleitet hatte. Nach dem Senat stimmten am Freitag in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince 62 der 99 Parlamentsmitglieder der Ernennung des 39-Jährigen zu.
Die politische Krise ist damit jedoch noch nicht ausgestanden. Lamothe muss jetzt sein Kabinett besetzen und ein Regierungsprogramm ausarbeiten. Beides muss erneut die Zustimmung des Parlaments finden. Ein schwieriges Unterfangen, denn in den beiden Kammern verfügt Staatspräsident Michel Martelly über keine parlamentarische Mehrheit.
Lamothe hat in den USA Politikwissenschaften studiert und war später als Unternehmer in der Telekommunikationsbranche des Landes erfolgreich. Nach dem schweren Erdbeben im Januar 2010, bei dem rund 300.000 Menschen starben, wurde er in die Kommission für den Wiederaufbau Haitis berufen. Er gilt als enger Vertrauter des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für Haiti, Bill Clinton.
Doch steht er im Verdacht, neben der haitianischen auch die US-Staatsbürgerschaft zu besitzen, was für führende Mandatsträger in Haiti nicht gestattet ist. Belege dafür konnte die Parlamentskommission, die seine Kandidatur prüfte, jedoch nicht finden. Während der Parlamentssitzung beschuldigten mehrere Abgeordnete die Regierung, Parlamentsvertreter gekauft zu haben, damit sie für Lamothe stimmten.
Im Zentrum der Kritik
Laurent Lamothe sagte im haitianischen Rundfunksender Radio Metropole, dass er seinen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Armut und den Wiederaufbau des Landes legen werde. Verstärkt werde er versuchen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung wieder herzustellen. Noch am Freitag unterzeichnete Staatspräsident Michel Martelly die Amtsurkunde seines Kabinettchefs. Dieser ist inzwischen selbst erneut in das Zentrum der Kritik geraten. Abgeordnete beschuldigen Martelly, dessen Partei der „Bürgerantwort“ lediglich über drei Abgeordnete verfügt, eine US-Greencard zu besitzen und sein Amt illegal auszuüben.
Außerdem steht der ehemalige Karnevalsmusiker mit dem Spitznamen „Sweet Micky“ im Verdacht, von Bauunternehmern aus dem dominikanischen Nachbarland mit Millionensummen geschmiert worden zu sein, um lukrative Bauaufträge im Rahmen des Wiederaufbauprogramms an Land zu ziehen. Die dominikanische Enthüllungsjournalistin Nuria Piera zeigte in ihrer Fernsehsendung „Nuria“ Dokumente, die belegen sollen, dass der haitianische Staatschef von dominikanischen Bauunternehmern während des Wahlkampfes und nach seiner Amtsantritt rund 2,5 Millionen US-Dollar erhalten hat. Die konservative Gegenkandidatin habe über 100.000 Dollars erhalten.
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