Neuer Präsident von El Salvador: Viel Twitter, wenig Programm
Wer ist Nayib Bukele, der zum neuen Präsidenten El Salvadors gewählt wurde? Eine Karriere aus Social Media, Pomade und Marketing.
Bukele ist ein schillernder Typ. Der 37-Jährige wurde in eine steinreiche Familie palästinensischer Abstammung hineingeboren, hatte eine Werbeagentur und war Alleinimporteur einer Motorradmarke. Sein schwarzes Haar trägt er mit viel Pomade nach hinten gekämmt, dazu einen akkurat gestutzten Vollbart.
Er kleidet sich gern mit modischen Anzügen, bindet aber nie eine Krawatte um. Sein Markenzeichen sind Socken in schreienden Farben. Seine politische Karriere begann 2012, als er zum Bürgermeister von Nuevo Cuscatlán gewählt wurde, einem kaum 8.000 Einwohner zählenden Kleinstädtchen ein paar Kilometer südlich der Hauptstadt.
Damals trat Bukele für die FMLN an. Weil er als Werbefachmann für die Linkspartei gearbeitet hatte, lag das nahe. Nuevo Cuscatlán spielte vorher keine Rolle auf der politischen Landkarte El Salvadors. Das änderte sich mit ihm. Wie kein anderer nutzte er Internetplattformen wie Facebook und Twitter, gab darüber jede neu errichtete Straßenlampe bekannt.
Hauptsache schöne Fotos
Er machte Witze über alle Parteien einschließlich der eigenen und manchmal auch über sich selbst. Das war neu, das sprach die eher apolitische Jugend an. Drei Jahre später eroberte die FMLN mit ihm als Kandidaten nach sechs Jahren Rechtsregierung das Bürgermeisteramt der Hauptstadt zurück.
Dass er im Wahlkampf jede Menge Trolle und Bots eingesetzt hatte, dass er mit Fake News gearbeitet hatte und sein halbes Wahlkampfteam wegen Fälschungen verhaftet wurde – was soll’s? Was zählte, war der Erfolg.
Schon als Bürgermeister von San Salvador schielte Bukele aufs Präsidentenamt und konzentrierte sich auf prestigeträchtige Aktionen. So ließ er sechs Häuserblocks im vorher chaotischen Stadtzentrum zur schicken Ausgehmeile herrichten. Dass gleich dahinter weiterhin Mord und Totschlag herrschen, kümmerte ihn wenig. Hauptsache, er hatte schöne Fotos für seine Plattformen. Zur FMLN hielt er Distanz, verhöhnte sie gar bisweilen. Als er aus der Partei ausgeschlossen wurde, störte ihn das kaum. Er ist kein Parteimensch, sein Programm ist er selbst.
Für die Präsidentschaftswahl schloss er sich der rechten Gana an, der wohl korruptesten Partei des Landes. Ihre Symbole und Farben tauchten in seinem Wahlkampf nicht auf. Wie gewohnt bespielte er Internetplattformen. Sein Facebook-Auftritt ist von 1,4 Millionen Menschen abonniert, seine Twitter-Meldungen von einer halben Million.
Dazu kaufte er bei einem Fernsehsender und bei Radiostationen Sendeplätze für seine One-Man-Show. Er argumentiert nicht, er macht sich nur lustig über seine Kontrahenten und wird bisweilen vulgär. Er geriert sich als Mann, der nicht zum politischen Establishment, zu „den immer selben“ gehört. Kein Vorschlag, kein Versprechen. „Sein Diskurs ist reines Marketing“, sagt Ivón Rivera, die an der Zentralamerikanischen Universität über Fake News forscht. „Er hat sich als coole Marke positioniert.“ Jetzt wird er Präsident. Ob er mehr will als genau das, wird sich herausstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld