Neuer Präsident in Georgien: Annalena Baerbock, bitte mal nach Georgien reisen!
Die Demokratie in Georgien ist akut bedroht. Die deutsche Außenministerin sollte sich für die dortige Zivilgesellschaft einsetzen.
D ie Amtseinführung des neuen georgischen Präsidenten, Micheil Kawelaschwili, als nächsten Akt eines Schmierentheaters zu bezeichnen, ist noch untertrieben. Die Veranstaltung, die am Sonntag im Parlament in Tbilissi über die Bühne ging, spricht allen demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen Hohn, auch wenn die Regierungspartei Georgischer Traum (KO) etwas anderes behauptet.
Die Legitimität der Volksvertretung, die aus den Oktoberwahlen hervorgegangen ist und im Verbund mit Vertreter*innen der Regionen Kawelaschwili gewählt hat, ist zweifelhaft. Nach wie vor stehen Vorwürfe massiver Wahlfälschung im Raum. Doch der KO ging einfach zur Tagesordnung über. Welch Geistes Kind diese Partei ist, zeigt auch die Begründung, warum am Sonntag keine ausländischen Diplomat*innen geladen waren: Die Anzahl der Plätze habe nicht gereicht, hieß es.
Offensichtlich scheint die KO-Führungsriege immer noch zu glauben, die Menschen für dumm verkaufen zu können. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung will aber nicht tatenlos zusehen, wie die europäische Zukunft des Landes verspielt wird. Seit November gehen Tausende auf die Straße – eine Reaktion auf die Ankündigung der Regierung, die EU-Beitrittsgespräche auf Eis zu legen. Auch die brutale Polizeigewalt bei Kundgebungen hat daran nichts geändert.
Vor allem junge Georgier*innen sind widerständig; sie dürften ihre Proteste fortsetzen. Eine wichtige Rolle – gerade auch moralisch gesehen – dürfte die bisherige Präsidentin Salome Surabischwili spielen, die der KO am liebsten mit einem One-Way-Ticket zurück nach Frankreich schicken würde. Durch ihre klare Positionierung für Europa hat sich Surabischwili auch bei Skeptiker*innen Anerkennung erarbeitet.
Ähnlich entschlossen sollte sich auch der Westen zeigen. Sanktionen gegen KO-Politiker*innen sind richtig, aber es braucht mehr: Solidarität mit der georgischen Zivilgesellschaft. Machen Sie sich auf den Weg nach Tbilissi, Frau Baerbock! Diese Geste wäre wichtig, als vielleicht eine der letzten Amtshandlungen allemal.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier