Neuer Park in Schöneberg I: Hausbesitzer zahlen fürs Grün
Anwohner müssen 1,7 Millionen Euro für einen Minipark bezahlen. Ein Gericht gibt dem Bezirk Recht, er darf die Kosten umlegen. Ein Großvermieter will nun die Mieten erhöhen.
Die Grünfläche am Winterfeldplatz in Schöneberg ist weiß, Schnee bedeckt die arrangierten Steinbrocken und den kleinen Spielplatz. Jean Betzow stampft über die verschneiten Gehwege und ist sauer. "Dieser Park ist ein Irrwitz", ärgert sich der 35-jährige Vater, "ich habe nie eine Grünfläche bestellt."
Das Problem: Bezahlen muss Betzow sie trotzdem. Schuld ist das Erschließungsbeitragsgesetz. Am vergangenen Dienstag kam das Oberverwaltungsgericht (OVG) nach einem Eilverfahren in zweiter Instanz zu dem Ergebnis, dass der Bezirk die 1,7 Millionen Euro für die 4.200 Quadratmeter große Grünfläche auf die Eigentümer der Grundstücke im Umkreis von 200 Metern umlegen darf. Die Verhandlung in der Hauptsache steht zwar noch aus. Doch meist bestätigt das Verfahren in der Hauptsache die Bescheide des OVG.
Bezahlen mussten die Eigentümer ohnehin schon, je nach Grundstücksgröße und Höhe des Gebäudes Beträge zwischen 1.700 und 147.000 Euro. Größter Beitragszahler: das "Pallasseum", ein riesiger sozialgeförderter Plattenbau mit 1.500 Mietern. "Bei solchen Summen müssen wir ganz schön schlucken", sagt die Prokuristin Sigrid Witthöft von der Pallasseum Wohnbauten KG, "das entspricht fast unserem Jahresetat für die Instandhaltung der Immobilie". Deshalb soll es Mieterhöhungen geben, anders könne man die kurzfristig entstandenen Kosten nicht auffangen.
Auch die Gemeinde der Sankt-Matthias-Kirche direkt an der Grünfläche muss tief in die Tasche greifen. "Wir besitzen dort drei Grundstücke", sagt Uwe Kasper, der Mitglied im Kirchenvorstand ist und die Gemeinde als Rechtsanwalt vertritt, "insgesamt kommen wir auf gute 30.000 Euro".
Rund um den Winterfeldtplatz ärgern sich die Betroffenen über ihren Bezirksrat. Prokuristin Witthöft ist doppelt sauer. Erstens sei es nicht gerecht, für einen Park bezahlen zu müssen, den ihre Mieter nicht gefordert hätten. "Warum sollte ich Bestellungen bezahlen, die ich nicht aufgegeben habe?", fragt sie. Zweitens kritisiert Witthöft die Vorgehensweise des Bezirks. "Erst ein paar Wochen vor Ablauf der vierjährigen Frist ist eine Zahlungsaufforderung gekommen", sagt sie. Seit Beginn des Baus 1997 habe niemand geahnt, dass der Bezirk die Kosten auf seine Bürger umlegen würde. Deshalb seien viele Eigentümer aus allen Wolken gefallen, als Ende 2008 die Rechnungen ins Haus flatterten.
SPD-Umweltstadtrat Oliver Schworck versteht die Aufregung nicht ganz und sieht sich durch das OVG-Urteil bestätigt. "Der Bezirk wendet doch ein ewig bestehendes Gesetz nur an", rechtfertigt er das Vorgehen (siehe Interview). Dass die Anwohner für Erschließungen zahlen müssen, sei ohnehin völlig normal.
Jean Betzow weiß das, die Grünanlage ärgert ihn trotzdem. Mit den 1,7 Millionen Euro habe der Bezirk vor allem riesige Steine in die Mitte der Fläche gelegt. Jetzt könne man dort nicht einmal mehr Fußball spielen.
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