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Neuer Oberbürgermeister in BukarestSparfuchs wider Willen

Der National-Liberale Ciprian Ciucu will sich vor allem um die Infrastruktur in der rumänischen Hauptstadt kümmern.

Noch etwas skeptisch: Ciprian Ciucu nach der Bekanntgabe der ersten Nachwahlbefragungen am Sonntag Foto: Robert Ghement/epa

„Bukarest ist das Projekt meines Lebens“, erklärte Ciprian Ciucu am Sonntagabend. Er ist der neue Oberbürgermeister der rumänischen Hauptstadt. Dafür reichten dem 47-Jährigen, der für die National-Liberale Partei (PNL) angetreten war, 33 Prozent der Stimmen.

Der Sieg Ciucus hat allerdings einen bitteren Beigeschmack, den seine Parteifreunde und sein wichtigster Unterstützer, der PNL-Premier Ilie Bolojan, nicht ignorieren können. Von den etwa 1,8 Millionen Wahlberechtigten gaben nur rund 33 Prozent ihre Stimmen ab. Die anderen blieben zu Hause.

Einige verfolgten die Wahl vor den Bildschirmen oder in den Sozialen Medien, andere wiederum folgten dem Aufruf des rechtsradikalen Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu, die Oberbürgermeisterwahl zu boykottieren und auf diese Weise deren Rechtmäßigkeit nicht anzuerkennen.

Die Präsidentschaftswahl wurde vor einem Jahr vom Verfassungsgericht annulliert. Zur Begründung hieß es, Georgescu sei von ausländischen Akteuren unterstützt worden. In diesem Frühjahr musste die Wahl wiederholt werden. Sieger war der neoliberale Bukarester Oberbürgermeister Nicuşor Dan. Nach dessen Umzug in den Präsidialpalast musste sein frei gewordener Sessel neu besetzt werden.

Knapp 23 Prozent für die völkischen „Souveränisten“

Die PNL und Premier Ilie Bolojan werten den Sieg Ciucus als klares Signal für den pro-europäischen Kurs und die rechtsliberale Linie der politisch heterogenen Vier-Parteien-Koalition.

Die auf Platz zwei gelandete Kandidatin einer rechtsradikalen Allianz, Anca Alexandrescu, erhielt fast 23 Prozent der abgegebenen Stimmen und bestätigt damit den unaufhaltsamen Aufstieg der völkischen „Souveränisten“. Ihr euroskeptischer und regierungskritischer Ton zielt insbesondere auf die unpopulären drastischen Sparmaßnahmen des liberalen Regierungschefs und dessen Versuche, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen und ein weiteres Anwachsen des Schuldenbergs zu bremsen.

Ciprian Ciucu folgt in seinem Programm für die Sanierung der rumänischen Hauptstadt den Sparvorgaben der Regierung. Dennoch verspricht er, in den kommenden drei Jahren die marode Infrastruktur zu modernisieren, dem Verkehrschaos ein Ende zu setzen, Fahrradwege auszubauen und Grünflächen zu erweitern. Auch um die Förderung von Kunst und Kultur will er sich kümmern.

Langjährige Erfahrung

Dabei setzt er auf seine seit 2020 gesammelten Erfahrungen als Bürgermeister des 6. Bukarester Bezirks und seine langjährige Tätigkeit in diversen Gremien und Nichtregierungsorganisationen. 1996 begann der 1978 in Piteşti geborene Ciucu ein Studium der politischen Wissenschaften in Bukarest, das er 2000 abschloss.

Bereits als 23-Jähriger arbeitete er in der Presseabteilung des Staatspräsidenten und war verantwortlich für den Inhalt der offiziellen Verlautbarungen und die Organisation von Pressekonferenzen. Diese Tätigkeit hat ihre Spuren in seinen Auftritten hinterlassen und ihren Niederschlag in geschickten diplomatischen Formulierungen gefunden, mit denen gewiefte Politiker unbequemen Fragen ausweichen.

Ciucu gilt als ein harter Gegner der Sozialdemokratischen Partei (PSD). Eine Beteiligung an der Regierung der nach wie vor stärksten Partei des Landes konnte er nicht verhindern. So weit reichte sein Einfluss als einer der Vizepräsidenten seiner Partei dann doch nicht.

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