■ Neuer Innenminister nach Massaker in Chiapas: Symbolische Gesten nutzen nichts mehr
Vor der „Politisierung“ der „Tragödie von Acteal“ hatte die mexikanische Regierung in den letzten Tagen unermüdlich gewarnt. Nun wurde niemand geringerer als der zweite Mann im Staate geopfert. Politischer geht's wohl nimmer. Symbolisch ist die Absetzung des Innenministers durchaus von Bedeutung, als – zumindest indirektes – Eingeständnis politischer Verantwortung für den Massenmord an 45 unbewaffneten Indigenas. Symbolische Gesten aber sind vergleichsweise billig. Zur Erinnerung: Vor ziemlich genau vier Jahren mußte schon einmal ein Innenminister aus ähnlichen Gründen seinen Hut nehmen.
Ein grundlegender Kurswechsel wurde damit nicht eingeleitet. So kann das symbolische Zugeständnis heute zweierlei nicht ersetzen: die Herstellung von Rechtsstaatlichkeit und von Glaubwürdigkeit. Also zum einen die juristische Aufarbeitung des Skandals um die offizielle Verstrickung in die mörderische Paramilitarisierung des Bundesstaats. Wie weit Mitglieder der Landes- oder Zentralregierung sich für Acteal auch rechtlich zu verantworten haben werden – sei es für sträfliche Nachlässigkeit, sei es durch kriminelle Komplizität –, wird abzuwarten sein. Zum zweiten ist die von Zedillo angekündigte „neue Strategie“ in Sachen Chiapas angesichts der jüngsten Eskalation tatsächlich unabdingbar. Worin die bestehen soll, bleibt hingegen rätselhaft. Die einzige Strategie, durch die die Regierung ein wenig Vertrauen gewinnen könnte, wäre die schnellstmögliche Verabschiedung der Gesetzesinitiative über indigene Rechte, die schon vor eineinhalb Jahren als Kompromißvorschlag auf Basis des ersten Friedensabkommens erarbeitet worden war – und seither ihrer Umsetzung harrt.
Bislang jedoch scheint diese auf die gewohnte Doppelstrategie zu setzen: politische Zugeständnisse, gepaart mit militärischen Drohgebärden. Während es in den letzten Monaten offenbar zu einer infamen Arbeitsteilung zwischen Armee und den „unsichtbaren“ Todesschwadronen gekommen war, treten heute wieder verstärkt die institutionellen Streitkräfte auf den Plan. Unter dem Vorwand der Waffensuche wird der Belagerungsring um die verschanzten Zapatistas enger gezogen – alles andere als eine vertrauensbildende Maßnahme. Zu hoffen ist beim neuen Innenminister, wenn schon nicht auf Selbstkritik, so doch wenigstens auf jenen Realitätssinn und Pragmatismus, der das offizielle Krisenmanagement in seinen besten Momenten ausgezeichnet hat. Anne Hufschmidt
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