Neuer Betreiber für Markthalle Eisenbahnstraße: Die Halle der kleinen Schritte
Die Markthalle an der Eisenbahnstraße wird an eine Projektgruppe verkauft, die das Gebäude Stück für Stück wiederbeleben will. Das soll auch Ängste im Kiez besänftigen.
Die Markthalle an der Kreuzberger Eisenbahnstraße soll künftig von einer anwohnernahen Initiative betrieben werden. Das hat der Aufsichtrat der landeseigenen Berliner Großmarkt GmbH (BGM) entschieden. Bis Ende Mai solle mit der Projektgruppe "Markthalle IX" ein Kaufvertrag unterzeichnet werden, sagte BGM-Geschäftsführer Andreas Foidl. Im Herbst will die Projektgruppe als ersten Schritt einen regelmäßigen Wochenmarkt in der Halle starten.
Die 1891 erbaute Markthalle hatte in den letzten Jahren deutlich an Attraktivität verloren. Derzeit sind dort vor allem die Billigketten Aldi, Drospa und Kik präsent. Seit fünf Jahren wurde über ein Zukunftskonzept gestritten. Der Liegenschaftsfonds, der landeseigene Immobilien vermarktet, hatte die Halle schließlich zum Festpreis für 1.153.000 Euro ausgeschrieben. Ausschlaggebend sollte das Konzept der Nutzer sein.
Neben der Gruppe "Markthalle IX" hatte sich noch der Betreiber des Berliner Weihnachtsmarktes beworben. Die Entscheidung sei streng nach einem fünf-pünktigen Kriterienkatalog gefallen, erklärte BGM-Geschäftsführer Foidl. Ein kleines positives Extra sei gewesen, dass das Konzept der Projektgruppe im Kiez gut angekommen sei.
Ein schneller Umbau der Markthalle ist weder möglich noch gewollt. Die drei Discounter haben zum Teil noch mehrjährige Verträge. Langfristig sollen sie durch Kleinhändler ersetzt werden, sagte Florian Niedermeier von der Projektgruppe. "Aber wir beginnen mit ein kleinen Maßnahmen". Die Straßenfront der Halle soll bis zum ihrem 120. Geburtstag am 1. Oktober geöffnet werden. Dann werde auch ein Wochenmarkt gestartet, der immer freitags und samstags stattfinden soll. Für den sukzessiven Umbau sind fünf Jahre eingeplant.
Für die Händler hat das Architekturbüro raumlabor eine flexibles Stabsystem entwickelt. Damit sollen einzelne Parzellen abgesteckt werden, die sich an der historischen Aufteilung der Halle orientieren. "Da kann man einfach ein paar Obstkisten reinstellen und schon hat man einen Stand", erklärt Architekt Matthias Rick. Die Parzellen könnten je nach Bedarf aber auch ausgebaut werden (siehe Grafik). Zudem sind drei Pavillionbauten geplant, die auch für eine kulturelle Nutzung geeignet sind.
Die Flexibilität ist Konzept. "Einzelbauern aus dem Umland könnten sich für einen Stand zusammenschließen", erklärt Niedermeier. Sie könnten dann ohne große Investionen ausprobieren, ob das Geschäft funktioniert. Dafür müsse die Halle auch im eigenen Umfeld wieder wahrgenommen werden, weiß Niedermeier.
Dort stößt das Konzept nicht nur auf Lob. Kritiker bemängeln, dass die vielen ärmeren Kiezbewohner auf die Billiangebote der Discounter angewiesen seien. Wenn die durch hochpreisige Biohändler ersetzt würden, entspräche das nicht den Bedürfnissen von Hartz IV-beziehenden Anwohnern, heißt es.
"Wir stehen unter extremer Beobachtung", weiß Niedermeier. Man wolle mit der schrittweisen Umwandlung versuchen, vorhandene Ängste zu nehmen. Aldi werde zum Beispiel zwar die Halle, aber nicht den Kiez verlassen, sagt Niedermeier: "Die suchen sogar schon nach einem größeren Objekt." Dass ausgerechnet linke Aktivisten sich für den Erhalt der Discounter einsetzen, mag Niedermeier auch nicht ganz nachvollziehen. "Aldi mit seinen Billigpreisen und -löhnen verfestigt doch erst die Hartz-IV-Gesellschaft".
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