piwik no script img

Neue Zeitschrift "Gala Kids"I want my Gucci-Me

Ganz neu auf dem Markt: "Gala Kids", die Einkaufshilfe für den hip-neureichen Jungmütternachwuchs. Oder steckt etwas anderes dahinter?

Yummy Mummy Jessica Alba und ihr Mini-Me. Entzückend, oder? Bild: g+j

BERLIN taz | Jetzt weiß ich, was mir jahrelang hinterher gerufen wurde: Yummy Mummy! Und ich dachte schon, es war Dummy, Dummy! Da kann man als trendige Mutti im lässigen Look schon mal verunsichert sein, wenn man sich keiner Peer Group zuordnen kann und kein Leitmedium hat. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt: Künftige Generationen werden es leichter haben, denn jetzt gibt es Gala Kids.

Das Heft richtet sich an Yummy Mummies – die urbane beruftstätige und stylishe Müttergeneration mit Kindern von bis zu 12 Jahren, entnehme ich der Pressemitteilung von Gruner und Jahr. Ich bin ja so erleichtert. Nido (mit viel Text und ohne ausreichend Promi-Kinder wie Kingston Rossdale und Suri Cruise), das ist ja gar nicht meine Welt.

Beim ersten Durchblättern von Gala Kids, ich geb's zu, bin ich kurz irritiert, denn die Mütter in den Modestrecken haben ihre Kinder mit ungefähr zehn Jahren bekommen, sind heute vielleicht 16 – und ihre Kinder sechs Jahre alt. Für einen Augenblick fand ich es ein bisschen verantwortungslos von den sehr jungen Müttern, diese Kinder – fast ausschließlich kleine Lolitas in Schlüppis – zu Kinderarbeit heranzuziehen... aber irgendwie muss die Yummy Mummy ihr recht kostenintensives Leben ja bestreiten. Da hab ich vollstes Verständnis, aber eigentlich ganz andere Sorgen.

Zum Glück lässt Gala Kids mich auch da nicht im Stich: "Die einzige Regenwolke über dem postnatalen Paradies: Wo ist meine Figur geblieben?" Endlich jemand, der mich versteht. Schnell zurück in Topform kommt man nur mit Markenprodukten ab 30 Euro - das ist mir mein Yummy-Mummy-Körper aber auch wert. Und was mir meine Kinder erst wert sind: Wenn sich mein "Mini-Me" im Partnerlook schon unbedingt schminken muss, dann will ich mich wenigstens bezüglich der Inhaltsstoffe entspannen können – koste es was es wolle. Und mit welchen Produkten ich den blonden Rapunzel-Style von Reese Witherspoons Tochter kopiere, wollte ich auch schon immer mal wissen. Ferndomizile, die tollsten Geburtstagsparties à la Hollywood, Badezusätze, Sonnenschutzmittel, jede Menge Mode und Innenausstattung: hier bin reich, komplett sinn- und hirnentleert, hier darf ich sein.

Total gut gefallen hat mir auch das Interview mit Jessica Alba. Der ehemals heißeste Hollywood-Feger ist wieder schwanger, lässt sich mit Weichzeichner in einer weißen Tunika ablichten und gibt wichtige Denkanstöße. Die Geburt ihrer Tochter habe ihr die Augen geöffnet. "Ich habe mich hingesetzt, mein Leben analysiert und neu sortiert: Was ist wirklich wichtig?" Jetzt guckt sie nicht mehr nur aufs Geld und möchte nur noch aus guten Gründen von dem "Kostbarsten in ihrem Leben" getrennt sein. Und ich dachte schon, sie würde aus Angst, vergessen zu werden, gerade jetzt auf jedem roten Teppich aufkreuzen… Puh.

Das Leben als Yummy Mummy ist aber nicht nur shoppen und so. Man muss seinen Kindern schon was bieten, besonders wenn es um gesunde Ernährung geht. Bis die drei Bananentaler mit Tahini-Frischkäse und Vollkorntoast so akkurat wie auf dem Bild aussehen, ist allerdings schon eine ganze Toastpackung durchgestanzt. Da liegt er jetzt, der große Haufen Toast mit Banane - aber wenn's nicht schön aussieht, essen meine kleinen Stars das nicht. Gala Kids versteht mich.

Auch sehr interessant lasen sich die Kommentare von total unwichtigen Leuten wie der 11-jährigen Gala-Redakteuerstochter, den Hanni-und-Nanni-Darstellerinnen und Dana Schweiger zu acht Seiten Promi-Kinder-Schnappschüssen. Wie die das so finden, was die anhaben. Das war so spannend, das ich nach der Lektüre erschöpft auf dem Sofa einschlief.

Mein vierjähriges Mini-Me fragte vorsichtig, ob es auch mal in das Heft gucken dürfe. Ich nickte schwach und schlief eine Stunde ungestört. Dann erwachte ich von leisem Gemurmel: "Das bin ich, das will ich haben, den Koffer, die Gucci-Gummistiefel, und das…." Ach soooo, Mini-Me ist die Zielgruppe. Deswegen auch die Nuckelflasche aus Schokolade als süßes Give-away. Ich kann das ja auch nicht essen, denn ich will noch lange eine Dummy Mummy bleiben. Äh, Yummy Mummy.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • M
    Mike

    @ Hafenpirat

    Warum? Wir leben in einem freien Land. Da kann doch jeder kaufen und lesen was er will. Oder wollen sie die DDR wieder haben?

     

    Mich interessiert die Zeitschrift auch nicht, wie eigentlich 99.9% der Zeitschriften die es gibt. Aber wenn eine Nachfrage vorhanden ist, dann muss man das halt tolerieren.

  • H
    Hafenpirat

    In der BrandEins stand mal:

     

    "Menschen, die für eine Falsche Mineralwasser bereit sind 20€ ausgeben, sollte das Wahlrecht entzogen werden. Sie sind nicht in der Lage, verantwortungsvoll über unsere Zukunft mit zu entscheiden."

     

    Das sollte für Leser dieses Heftes auch gelten.

  • D
    dodo

    Einer der besten Artikel seit Jahren!

  • VP
    Vincent Price

    Was für ein schlechter Text! Eine derartig lässige Aufgabe - das dümmstmögliche Konsumistenmagazin unter der Sonne zu rezensieren - sollte doch selbst der einfallsloseste Autor in einen einigermaßen würzigen Text verwandeln können. Doch die gute Frau vermasselt jede Pointe und raubt der geneigten Leserin den letzten Nerv mit ihrem verquatschten Blah-Blah-Stil. Was für Anzeigen stehen in dem Heft? Warum macht G+J so etwas? Was ist die Essenz der Lektüre dieses vermutlichen Dünnpfiffs? Da würde doch selbst ein liberaler Langeweiler die Gelegenheit nutzen, um dem bourgeoisen Konsumtrottel einen verbalen Einlauf zu verpassen. Doch, nee, die Autorin ist zu müde und verfasste den Text lieber im Halbschlaf auf der Couch. Schnarch.

  • M
    Marieken

    Schöner Text, sehr witzig.

  • A
    anonym

    Als irgendwie G+J zugehörig, schämt man sich für sowas schon ziemlich doll. Das ist wohl die dümmste Neuerscheinung seit langem. Das Welt- und Menschenbild...andererseits ist es die konsequente Fortsetzung der Gala. Die Galaisierung aller Lebensbereiche sozusagen. Und über Anzeigen braucht man sich dort wirklich keine Sorgen machen. Läuft, wird gekauft, topp. Wie Bild und Spon. Der Bedarf an zielgruppengerechtem Trash ist offenbar gewaltig.

  • L
    Lox

    @ Carmen

     

    Sorry... aber wenn Sie DAS nicht raffen, sollten Sie sich vielleicht die besprochene Zeitschrift besorgen. Keine bange, die gefällt Ihnen bestimmt! ;o)

  • C
    Carmen

    Hm, und was will uns die Autorin jetzt damit sagen?

  • FW
    Ferry Weber

    Ob Gruner und Jahr denn demnächst wohl das Ziegenbock Magazin rausbringt?