Neue Verfassung für Syrien: Wie Damaskus die nächsten fünf Jahre regieren will
Syrien hat eine neue, vorläufige Verfassung. Sie besagt unter anderem, dass der Präsident Muslim sein soll. Es regt sich Kritik – etwa von kurdischer Seite.

Als Grundlage der Gesetzgebung werde das Land die islamische Rechtssprechung beibehalten, erklärte ein Mitglied des Verfassungsausschusses im syrischen Fernsehen. Das Staatsoberhaupt müsse demnach Muslim sein. Diese Bestimmung stand in der bisherigen Verfassung und bleibt erhalten. Die Verfassungserklärung soll Meinungs- und Pressefreiheit und die politischen Rechte von Frauen garantieren.
In dem Dokument wird die Einheit Syriens als Nationalstaat betont. Forderungen nach „Spaltung“ und „ausländischer Intervention“ werden unter nicht definierte Strafe gestellt. Alle bewaffneten Fraktionen sollen aufgelöst werden und der Staat das Monopol auf Gewaltausübung haben. Das parlamentarische System des Volksrats bleibt erhalten, dieser soll vorerst aber nicht durch freie Wahlen bestimmt werden. Theoretisch könnte dieser Rat den Übergangspräsidenten al-Scharaa auch absetzen. Praktisch würde dies wohl nicht passieren, da er ein Drittel dessen Mitglieder bestimmen soll.
Der für das Dokument zuständige Verfassungsausschuss betonte eine strikte Gewaltenteilung. Das solle eine Wiederholung der Machtkonzentration verhindern, wie es unter Ex-Machthaber Baschar al-Assad der Fall war. Unter Assad gab es nur eine Partei, die Baath Partei. Diese wurde nach dem Sturz des Regimes aufgelöst. In der vorläufigen Verfassung steht, dass ein künftiges Gesetz Parteienvielfalt garantieren soll.
Nicht alle sind mit der neuen Verfassung zufrieden
Arabisch soll die Amtssprache sein und kulturelle und sprachliche Rechte verschiedener Gemeinschaften garantiert werden. Das legt nahe, dass andere Sprachen wie Kurdisch gesprochen werden dürfen. Der Staat, so die Erklärung, „setzt sich für das Zusammenleben und die gesellschaftliche Stabilität ein und schützt den bürgerlichen Frieden.“
Die Übergangsregierung betonte immer wieder, Minderheiten schützen zu wollen und eine integrative Übergangsphase gestalten zu wollen. Vergangene Woche hatten al-Scharaa und der Kommandeur der kurdischen bewaffneten Kämpfer der SDF, Mazlum Abdi, vereinbart, die militärischen und Verwaltungsstrukturen des selbstverwalteten Nordostens mit denen in Damaskus zusammenlegen zu vollen. Der Deal bekräftigt territoriale Einheit.
Der politische Arm der kurdischen SDF, genannt Demokratischer Rat Syriens, lehnt nun aber die Verfassungserklärung ab. Sie untergrabe Bemühungen um eine „echte Demokratie“ und es fehlten Maßnahmen zur „Vielfalt“ Syriens.
Religiöse und ethnische Minderheiten stehen den neuen Führern skeptisch gegenüber. Al-Scharaa war Anführer der Gruppe Hayat Tahrir asch-Scham (HTS), die im Dezember ein Milizenbündnis angeführt hatte, das Baschar al-Assad schließlich stürzte. Die Übergangsregierung besteht zum Großteil aus früheren HTS-Funktionären. Sie hatte einen politisch integrativen Prozess angekündigt, an dessen Ende eine neue Verfassung und Wahlen stehen sollen. Vergangene Woche war die Regierung aber unfähig, Massaker gegen Hunderte alawitische Zivilist*innen entlang der Küstenregion zu verhindern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!