Neue Uni-Führung: Rektorenkür ausgebremst
Die für heute geplante Vorstellung der Rektoren-Kandidaten wurde verschoben - viele störte, dass externe Bewerber offenbar chancenlos bleiben sollten.
Die Findungskommission des Akademischen Senats (AS) hat die Anhörung der Kandidaten für den Posten des neuen Rektors der Uni auf unbestimmte Zeit verschoben. Ursprünglich sollten sich bei der heutigen AS-Sitzung die drei verbliebenen Kandidaten vorstellen: Der Grünen-nahe Bremer Produktionstechniker Arnim von Gleich sowie sein Fachbereichs-Kollege Bernd Scholz-Reiter, ehemaliger Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Sie sollten gegen den derzeit in den USA lehrenden Neurobiologen und Stammzellenforscher Günther Zupanc antreten, der bis 2009 an der Jacobs University gearbeitet hatte. Doch vielen an der Uni ging das alles offenbar zu schnell.
Am 15. September hatte Unikanzler Gerd-Rüdiger Kück die Rektorenstelle ausgeschrieben, Anfang Oktober lief die Bewerbungsfrist dann schon wieder aus. In den seither verstrichenen fünf Wochen gab es eine informelle Vorauswahl: Auf der Strecke geblieben sein sollen dabei unter anderem der derzeitige Konrektor für Lehre, Rolf Drechsler sowie der in Norwegen tätige renommierte Klimaforscher Christoph Heinze. "So wie das Verfahren lief, ist klar, dass man eigentlich keine externen Kandidaten wollte", heißt es aus den Reihen der Professoren.
Die Dekane hätten sich vorab auf von Gleich geeinigt, die Konkurrenten seien nur Zählkandidaten. In den Tagen vor der AS-Sitzung wuchs jedoch offenbar der Druck auf den Vorsitzenden der Findungskommission, Wirtschaftswissenschafts-Dekan Jens Zimmermann. Am Montag wurde kurzfristig eine Sitzung der Kommission einberufen. Und die trat auf die Bremse: Auch dem dritten Kandidaten solle "ausreichend Zeit gegeben werden", sich auf seine Vorstellung vorzubereiten, begründete die Uni-Pressestelle am Dienstag die Verschiebung. Zupanc soll sich wegen dieser zeitlichen Bedingungen geweigert haben, als bloße Staffage extra aus den USA anzureisen.
An den guten Aussichten für von Gleich ändert dies nicht unbedingt etwas. Für den streitbaren Inhaber des Lehrstuhls für "Technikgestaltung und Technologieentwicklung" spricht aus Sicht der Dekane, dass von Gleich aus Altersgründen keine Wiederwahl nach einer fünfjährigen Amtszeit anstreben - und deshalb unpopuläre Entscheidungen durchsetzen könnte. Die drohen, wenn die Uni bei der letzten Runde der Exzellenz-Initiative erfolglos bleibt.
Auf einer Podiumsdiskussion im Haus der Wissenschaft am Montagabend stellte von Gleich seine Steherqualitäten unter Beweis. Auf einem Podium mit vier Zivilklausel-Schützern und vor dem Publikum aus Reihen des Friedensforums sprach er sich für eine Neufassung der Klausel aus. Die Wissenschaft müsse berücksichtigen, dass heute auch Frieden mit Waffen geschützt werde. "Sie alle hier sind keine Freunde der Wissenschaftsfreiheit", hielt er dem entsetzten Publikum entgegen, aus dessen Reihen ihm ein "demagogischer Schlag" vorgeworfen wurde. "Meinen absoluten Pazifismus habe ich in Srebrenica gelassen", rief er.
Von Gleich warf den OHB-Gegnern vor, ein "Problem für die Demokratie" zu sein, denn sie würden "skandalisieren", ohne ihre Anschuldigungen belegen zu müssen. "An den beschuldigten Wissenschaftlern bleibt immer etwas hängen. Deswegen brauchen wir eine Kontrolle der Skandalisierer", sagte von Gleich. OHB "einfach so" als Rüstungsfirma zu bezeichnen, sei da ein gutes Beispiel. "Die stellen keine Waffen her, sondern Satelliten. Und mit Satelliten wird schließlich auch Abrüstung kontrolliert." Er plädierte dafür, statt einer Zivilklausel ein "Leitbild und eine Grundordnung" zu formulieren, in der "seinetwegen" auch stehen könne, dass die Uni sich "nicht an der Entwicklung von Waffen" beteiligen wolle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten