Neue US-Botschaft am Pariser Platz: Ein Bunker im Nirgendwo

Nach einer unendlichen Bauphase wird die neue US-Botschaft in Berlin eröffnet. Die Kritik an dem Gebäude reißt nicht ab, obwohl es doch perfekt passt.

Neues Element am surrealen Nichtort von Berlin: Das Gebäude der amerikanischen Botschaft. Bild: Reuters

BERLIN taz Die Eröffnung der US-amerikanischen Botschaft am Pariser Platz ist eine große Sache: Seit Jahren harrt das letzte unbebaute Grundstück vor dem Brandenburger Tor seiner Bestimmung, doch das Sicherheitsbedürfnis der USA machte das Bauvorhaben zu einer unendlichen Geschichte. Nachdem der Konflikt um Straßenverlegungen und Poller beigelegt ist, ziert nun ein gebauter Kompromiss aus Hochsicherheitsarchitektur und postmodernem Entwurf den Platz. Aus Berlin hagelt es dafür Kritik. Zu verschlossen, findet Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Uninspiriert und lieblos, lästern Architekturkritiker. Der allgemeine Tenor lautet: Der Pariser Platz, die "gute Stube Berlins", hätte ein wärmeres Gebäude verdient.

Was heute eingeweiht wird, hat mit den Visionen der Architekten nicht mehr viel zu tun. 1995 gewann das kalifornische Team Moore, Ruble und Yudell den Wettbewerb für die neue US-Botschaft am Pariser Platz. Verspielt und postmodern sollte das Gebäude am Originalstandort der US-Repräsentanz vor dem Zweiten Weltkrieg wirken.

Doch dann fielen 1998 Bomben auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam und der 11. September 2001 verwandelte die Architektur- endgültig in eine Hochsicherheitsdebatte.

In Berlin sollte ein 30 Meter breiter Sicherheitsstreifen das Gebäude schützen. Straßen hätten dafür verlegt werden müssen - für Berlin ein inakzeptabler Eingriff in die Stadtplanung.

Der Kompromiss: Weniger Postmoderne, ein hoher Zaun und eine leicht verrückte Behrenstraße. Seit Freitag ist die US-amerikanische Botschaft nun zurück am Brandenburger Tor - nach nur 69 Jahren. API

Das muss ein Missverständnis sein: Die "gute Stube", an der sich zwischen Hotel Adlon und Brandenburger Tor Prominenz und Volk tummelten - das war einmal unter Kaiser Wilhelm. Heute liegt der Pariser Platz zwar immer noch zentral, ist aber der unberlinerischste aller Orte: Rundum versammeln sich, im Uhrzeigersinn, ein Luxushotel, die Akademie der Künste und eine Bank ohne Publikumsverkehr. Allesamt keine Orte, die man frequentieren muss. Das Tor vorne kennt man, und auch auf der anderen Platzseite sieht es nicht besser aus: Französische Botschaft, Bank, Starbucks und der Treff der Politprominenz, das Restaurant Theodor Tucher. Zum Sitzen und Verweilen lädt auf der Platzmitte nichts ein - es sei denn, man interessiert sich für den Anblick gelangweilter Schulklassen und gravitätisch posierender Geschichtstouristen.

Der Pariser Platz ist ein Schaukasten der Geschichte Berlins: Das Brandenburger Tor mit der von Napoleon geraubten Quadriga, die Botschaften der vier alliierten Mächte rundum, die Erinnerung an die Mauer, die den Platz zur innerstädtischen Ödnis machte. Doch mit Ausnahme der lebendigen Akademie der Künste ist der Sprung in die Gegenwart nicht recht geglückt. Die mehr oder weniger sterilen Repräsentativbauten lassen das Leben draußen, Starbucks gibt es überall, Currywurst in der luxuriösen Tucher-Version ist nur was für ausländische Staatsgäste. Und "Berliner Luft" aus der Drehorgel hört hier schon sehr lange keiner mehr.

So gehört der Pariser Platz allein den Touristen aus dem In-und Ausland, das Leben der Stadtbewohner findet überall sonst statt, nur nicht dort. Berliner findet man höchstens unter den Kutschern, die im historisierenden Lederwams Rundfahrten mit der "Original Berliner" Droschke anbieten. Oder wenn der Dalai Lama kommt - als Ort für massentaugliche Events wird der Platz immerhin akzeptiert.

Die US-Botschaft schließt nun die letzte verbliebene Baulücke und macht den Pariser Platz so endgültig zu dem, was er seit Jahren ist: ein surrealer Nicht-Ort inmitten der Stadt und eine perfekte Kulisse für Berliner Inszenierungen. Wo sich Michael Jackson, die Fußball-Elf und der Dalai Lama in geschichtsträchtiger Atmosphäre wohlfühlen, wird auch George Bush senior gerne seine Rede zur Botschaftseröffnung halten. Ob man dem Ex-US-Präsidenten Ronald Reagan dazu noch ein Denkmal für seine Verdienste um den Mauerfall hinstellt, wie sein Sohn es fordert, ist da beinahe auch schon egal.

In der neuen US-Botschaft wird sich der Publikumsverkehr in Grenzen halten: Visa- und Passangelegenheiten werden weiterhin im Konsulat in der Clayallee erledigt. Aber vis-à-vis den Franzosen und mit Blick auf Brandenburger Tor, Reichstag und Holocaust-Mahnmal lässt es sich prima Berliner sein, ohne mit der Stadt in Berührung zu kommen. Für das Sicherheitsbedürfnis ist das doch eine gute Lösung. Diplomaten, die mehr wissen wollen, haben es aber gar nicht weit: Schon am hinteren Ende der Linden taucht es wieder auf, das normale berufstätige und seiner Freizeit nachgehende Stadtvolk. Gute Stuben sind zum Glück meist nicht allzu groß.

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