Neue Termine für Berliner Bürgerämter: Man hat die Wahl, wo man wartet
Soll abbauen, was sich da an Leidensdruck aufgestaut hat: Bei den Bürgerämtern gibt es bald Tausende neue Termine.
Q uasi in letzter Minute haben Senat und Bezirke Besserung gelobt. 50.000 Termine soll es in den Bürgerämtern monatlich zusätzlich geben. Das verriet IT-Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD) am Mittwochabend dem RBB. Höchste Zeit war das, weil gerade in der Ferienzeit der ein oder andere beim Blick auf den Reisepass feststellt: Huch, der ist ja abgelaufen.
Smentek will den zwölf Bezirken nun 40 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung stellen. Damit soll es möglich werden, die Öffnungszeiten zu verlängern. Teilweise sollen die Ämter auch am Samstag öffnen. Die Zahl der Wochenarbeitsstunden soll von 35 auf 37 Stunden steigen.
Wieder einmal. Wie ein ungezogenes Kind, das zum x-ten Mal beim Schwindeln erwischt wurde, verspricht der Senat Besserung. Damit uns hier keiner Übertreibung vorwirft, zitieren wir aus einer Antwort, die Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) dieser Zeitung bereits 2016, also vor fünf Jahren, gegeben hat: „Ohne ehrgeizige Ziele erreicht man überhaupt nichts. Das wird sportlich, aber ich werde mich da mit großem Engagement drum kümmern“, sagte Kollatz in einem Interview mit der taz. „Wir haben schon jetzt sehr viel bei der Personalausstattung in den Bürgerämtern getan. Die Wartezeiten haben sich im Vergleich zu den Vorjahren bereits verringert.“
Keiner, so versprach es Kollatz damals, müsse länger als 14 Tage auf einen Termin im Bürgeramt warten. Fünf Jahre später muss die grüne Stadträtin für Bürgerdienste in Tempelhof-Schöneberg, Christiane Heiß, ebenfalls im taz-Interview einräumen: „Wir schaffen das 14 Tage-Ziel im Moment nicht, das will ich gar nicht beschönigen.“
Nun gehört wenig Fantasie dazu, sich vorzustellen, wie es die nächsten Monate laufen wird. Bis zur Wahl wird sich die Lage etwas entspannen, danach wird alles so sein wie vorher. Viel erfolgversprechender als wieder einmal Besserung zu loben, wäre deshalb gewesen, was Stadträtin Heiß gegenüber der taz nur angedeutet hat, nämlich die Allgemeinzuständigkeit der Bezirke aufzuheben.
Wenn es nicht mehr möglich wäre, als Pankowerin einen Termin in Spandau zu buchen oder als Spandauer in Treptow-Köpenick, dann wäre ziemlich sicher Musike drin in einer so öden Sache wie einem Verwaltungsthema. Wer nur in seinem eigenen Bezirk Termine buchen kann, schaut nämlich plötzlich genau hin. Warum dauert es bei mir drei Wochen länger als im Nachbarbezirk? Was machen die besser? Und wer ist dafür verantwortlich?
Schon jetzt lässt sich sagen, wer weit vorne liegt und wer hoffnungslos hinterher ist. Neukölln zum Beispiel, sagt die Stadträtin aus Tempelhof-Schöneberg, habe viel Luft nach oben, Charlottenburg-Wilmersdorf ebenfalls.
Senat und Bezirke haben sich aber statt einer Aufhebung der Allgemeinzuständigkeit dafür entschieden, das Thema aus dem Wahlkampf rauszuhalten. Schade eigentlich. Wiedervorlage in fünf Jahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht