Neue Teenie-Droge Deospray: Der plötzliche Schnüffeltod
Plötzlicher Schnüffeltod: Da Klebstoff kaum noch high machende Lösungsmittel enthält, werden Deos- und Feuerzeuggas zur neuen Teenie-Droge. Mit Folgen.
Ende Mai wurde bei Cuxhaven ein 13-jähriger Junge von seinen Eltern leblos in seinem Zimmer aufgefunden. Neben ihm eine leere Dose Deospray. Der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen. Eine Obduktion bestätigte, was die Polizei schon vermutete: Der Schüler hatte die Gase aus dem Deo inhaliert, um high zu werden, und verstarb in der Folge an Herzversagen.
Auf den ersten Blick absurd, aber kein Einzelfall. "Die Zahl der Schnüffler nimmt deutlich zu. Es gibt immer mehr Zwischenfälle", sagt Heinrich Elsner von der Krisenhilfe Bochum. Allein in diesem Jahr sind in Deutschland mindestens zwei Jugendliche an der Folge der Inhalation legal erhältlicher Stoffe wie Deospray und Feuerzeuggas gestorben. Die Dunkelziffer liegt jedoch vermutlich um ein Vielfaches höher. "Ein Großteil der Todesfälle in Folge von Gasinhalation wird nicht erkannt, die Ärzte diagnostizieren einen Herzstillstand, da man Schnüffelstoffe beispielsweise im Urin nicht nachweisen kann", sagt Elsner.
Seit Klebstoffe kaum mehr Lösungsmittel enthalten, sind die Konsumenten auf andere im Supermarkt erhältliche Mittel umgestiegen. Vor allem vorpubertäre Kinder und Jugendliche konsumieren die Gase aus Feuerzeugen und Deosprays. Rund zwölf Prozent aller 16-Jährigen, so das Ergebnis einer Studie, haben schon mindestens einmal Schnüffelstoffe ausprobiert. "Diese Stoffe ersetzen bei den ganz jungen Jugendlichen andere Drogen wie Cannabis, weil die leichter zu bekommen sind. 11-Jährige haben in der Regel noch keine Connection zu einem Dealer", erklärt Elsner.
Die Jugendlichen inhalieren das als Treibmittel eingesetzte Butangas, durch den Sauerstoffmangel kommt es zum Rausch, der euphorisch machen, aber auch zu Halluzinationen führen kann. In welche Gefahr sie sich dabei begeben, ist den wenigsten bewusst. "Der Sauerstoffmangel im Gehirn kann dazu führen, dass man hinterher nicht mehr laufen oder sprechen kann, aber auch das Kurzzeitgedächtnis kann nachhaltig angegriffen werden", sagt Elsner. Im schlimmsten Fall kommt es zum Herzstillstand. In Großbritannien hat eine Studie ergeben, dass rund ein Viertel aller Opfer bereits beim ersten Konsum am sogenannten Sudden Sniffing Death Syndrom starben. In Deutschland ist die Erfassung noch nicht so weit. Es gibt keine verlässlichen Statistiken.
In manchen deutschen Jugendhilfeeinrichtungen sind Deosprays sogar schon verboten. "Wir hatten mehrfach Fälle, da mussten Kinder ins Krankenhaus, weil sie Deo inhaliert hatten", sagt ein Heimerzieher, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. In Internetforen wird offen über die Erfahrungen mit den "legalen" Drogen diskutiert. Eine Verkäuferin schreibt in einem Yahoo-Forum: "Ich arbeite bei Aldi und beobachte immer die gleichen Kiddies, wie sie in großen Mengen Deo kaufen. So viel Deo braucht kein Mensch zur üblichen Anwendung. Was kann man denn da tun?"
"Aufklärung ist das eine", sagt Elsner, "aber ich glaube auch, dass viele Jugendliche aus Leistungsdruck heraus anfangen Drogen zu nehmen, die müssten aufgefangen werden. Zum Beispiel durch Sozialarbeiter an Schulen." Kein innovatives Konzept, aber eines, das dort ansetzt, wo Ursachen für die Weltflucht liegen. ROBERT ACKERMANN
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