Neue Spuren im Fall Barschel: Reicht nicht für Ermittlungen
Die Lübecker Staatsanwaltschaft will trotz neuer DNA-Spuren die Ermittlungen zum Tod von Uwe Barschel nicht wieder aufnehmen. Die Strafprozessordnung erlaube das nicht.
LÜBECK/KIEL dpa | Die Lübecker Staatsanwaltschaft sieht in neuen DNA-Spuren keine Handhabe für erneute Ermittlungen zum mysteriösen Tod von Uwe Barschel. „Wir machen nicht weiter, nicht etwa, weil wir keine Lust hätten, sondern weil wir nach der Strafprozessordnung nicht weitermachen können“, sagte Oberstaatsanwalt Ralf Peter Anders. Die in einem LKA-Gutachten präsentierten neuen DNA-Spuren von mindestens einem Unbekannten auf Barschels Bekleidung seien nicht für eine aussagekräftige Beurteilung des Falls geeignet.
Die Leiche des früheren Kieler CDU-Ministerpräsidenten war am 11. Oktober 1987 in der Badewanne seines Hotelzimmers im Genfer „Beau Rivage“ gefunden worden. Bis heute steht nicht fest, ob Barschel wenige Tage nach seinem Rücktritt im Zuge eines politischen Skandals Selbstmord beging oder ermordet wurde. Laut Obduktion starb er an einer Medikamentenvergiftung.
Ein Gutachten des Landeskriminalamtes (LKA) ergab jetzt, dass an Krawatte, Socken und Strickjacke Barschels sowie an einem Handtuch DNA-Mischspuren gefunden wurden, die außer von Barschel von mindestens einem Unbekannten stammten. Anders sagte, diese Spuren könnten auch von mehreren Personen stammen. Sie eigneten sich nicht für einen Abgleich mit der Datenbank des Bundeskriminalamtes (BKA) für genetische Fingerabdrücke, weil sie zu rudimentär beziehungsweise zu stark vermischt seien. „Es bringt nichts“, sagte der Oberstaatsanwalt.
Der frühere Barschel-Chefermittler Heinrich Wille sieht das anders. „Das ist einen Versuch wert, zumal sich für mich der Anfangsverdacht auf Mord im Laufe der Ermittlungen erhärtet hat“, sagte Wille der Zeitung Die Welt. „Das bedeutet, dass das Verfahren wieder aufgenommen werden muss, wenn es neue Erkenntnisse gibt.“ Wille ist ebenso wie Barschels Familie davon überzeugt, dass der CDU-Politiker ermordet wurde und keinen Selbstmord beging. Konkrete Verdächtige und ein schlüssiges Mordmotiv konnten allerdings nie herausgefunden werden.
Technisch erfolgversprechend wäre es laut Anders, die jetzt gefundenen DNA-Spuren mit Proben von Personen abzugleichen, die dafür in Betracht kommen – also Verdächtige, die es aber nicht gibt. „Wir hatten in diesem Verfahren nie einen Tatverdächtigen und haben ihn auch heute nicht“, betonte Anders.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen