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Neue Serie „Prime Finder“ bei Apple TV+Whistleblowing mit Primzahlen

Hier braucht Spannung keine Verfolgungsjagd: In „Prime Finder“ droht ein junges Genie alle digitalen Sicherungssysteme aus den Angeln zu heben.

Leo Woodall in „Prime Finder“ Foto: Apple TV+

Berlin taz | Nachdem das junge Mathematik-Genie Edward Brook (Leo Woodall) den Barkeeper Adam (Fra Fee) abgeschleppt und mit ihm die Nacht verbracht hat, steht er am nächsten Tag auf, setzt sich an den Schreibtisch und kritzelt akribisch mathematische Formeln in sein Notizbuch. Als sein Lover ihm guten Morgen wünscht, sagt Edward kurz angebunden: „Du kannst jetzt gehen. Nein, wirklich! Ich muss arbeiten.“ Der gutaussehende, smarte Mathematiker, die Hauptfigur der Thriller-Serie „Prime Finder“, hat zwar wissenschaftlich enorm was drauf, mit seinem Sozialleben tut er sich aber eher schwer.

Der Mittzwanziger Edward forscht zu Primzahlen an der Universität Cambridge und wird als Wunderkind herumgereicht. Bis er plötzlich Streit mit seinem Professor bekommt, der seine Forschungsergebnisse vernichten will, und sich außerdem ein Geheimdienst einschaltet. Denn Edwards Primzahlen-Forschung könnte als universeller Codeknacker für sämtliche digitalen Verschlüsselungs- und Sicherungssysteme missbraucht werden. Dann greifen auch noch Unbekannte die Surveillance-Einheit der auf den Fall angesetzten jungen NSA-Agentin Taylah Sanders (Quintessa Swindell) an. Ab jetzt entspinnt sich eine dramatische Agenten-Geschichte.

Auch wenn die Handlung dieser flott inszenierten Thriller-Serie quer über den Globus von Großbritannien über Frankreich, die Niederlande und die USA bis in den Irak reicht, ist „Prime Finder“ keine gängige Agenten-Geschichte à la James Bond. Nicht nur dass hier hippe Mittzwanziger im Zentrum der Geschichte stehen und kein rund zehn Jahre älterer, elegant-steifer Agent der britischen Krone. Hier wird auch kaum gekämpft. Edward fährt Fahrrad statt Auto. Nicht spektakuläre Verfolgungsjagden erzeugen Spannung, sondern die Hacks der bald abtrünnigen NSA-Agentin Taylah, die sich mit dem gejagten Mathematiker zusammentut. Könnte Edward die gesamte Sicherheitsarchitektur von Regierungen und dem globalen Finanzsystem zum Einsturz bringen? Werden die beiden über die halbe Welt gejagten Taylah und Edward zu einer ganz neuen Art von Whistle­blowern?

Egal ob in Serie oder Film, das Agenten-Genre erlebt in den letzten Jahren generell diverse Modifizierungen. Mit Gal Gadot („Heart of Stone“, 2023) und Ana de Armas („Ghosted“, 2023) gibt es endlich neue taffe Super-Spio­ninnen in Mega-Action-Filmen. In der gerade angelaufenen starbesetzten Paramount+-Serie „The Agency“ wird versucht, ein realistisches Bild der Agententätigkeit zu inszenieren. Eine schöne Neuerung, auch wenn sie wieder in einem arg stilisierten Epos mündet.

Die Serie

„Prime Finder“, ab 22. Januar auf Apple TV+

Mehr als nur Action

„Prime Finder“ backt da vergleichsweise kleine Brötchen und mengt auch mal übertrieben wirkende Verschwörungsgeschichte um überwachte Mathematiker in den Teig ebenso wie den britischen Unibetrieb und paranoide Agenten in schicken Büroräumen. Teil dieser faszinierenden Geschichte sind auch archäologische Ausgrabungen in Bagdad und die digitale Selbstermächtigung der beiden jungen Anti-Helden.

Aus dem angestaubten Agenten-Genre ist doch noch einiges rauszuholen

Und ja: Natürlich gibt es Action. Aber es geht eben auch mal um die soziale Herkunft der Figuren, um Karrierechancen im Wissenschaftsbetrieb und die grundsätzliche Frage, welche Verantwortung Wissenschaftler für ihre Forschungsarbeit haben, mag sie auch noch so praxisfern sein.

Der Zahlen-Nerd Edward notiert alle seine Gedanken – in Zeiten der Digitalisierung eher anachronistisch – in einem ledergebundenen Notizbuch. Die Hackerin Taylah macht daraus eine praxistaugliche Anwendung. Auf das sonst im Agentenfilm obligatorische „Boy meets Girl“-Narrativ und aufgesetzte Romantik wird hier komplett verzichtet. Dabei überzeugt die flotte Serie nicht immer über die Länge der acht Episoden, entwickelt aber einen mitreißenden Spannungsbogen und zeigt, dass aus dem angestaubten Agenten-Genre doch noch einiges rauszuholen ist.

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