piwik no script img

Neue SchengenländerSpätes Ende einer Diskriminierung

Florian Bayer
Kommentar von Florian Bayer

Für Rumänien und Bulgarien herrscht endlich Reisefreiheit ohne Grenzkontrollen. Schuld an der Hängepartie war die ÖVP Österreichs – aus innenpolitischen Gründen.

Grenze zwischen Rumänien und Griechenland: Ab sofort freie Fahrt Foto: Valentina Petrova / AP / dpa

R umänien und Bulgarien, willkommen bei Schengen! Das twitterte Roberta Metsola zwei Minuten nach Mitternacht am Neujahrstag. Die Präsidentin des Europäischen Parlaments begrüßte, dass die beiden EU-Länder nun auch endlich in die Zone ohne Binnengrenzkontrollen aufgenommen werden. Nun sprach sich schon im Juli 2023 das EU-Parlament mit großer Mehrheit für die möglichst rasche Aufnahme Rumäniens und Bulgariens aus. Die Schengen-Zone sei eine der „spürbarsten Errungenschaften der europäischen Integration“, wie es im Abstimmungstext hieß. Es sei inakzeptabel, dass die Bürger mit teils tagelangen Wartezeiten, wirtschaftlichen Verlusten und unnötigen Abgasen an der Grenze diskriminiert würden.

Dass der Beitritt erst jetzt stattfinden konnte, lag an Österreich. Zwei Jahre lang hatte Wien blockiert. Das Veto im EU-Ministerrat, damals noch gemeinsam mit den Niederlanden, kam Ende 2022 überraschend. Als Grund nannte Wien Sorgen vor unzureichendem Außengrenzschutz und verstärkter „illegaler Migration“ von Drittstaatsbürgern.

Zahlreiche Experten zweifelten diese Argumentation an. Nicht ohne Grund bescheinigte die Europäische Kommission schon 2011 beiden Staaten, alle Kriterien zu erfüllen – eben auch funktionierende Kontrollen an den Außengrenzen. Leidtragende waren etwa die mehr als drei Millionen Rumänen und eine Million Bulgaren, die im EU-Ausland leben. Boykottaufrufe gegen österreichische Firmen, eine einberufene Botschafterin in Bukarest, Kritik aus halb Europa waren die Folge.

Der wahre Grund war ein anderer: Die Landtagswahl in Niederösterreich, dem für die ÖVP wichtigsten Bundesland. Die Partei hatte dort mit großen Verlusten zu rechnen und versuchte, die FPÖ rechts außen zu überholen – daher das Veto. Die Strategie ging nicht auf, die ÖVP verlor massiv.

Kurswechsel der ÖVP

Im Dezember nun hat die ÖVP, kurz vor Ausscheiden der von ihr angeführten Bundesregierung, ihr Nein aufgehoben. Die Zahl illegaler Einwanderer in Österreich sei zurückgegangen, argumentierte ÖVP-Innenminister Karner. Wichtiger wohl: Die Partei hat damit nichts mehr zu gewinnen oder zu verlieren. Die Nationalratswahl vom Herbst hat sie ohnehin schon verloren.

Anders ist das für die Bürger Rumäniens und Bulgariens, die nun endlich aufatmen können. In den vergangenen Jahren hatten sich viele als Europäer zweiter Klasse gefühlt. Das beförderte die politische Instabilität in Bukarest und Sofia. Das sachlich nicht gerechtfertigte Veto hat zum Zulauf für Populisten und Russlandfreunde gewiss beigetragen. Die Schengen-Aufnahme kommt daher keinen Tag zu früh.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Florian Bayer
Korrespondent Wien
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!