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Neue Sätze der "Düsseldorfer Tabelle"Mehr Unterhalt für Scheidungskinder

Die Unterhaltszahlungen für Millionen Scheidungs- und Trennungskinder steigen in diesem Jahr so stark wie noch nie. Grund dafür sind die Erhöhung der Kinderfreibeträge und des Kindergelds.

Nur bei zahlungsfähigen Eltern wirken sich die 13 Prozent Erhöhung aus. Bild: dpa

DÜSSELDORF dpa | Die Unterhaltssätze für Millionen Scheidungs- und Trennungskinder lägen um durchschnittlich 13 Prozent höher als im Vorjahr, teilte das Düsseldorfer Oberlandesgericht mit. Grund für den kräftigen Zuschlag sind die im Wachstumsbeschleunigungsgesetz festgelegten Erhöhungen der steuerlichen Kinderfreibeträge und des Kindergeldes. Bundesweite Richtschnur für die Unterhaltsansprüche von Kindern getrennt lebender Eltern ist die "Düsseldorfer Tabelle". Die neuen Sätze gelten rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres.

Die bundesweit einheitlichen Sätze richten sich nach dem Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils sowie nach dem Alter der Kinder. Der Mindestunterhalt bei einem monatlichen Nettoeinkommen bis 1500 Euro liegt nach der neuen Tabelle jetzt zwischen 317 und 488 Euro. Das bedeutet eine Steigerung zwischen 36 und 56 Euro pro Kind. Beträgt das Nettoeinkommen beispielsweise 3000 Euro, steigen die Unterhaltssätze auf 338 bis 519 Euro. Verdient der Unterhaltspflichtige - zumeist ist es Vater - 4000 Euro netto, so stehen den getrennt von ihm lebenden Kindern 405 bis 623 Euro zu.

Familienrichter sehen den kräftigen Anstieg skeptisch. Früher waren die Mindestunterhaltssätze an die Einkommensentwicklung gekoppelt, heute richten sie sich nach dem steuerlichen Kinderfreibetrag, der sich wiederum aus dem Existenzminimum berechnet. "Die Erhöhung der Kinderfreibeträge soll eigentlich Familien entlasten, durch die Koppelung an den Mindestunterhalt werden sie für Unterhaltspflichtige aber zur Belastung", sagte der Düsseldorfer Familienrichter Jürgen Soyka. Das Kindergeld steigt um 20 Euro auf 184 für das erste und zweite Kind im Monat, der steuerliche Kinderfreibetrag von 6024 auf 7008 Euro pro Jahr.

Problematisch sei auch, dass Kinder, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil zu wenig verdiene, nicht von der Erhöhung der Bedarfssätze profitierten, kritisierte Soyka. "Nur bei denen, die zahlungsfähig sind, wirken sich die 13 Prozent Erhöhung aus."

Die "Verteilungsmasse" bleibt trotz der höheren Sätze zudem gleich. "Je höher der Kindesunterhalt, desto geringer wird der Ehegattenunterhalt", sagte Soyka. Denn auch für die Unterhaltspflichtigen gibt es Mindestbeträge vom Einkommen, die sie behalten dürfen. Letztlich würden beide Elternteile von der Erhöhung der Unterhaltssätze getroffen, sagte Soyka, "der Mann, der zahlen muss und Frauen, die weniger bekommen".

Bereits im Sommer soll die Tabelle neu konzipiert werden. Bis dahin wird eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zum Selbstbehalt erwartet. Der Mindestbedarf liegt derzeit bei 900 Euro. Außerdem dürfte sich die erwartete Entscheidung aus Karlsruhe zum Existenzminimum und den Hartz-IV- Regelsätzen für Kinder auf die "Düsseldorfer Tabelle" auswirken. Die Hartz-IV-Sätze für Kinder liegen derzeit je nach Alter zwischen 215 und 287 Euro.

Die "Düsseldorfer Tabelle" ist mit den Familiensenaten aller deutschen Oberlandesgerichte abgestimmt. Die Tabelle hat keine Gesetzeskraft, sondern stellt eine Richtlinie dar.

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4 Kommentare

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  • M
    Meibach

    Unterhalt nein Danke

    Warum muß ich nun 13% mehr unterhalt Zahlen für ein Kind was ich nicht wollte ? Die Mutter lebt in saus und braus fährt einen BMW ein Motorad und besitzt zwei Häuer. Ich bekomme seit 5 Jahren immer den gleiche Lohn Nur die Kinder und Mütter bekommen immer mehr (Unterhalt/ Kindergeld)weil Sie eben Kinder bekommen können und die Männer zahlen müssen.

    Ich kann nur jedem Raten keine Kinder in die Welt zu setzen wenn er ein Mann ist. Ich wünschte Ich bräucte nix zu bezahlen.

  • S
    Skeptiker

    das Leben ist teuer - warum überlegt mann sich das nicht vorher ob neues Leben bezahlbar ist ?

  • A
    audio001

    Interessant wird das Ganze, wenn man mal ein gleichbleibendes Bruttoeinkommen rechnet (unter der Maßgabe, dass Lohnsteigerungen ohnehin durch die Inflationsrate aufgefressen werden!), um mal einen Vergleich zu haben, zu den tatsächlich Belastungen aus gestiegenem Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle und den vermeintlichen Enlastungen aus gesetzlichen Abgaben:

     

    Basis der Berechnung ist ein zu versteuerndes Bruttoeinkommen von monatlich 1500,00 Euro (jährlich 18.000 Euro), Steuerklasse I, keine Kirchensteuer, 1,0 Kinder und dem Unterhaltsbetrag nach der Düsseldorfer Tabelle für ein Nettoeinkommen bis 1300 (galt bis einschließlich 2007, ab 2008 wurde auf diese Abstufung verzichtet!) bzw. 1500 Euro, für ein Kind in der Altersstufe 12 bis 17 Jahre :

     

    Im Jahr 2005 betrug der zu leistende Unterhaltsbetrag nach der Düsseldorfer Tabelle 291 Euro monatlich, das Nettoeinkommen unter Brücksichtigung der gesetzlichen Abzüge des Unterhaltspflichtigen betrug 1057,07 Euro.

     

    Im Jahr 2010 würde der zu leistende Unterhaltsbetrag nach der aktuellen Düsseldorfer Tabelle 426 Euro monatlich betragen, das Nettoeinkommen unter Brücksichtigung der gesetzlichen Abzüge des Unterhaltspflichtigen 1090,87 Euro!

     

     

    D.h. Der Unterhaltsbetrag hat sich seit 2005 in der gleichen Altersstufe von 291 auf 426 Euro erhöht (das entspricht einem Zuwachs von 135 Euro oder plus 31,7 %!). Im gleichen Zeitraum hat sich das vergleichbare Nettoeinkommen aber nur von 1057,07 auf 1090,87 Euro erhöht (das entspricht einem Zuwachs um 33,80 Euro oder plus 3,1 %!).

     

     

    D.h. selbst wenn man unterstellen würde, dass das Bruttoeinkommen um jährliche Lohnerhöhungen gestiegen wäre, wären dem Unterhaltspflichtigen von diesen Lohnsteigerungen nichts verblieben, weil diese durch den gestiegenen Unterhaltsbetrag aufgefressen worden wären!

     

     

    Hier läuft etwas grundsätzlich falsch!- Frau Merkel übernehmen sie!

  • A
    audio001

    Es wird natürlich immer von Kindsunterhalt gesprochen, aber letztendlich ist der Unterhaltspflichtige überhaupt nicht in der Lage zu prüfen, ob denn der Unterhaltsbetrag tatsächlich dem Kind zukommt!

     

    Ich persönlich schließe nicht aus, dass ohne weiteres auch Anteile des Kindsunterhalts "zweckentfremdet" vom Unterhaltsberechtigten verwendet wird!

     

     

    Aber, es gibt noch einen ganz anderen Aspekt und ich vermute dadurch ist auch die exorbitante Steigerung des Unterhaltsbetrages von 13 % mitbegründet:

     

    Wir haben derzeit rund 900.000 Alleinerziehende ALG II Empfänger. Das neue Unterhaltsrecht sieht (in der Einzelfall- Entscheidung des zuständigen Familiengerichts) vor, dass der Unterhaltsberechtigte nach dem Lebensalter des Kindes/der Kinder zur Arbeitsaufnahme verpflichtet ist!

     

    Dieses ist in Zeiten der Wirtschaftskrise und rund 6,5 Millionen Arbeitslosen und Arbeitssuchenden zweifelsfrei relativ theoretisch.

     

    D.h. die Masse der Alleinerziehenden müssen ALG II ins Anspruch nehmen!

     

    Unterhalt, auch Kindsunterhalt, wird jedoch gegen den Leistungsbezug aus ALG II verrechnet. (Kindsunterhalt im Übrigen vorrangig gegenüber Ehgattenunterhalt!) D.h. je höher der Unterhaltsbeitrag nach der Düsseldorfer Tabelle ist, je geringer ist die ALG II Leistung für das Kind/die Kinder in der Bedarfsgemeinschaft!

     

     

    Die Sätze die Kindern von ALG II Leistungsempfängern zustehen liegen aber erheblich unter der Düsseldorfer Tabelle: Bei Kindern und Jugendlichen von ALG II Leistungsempfängern sind die Leistungen gestaffelt (ausgehend vom Regelsatz!): Unter sechs Jahren gibt es 60 Prozent (215 Euro), unter 14 Jahren 70 Prozent (251 Euro), darüber 80 Prozent (287 Euro). Das Kindergeld wird damit verrechnet, für Schüler gibt es allerdings noch 100 Euro jährlich extra. Anfangs gab es nur zwei Stufen: 60 Prozent zwischen 0 und 14 Jahren, 80 Prozent darüber.

     

     

    Da diese ALG II Sätze derart erheblich von denen der Düsseldorfer Tabelle abweichen entsteht nun rechnerisch das Phänomen, dass bei einer noch größeren Differenz zwischen ALG II und der Düsseldorfert Tabelle, die Leistungen aus ALG II weiter minimiert werden! D.h. der Staat oder die Kommune (bei den anteiligen Wohn u. Heizkosten) muss weniger an Leistungen aufbringen"

     

     

    Nun trifft dieses nicht nur auf eine Konstellation mit Alleinerziehenden ALG II Leistungsempfängern zu, sondern auch auf Unterhaltsleistungen die in Bedarfsgemeinschaften fließen, in denen unterhaltspflichtige Kinder, z.B. aus einer geschiedenen Ehe, Unterhaltsleistungen von einem Dritten Unterhaltspflichtigen herhalten!

     

    D.h. der Staat (oder irrlichternde Sozialpolitiker!) dürfte ein großes Interesse haben, dass die Düsseldorfer Tabelle möglichst großzügig bemessene Unterhaltssätze enthält, weil er damit im nicht unerheblichen Umfang Leistungen aus ALG II gegenüber Bedarfsgemeinschaften minimiert in denen Kindern gegenüber eine Unterhaltspflicht besteht!

     

     

    Für mich ist die Passivität der Politik in dieser Frage, die gelebte Perversion des Sozialstaates!