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Neue Riesen-Lkw GigalinerKönige der Straße

Sie sind sechs Meter länger als normale Lkws und transportieren Blumen oder Kekse: Gigaliner. Ab 2011 sollen sie durch das ganze Land rollen.

Sechs Meter länger: Ein Gigaliner. Bild: ap

Am Lkw von Volker Schmidt prangt ein Aufkleber: "Achtung, Überlänge". Das Fahrzeug der Spedition Voigt misst gut 25 Meter - es ist so lang wie 15 Fahrräder. Bisher dürfen Lkws nur 18,75 Meter lang sein. Doch das Fahrzeug "lässt sich genauso fahren wie ein normaler Sattelzug", sagt Schmidt. Der extralange Gigaliner transportiert zum Beispiel Kekse und andere Lebensmittel von Stapelfeld bei Hamburg nach Neumünster. "Vorher brauchten wir dafür sechs Fahrten am Tag, jetzt nur noch vier", sagt Spediteur Henning Voigt. "Wir verringern damit den Verkehr, sparen Dieselkraftstoff und senken den CO2-Ausstoß." Kritiker befürchten dagegen, dass eine allgemeine Erlaubnis der Gigaliner teuer für die Allgemeinheit und schädlich für die Umwelt wird.

Schleswig-Holstein gehört zu den Ländern, die eine Ausnahmegenehmigung für einzelne Gigaliner erteilt haben: Auf zwei Strecken fährt die Spedition Voigt, auf der dritten transportiert eine dänische Spedition Blumen. Die Bundesregierung plant einen deutschlandweiten Feldversuch mit Gigalinern im kommenden Jahr. Man wolle so "immense Erleichterungen für den Güterverkehr schaffen", sagt Andreas Scheuer, CSU-Staatssekretär im Verkehrsministerium. Autofahrer werden dann häufiger auf Gigaliner stoßen. Laut Scheuer wollen über 200 Firmen an dem Feldversuch teilnehmen. Er sieht in Groß-Lkws einen Beitrag, den enormen Zuwachs im Transportwesen zu bewältigen.

Im vergangenen Jahr wurden 3,6 Milliarden Tonnen an Gütern durch Deutschland bewegt: 86 Prozent davon auf der Straße, 8 Prozent auf der Schiene, 6 Prozent in Schiffen. Nach einer Prognose im Auftrag des Verkehrsministeriums wird der Güterverkehr in Deutschland bis zum Jahr 2025 um 70 Prozent zunehmen. Gerade durch das Wachstum der Branchen Elektrotechnik, Maschinen- und Fahrzeugbau werden mehr Produkte transportiert. Viel entscheidender ist aber die Globalisierung: Erst der zunehmende grenzüberschreitende Handel lässt Transporte so stark ansteigen.

Bild: taz

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Wie alles begann

Dieser Artikel entstand auf Anregung unserer Leserin Karin Biel. Sie mailte: "Sehe ich es richtig, dass die Länge der Lkws sich verdoppelt hat? Es ist doch ein heller Wahnsinn, wenn man Bedenkt, dass bei gleichbleibender Bevölkerung hier im Lande das Frachtaufkommen sich derart vergrößert hat. Was für sinnloses, nutzloses Zeug wird da durch die Gegend gekarrt!"

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Gigaliner eignen sich vor allem für leichte Ladung, die viel Platz braucht: Kekse, Matratzen, Chips. Denn die Fahrzeuge bieten zwar 50 Prozent mehr Ladefläche, das Gesamtgewicht inklusive Ladung muss aber wie bisher bei 40 Tonnen bleiben. Weil das Gewicht sich auf mehr Achsen verteilt, ist sichergestellt, dass die Straßen nicht stärker belastet werden.

In Thüringen transportieren die Fahrzeuge zum Beispiel Zwieback über 105 Kilometer. Uwe Adler, Professor für Straßenfahrzeugtechnik an der Fachhochschule Erfurt, hat das Projekt begleitet. Sein Ergebnis: Dank Gigalinern wurde ein Drittel der Fahrten und 18 Prozent Diesel eingespart - das bedeutet 18 Prozent CO2-Reduktion. Enge Kurven und Kreisverkehre sind kein Problem: Der Anhänger hat eine lenkbare Achse und schafft denselben Wendekreis wie andere Lkws.

Der Gigaliner wird aber dazu führen, dass Güter verstärkt auf der Straße statt auf der Schiene transportiert werden. Umstritten ist, wie stark dieser Effekt ist. Martin Roggermann von der Allianz pro Schiene befürchtet: Für die Bahn könnte die Beförderung einzelner Güterwaggons so unattraktiv werden, dass dieses Angebot ganz eingestellt wird. Dabei ist dieser Transportweg viel umweltfreundlicher. Zudem befürchtet Roggermann, dass der Gigaliner nur ein erster Schritt ist: "Als Nächstes könnte das erlaubte Gewicht auf 60 Tonnen erhöht werden." Die dann nötige Verstärkung der Brücken "kostet den Steuerzahler Milliarden, während den Gewinn ganz allein die Speditionen und ihre Kunden einfahren". Auch Dänemark und die Niederlande starteten mit dem Gigaliner zuerst als 40-Tonner - und erlauben jetzt bis zu 60 Tonnen pro Fahrzeug.

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10 Kommentare

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  • M
    maik

    Die Bundesbahn wurde im Verhältnis zum Lkw immer langsamer und infelexibler. Im EU- Durchschnitt sind Waren per Bahn mit der Geschwindigkeit eines mittleren Radfahrers unterwegs - mit 14 Km/h.

     

    Starres Tarifsystem, nicht dem Bedarf angepaste Fahrpläne, fehlende Rationalisierung und andere Versäumnisse beschleunigen den Niedergang.

    Als vom Bund subventioniertem Monopolbetrieb (mit jährlich über 9 Mrd. Euro) kommt es der DB auch nicht auf Kundenfreundlichkeit und rationelles Wirtschaften an.

     

    Mit der Gründung der Deutschen Bahn AG am 1. Jan. 94 wurden nicht nur 70 Mrd. DM Schulden einfach so gestrichen, gleichzeitig verschwanden auch weitere 130 Strecken mit 1 300 Km. Selbst Kleinstädte und riesige Industriebetriebe haben keinen Bahnanschluß mehr.

     

    Der üble Paragraph. 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes berechtigt die DB sogenannte Stillegungsanträge zu stellen, wenn die (finanzarmen) Städte und Bundesländer die Strecken nicht finanziell übernehmen.

    Im Klartext: Das Verkehrsaufkommen der Bahn geht weiter zurück.

     

    Das Gejammere dieser Lobbyistenclique mit Namen "Allianz pro Schiene" ist nicht nachvollziehbar. Die sollen vor Ihrer eigenen "Tür kehren", anstatt andere für Fehler verantwortlich zu machen.

  • R
    Reinhard

    Dieser sog. Feldversuch ist kein technischer Versuch sondern dient ausschliesslich dazu die Menschen an diese Monster-Lkws zu gewöhnen.

    Argumentation: Hat ja bisher (im Feldversuch) nicht geschadet. Also können wir das einführen.

  • D
    DerKritiker

    Solche Projekte rechnen sich nur weil die Kosten der Umweltzerstörung zu gering eingepreist sind, von der möglichen Zunahme an Verkehrsunfällen ganz zu schweigen.

  • GG
    günter g.

    Für amerikanisch Verhältnisse ok. Für unsere Straßenbild wohl eine Nummer zu groß. Erlebe das schon tagtäglich auf unserer Gemeindestraße. Die Navis zeigen den Lkw´s den kürzesten Weg von A nach B. So erleben wir stark zunehmenden Lkw-Verkehr, der durch die jetzigen Tonnagen schon den Unterbau demolieren. Erst letzte Woche war wieder eine Kolonne damit beschäftigt, Risse im Belag zu versiegeln. Letzthin müssen wir Bürger für die Schäden aufkommen, die unsinnige Fahrten von Lkw´s durch Wohnsiedlungen verursachen. Aber Herr Ramsauer ist da wohl auf einem Auge blind und gehorcht der Lkw-Bauer-Lobby.

  • MG
    Marco Grandmann

    Obwohl man offiziellen Statistiken selten ganz vertrauen darf, so sagt einem der Verstand hier , das diese Rechnung zumindest zum Teil aufgeht . Und diese selbst kleine Ersparnis an Emissionen und Sprit kann nur begruesst werden. Meinetwegen ist dies eine mittelfristige Loesung und das Rechenexempel bzgl. der Kosten fuer Strasse , etc. steht noch aus.

    Die rhetorische Frage der Dame "was wird denn da fuer ein Bloedsinn herumtransportiert?" ist eigentlich -entschuldigung- ziemlich daemlich . So ziemlich alles was der Mensch braucht oder glaubt zu brauchen, einschliesslich des Naturkornfruehstuecks und der Oekostrom-Propeller, denn auch diese koennen noch nicht fliegen. Und wenn unser Konsum und Verbrauch trotz stagnierender Bevoelkerungszahl staendig steigt, so ist das nicht Schuld der Transportindustrie sondern unsere und des Verhaeltnisses zu unseren Beduerfnissen."Imagine..." Waere es nicht schoen, wenn.......

    Auch die Verlegung von grossen Teilen des Transports auf die Schiene ist unrealistisch. Allein das Netz an Bahn das gebaut werden muesste um das zu bewerkstelligen ist horrend und ich moechte nicht den Aufschrei hoeren wenn ploetzlich kreuz und quer durch alle Landschaften Trassen gelegt werden. Und trotzdem muesste ja das Gut von der Schiene zum Lager oder Supermarkt oder wo auch immer hinkommen. Oder muessen zukuenftig alle Grosslager, Supermaerkte, Haendler und Fabriken an einem Schienenstrang angelegt werden? Die ganze Logistik stimmt hier nicht und das Problem wird wieder einmal vom Dach aus angegangen.

    Und noch eins : die Zunahme an Internet-Handel -in D noch nicht so verbreitet wie in USA und GB, kommt aber- wird zukuenftig zusaetzlich noch weitaus mehr Kurier und Kleintransporter auf die Strasse bringen, die uns die Kleinigkeiten mal eben vorbeibringen.

    Wir wollen immer alles und sofort, nicht wahr? Das Bevoelkerungswachstum ist zu hoch aber wir muessen alle einen auf Familie machen, schliesslich sind wir ja im zivilisierten Westen, wir koennen uns Jeeps in der Stadt leisten und tun's , ein paar mehr Jeeps machen das doch nicht aus, oder? Das neue Handy ist auch schon wieder ein Jahr alt, Mann, voellig out-of-date, gelle? Und der letzte Urlaub in Spananien war auch oede, dieses Jahr fliegen wir nach Fidschi. Und die exotischen Fresschen im Kuehlschrank die alle eingeflogen werden, die frischen Bluemchen auf dem Esstisch aus Holland oder Kenia.Unsere preisguenstigen Markenjeans aus China, das Geschenk fuer Tante Hilde aus Indien, und und und. Einzeln macht das nix, leider sind wir ein paar mehr und wollen alle etwas in der Art. Ist es uns ernst, dann beginnen wir bei unserem eigen Verstaendnis zu unseren Beduerfnissen. Und keine Angst, die Wirtschaft wird davon nicht zusammenklappen sondern sich aendernden Beduerfnissen anpassen.

  • B
    Bitbändiger

    Wenn ich mich recht erinnere, hat vor einiger Zeit schon Niedersachsen (in der Ägide des überaus sympathischen FDP-Verkehrsministers Hirche) einen Gigaliner-Feldversuch unternommen - und zum Glück eingestellt.

     

    In den niederländischen und dänischen Ebenen mag so ein Monstrum ja noch bewegbar sein. Auf unseren überfüllten Autobahnen, Mautvermeidungsstrecken und erst recht auf den zu den Abnehmern führenden Landstraßen dürften die behaupteten ökologischen Vorteile (die ich liebend gern mal auf Objektivität überprüfen würde) durch gravierende Nachteile beim Gesamtverkehrsfluss überkompensiert werden.

     

    Da aber das Speditionsgewerbe von der schwarzgelben Lobbyistenclique bisher noch nicht beschenkt wurde, werden sachliche Erwägungen wohl eher keine Rolle spielen.

  • HJ
    Hong Junzi

    ahso, dass versteht man dann also unter "mehr Verkehr" auf die Schienen bringen" und "zukunftsweisende Innovation"...

    armes Deutschland, als wären deine Straßen nicht schon voll genung, werden sie nun letzlich vollend mürbe gefahren

  • V
    vic

    Gigaliner - gigantischer Blödsinn.

    Den einzigen Vorteil davon haben LKW-Hersteller und die Straßenbaubranche.

  • D
    deltaM

    Die Diskussion ist leider nicht neu, aber nicht die Maße des Gigaliners machen mir sorgen...Wenn das Transportwesen nochmal um 70% zunimmt und weiterhin über 80% auf der Straße transportiert werden, was sind dann schon 18% Kraftstoffeinsparung?

    Zudem: Es ist wiedermal eine Diskussion über die Anpassung an einen schon viel früher gemachten Strukturfehler in der Entwicklung der Industrie. Und wir kümmern uns hiermit großartig um die Symptome...

  • Y
    Yadgar

    Ach was, Gigaliner! Was wir brauchen, ist ein 10000-mm-Ultrabreitspurbahnnetz, mit 150 m langen und 40 m hohen atomreaktorgetriebenen Monster-Loks, die dann 30 km lange Züge ziehen... auch wenn dann dafür das eine oder andere Mittelgebirge weggesprengt und die eine oder andere Großstadt thermonuklear ausradiert werden muss, aber was tut man nicht alles für den STANDORT DEUTSCHLAND?