Neue Regierung in Tunesien: Mechichi gewinnt Vertrauen
In Tunesien hat das Parlament eine neue Regierung eingesetzt. Es ist bereits die dritte in nur einem Jahr. Premier wird der bisherige Innenminister.
Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Elyes Fakhfakh im Juli hatte Staatschef Kais Saied den parteilosen Mechichi beauftragt, eine neue Regierung zu bilden. Mechichi war im Februar zum Innenminister in der alten Regierung ernannt worden. Fakhfakh war bereits der siebte Premier seit dem Sturz von Machthaber Zine el Abidine Ben Ali im Jahr 2011.
Dies ist das dritte Kabinett in Tunesien seit der Wahl dieses Parlaments im vergangenen Jahr. Das tunesische Parlament hatte erst im Februar die Regierung unter Fakhfakh akzeptiert. Mehrere Versuche, nach der Wahl im vergangenen Oktober eine Regierung zu bilden, waren gescheitert. Bei der Parlamentswahl im Oktober 2019 waren die etablierten Parteien abgestraft worden. Daraus resultiert ein zersplittertes Parlament.
Mechichi hatte einen Monat Zeit, seine Regierung zusammenzusetzen. Sieben Tage vor der Sitzung am Dienstag hatte er dem Parlament seine Regierung aus Technokraten vorgestellt. Dieser werde „in der Tat eine Regierung für Arbeit und Leistung sein“, sagte Mechichi am Dienstag in seiner Rede vor dem Parlament. Sie werde „nach unkonventionellen und innovativen Lösungen“ suchen und so Ausgaben reduzieren.
Wirtschaftliche Probleme
Die beiden großen Parteien, „Kalb Tounes“ (Herz Tunesiens) und die islamisch-konservative Ennahda, hatten sich in der Nacht zum Dienstag entschieden, für die Regierung zu stimmen. Mit weniger als 109 Stimmen hätte Präsident Saied die Versammlung auflösen und vorgezogene Wahlen für Anfang 2021 einberufen können.
Das nordafrikanische Land kämpft mit großen wirtschaftlichen Problemen. Etwa 40 Prozent der Tunesier leiden nach offiziellen Angaben unter Armut. Besonders die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Fast jeder Dritte Hochschulabsolvent findet keinen passenden Job. Zuletzt waren auch die Zahlen der Corona-Infektionen gestiegen.
Die Europäische Union äußerte den Wunsch, eng mit der neuen Regierung zusammenzuarbeiten und die „privilegierte Partnerschaft mit Tunesien“ aufrechtzuerhalten. Man begrüße die neue tunesische Regierung und hoffe, „dass diese Entwicklung die politische Stabilität gewährleistet, die das Land benötigt, um sich seinen sozioökonomischen Herausforderungen zu stellen, die durch die Coronapandemie noch verschlimmert werden“, sagte ein Kommissionssprecher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe