Neue Regierung in Spanien: Diesmal reicht's für Sánchez
Der Sozialist wird mit einfacher Mehrheit vom Parlament zum Premier gewählt. Rechte Abgeordnete kritisieren ihn als „Vaterlandsverräter“.
Mit Sánchez wird erstmals in den mehr als 40 Jahren Demokratie nach dem Ende der Franco-Diktatur ein Sozialist einer Koalitionsregierung vorstehen. Neben seiner PSOE gehört ihr die linksalternative Unidas Podemos (UP) von Pablo Iglesias an. Mehrere Regionalparteien stimmten ebenfalls mit Ja. Die Stimmenthaltungen stammen von den katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern der republikanischen Linken (ERC) und den Linksnationalisten von EH Bildu aus dem Baskenland.
Um die Enthaltung von ERC zugunsten seiner „fortschrittlichen Koalition“ zu erreichen, handelten die Sozialisten einen Dialogprozess zwischen der Regierung in Madrid und Barcelona aus. Die Gespräche sollen nach einer Welle von Gerichtsverfahren, bei denen neun Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten wegen „Aufruhrs“ in Zusammenhang mit dem 2017 abgehaltenen und von Madrid untersagten Unabhängigkeitsreferendums zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, das Thema Katalonien zurück auf die politische Bühne bringen. Ein Unabhängigkeitsreferendum nach schottischem Vorbild schließt Sánchez weiterhin kategorisch aus.
Vertreter der spanischen Rechten – von der konservativen Partido Popular (PP) über die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) bis hin zur rechtsextremen VOX – unterbrachen die Parlamentsdebatte immer wieder mit beleidigenden Zwischenrufen. Sánchez gilt ihnen als „Vaterlandsverräter“. Er sei „eine Gefahr für Spanien“, weil er sich sich auf all diejenigen stütze, die „Spanien zerstören wollen“. Die drei Parteien kündigten eine „harte Opposition“ an.
Einsatz der Armee
Ein EU-Abgeordneter der rechtsextremen VOX verlangte gar ein Einschreiten der Armee. Das ganze Wochenende über wurden Abgeordnete unter Druck gesetzt, um die hauchdünne Mehrheit für Sánchez zu verhindern. Der Heimatort des Vertreters der Regionalpartei Teruel Existe, Tomás Guitarte, erwachte am Sonntag mit Sprühereien, die den Angeordneten als „Verräter“ beschimpften. Guitarte verbrachte die Nacht vor der Abstimmung an einem geheimen Ort in Madrid – aus Sorge um seine Sicherheit.
Bei vielen Sozialisten gingen Drohmails ein. Hatten am Samstag die Rechten 15.000 Menschen vor das Parlament in Madrid mobilisiert, die dort Fahnen schwenkend „Sánchez ins Gefängnis“ riefen, waren es nach der Wahl der neuen Regierung deren Anhänger, die vor der Volksvertretung jubelten.
Die neue Regierung wird ihre Arbeit umgehend aufnehmen. Noch diese Woche wird Sánchez die Kabinettsmitglieder – darunter fünf Linksalterantive – vorstellen. Bereits am Freitag will Sánchez eine Kabinettssitzung einberufen und erste soziale Maßnahmen ankündigen. In spätestens zwei Wochen sollen die Verhandlungen mit Katalonien beginnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr