Neue Regierung in Norwegen: Drei Frauen sind am Ruder
Erneut gibt es eine Minderheitsregierung in Norwegen. Das Bündnis besteht aus Konservativen, Rechtspopulisten und Liberalen.
Die beiden „blauen“ Parteien, Konservative und Fortschrittspartei, hatten schon die vergangenen vier Jahre in Oslo gemeinsam regiert. Und damit es für eine parlamentarische Mehrheit reicht, hatten sie ein Abkommen für die Zusammenarbeit mit den Parteien der Mitte, Venstre und Christliche Volkspartei, geschlossen. Nach ihrem Wahlsieg im September hätte Solberg diese Konstellation gern zu einer Koalitionsregierung verfestigt.
Doch zusammen mit den Rechtspopulisten am Kabinettstisch zu sitzen, kam für die Christliche Volkspartei nach einigem Zögern dann doch nicht in Frage. Auch für Venstre ist eine solche Koalition ein Novum.
Auf vielen Politikfeldern, vor allem in der Klima- und Ausländerpolitik, steht diese grün-liberale Partei unter Trine Skei Grande weit von Siv Jensens Fortschrittspartei entfernt. Solberg lobte, dass man sich trotzdem zusammengerauft habe: „Wir machen das, um gemeinsam Lösungen zu finden, die gut für Norwegen sind.“ Die jetzige Einigung sei gelungen, weil man sich an das Motto gehalten habe: „Wer etwas haben will, muss auch etwas geben.“
Kröten schlucken angesagt
Tatsächlich konnte jede der drei Parteien im 84-seitigen Regierungsprogramm einige ihrer Herzensangelegenheiten unterbringen, musste aber gleichzeitig auch Kröten schlucken. In der Umweltpolitik erreichte Venstre ein Verbot der Pelztierzucht und die Zusage, dass auch in der neuen Legislaturperiode im Inselgebiet der Lofoten und Vesterålen keine Ölsuche stattfinden wird. Dafür trägt die Partei aber die von ihr bislang hart kritisierte Ölpolitik mit.
In der Flüchtlingspolitik bekommen die Rechtspopulisten eine Verschärfung des Familiennachzugs, müssen aber eine Erhöhung der Zahl der Quotenflüchtlinge akzeptieren. Dies dürfte allerdings kein großes Opfer sein: Im vergangenen Jahr kamen so wenig Flüchtlinge nach Norwegen wie seit 1995 nicht mehr. Die Fortschrittspartei konnte sich außerdem mit der Forderung einer teilweisen Bewaffnung der bislang meist unbewaffneten Polizisten durchsetzen. Dafür will sie eine Erhöhung der Dieselsteuer und die Einführung einer CO2-Abgabe durchwinken.
Von einem „deutlichen Rechtsruck“ spricht Jonas Gahr Støre, Chef der oppositionellen Sozialdemokraten. Er kritisierte vor allem geplante Steuersenkungen und neue Privatisierungspläne im öffentlichen Sektor: „Die Wohlfahrt für alle wird damit in Frage gestellt.“
Die neue Regierung kann sich auf 80 der 169 Parlamentssitze stützen. Sie wird also darauf angewiesen sein, mit anderen Parteien Mehrheiten für die Verabschiedung von Gesetzen oder für den Haushalt auszuhandeln. Solberg gibt sich optimistisch: Norwegen habe keine so stark „polarisierte politische Landschaft wie viele andere Länder, wo Parteien sich in der Hoffnung auf kurzfristige Gewinne in Meinungsumfragen weigern, Verantwortung zu übernehmen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs