Neue Regierung in Kenia: Die Barrikaden brennen wieder
In Kenia nimmt eine Regierung der großen Koalition die Arbeit auf. Direkt danach liefern sich Kikuyu-Milizen in Nairobi und dem Rift Valley Straßenschlachten mit der Polizei.
NAIROBI taz Es war erst ein paar Stunden her, dass Präsident Mwai Kibaki das neue Kabinett vorgestellt hatte. In den Slums der Hauptstadt Nairobi hatten Hunderte bis tief in die Nacht das Ende der schwersten Krise seit der Unabhängigkeit gefeiert. Doch als sie aufwachten, war alles wie zuvor. Hunderte Mungiki, Anhänger einer illegalen mafiösen Sekte, errichteten Montagmorgen Barrikaden und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei.
Gekämpft wurde in Nairobis Armenvierteln und den Städten Naivasha, Nakuru und Limuru. Mindestens sieben Menschen starben. Nairobis Hauptstraßen waren stundenlang gesperrt. In der Innenstadt blieben die meisten Büros leer, weil die Matatu genannten Sammeltaxen nicht mehr verkehrten. Erst am Nachmittag sah es so aus, als habe die Polizei zumindest Nairobi wieder unter Kontrolle.
Die Bilder erinnern fatal an den Jahresanfang, als sich Anhänger von Präsident Mwai Kibaki und Oppositionsführer Raila Odinga gegenseitig umbrachten. Bis heute leben hunderttausende Kenianer fern ihrer Heimat in Lagern, weil sie Angst vor der Rückkehr haben. Die Mungiki, eine kriminelle spirituelle Gruppe ethnischer Kikuyu, sind maßgeblich mit dafür verantwortlich. In den Slums von Nakuru und Naivasha haben sie längst die Herrschaft übernommen und verfolgen Nicht-Kikuyus.
Die Polizei wird der Mungiki nicht Herr, auch weil hochrangige Politiker in die Organisation und ihre Schutzgeldgeschäfte etwa im Transportsektor verstrickt sein sollen. Anlass der Proteste am Montag war angeblich der Mord an der Frau von Mungiki-Chef Maina Njenga. Doch dürfte es auch eine Demonstration der Macht gewesen sein. Denn die will man der endlich vorgestellten großen Koalition, der Kibaki als Präsident und Odinga als Premier vorstehen, nicht kampflos überlassen. "Lasst uns die politischen Differenzen vergessen und mit der Arbeit beginnen", hatte Kibaki in seiner Rede vor dem Präsidentenpalast gefordert. Neben ihm nickte Premier Odinga.
40 Minister hat die neue Regierung, plus Präsident, Premier, Generalstaatsanwalt - und 53 Vizeminister. Bürgerrechtler hatten vergeblich auf eine kleinere Regierung gedrungen. So sitzt jetzt ein Jugendminister neben einer Ministerin für Kinder, ein Gesundheitsminister neben einem für Krankenhäuser. Auf den wichtigen Posten sind fast nur jene zu sehen, die schon seit Jahrzehnten mitregieren.
Viele Schlüsselpositionen - Innen-, Außen-, Verteidigungs- und Finanzministerium - bleiben in der Hand von Kibaki-Anhängern. Odingas Leute müssen sich meist mit den B-Posten begnügen. "Die Einigung hätte besser ausfallen können, aber wir standen unter immensem Druck", rechtfertigte sich am Montag der neue Vizepremier Musalia Mudavadi, ein enger Vertrauter Odingas. Streit ist absehbar. So ist unklar, wer die Regierung führen soll. Während Odinga sich als Premier zuständig fühlt, haben Kibakis Getreue Widerstand angekündigt.
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