piwik no script img

Neue Regeln zur EinbürgerungVerfassungstreue gegen Einbürgerung

Das neue Staatsbürgerschaftsgesetz der Ampel enthält auch einige Verschärfungen. Wie man sie umsetzt, steht im Kleingedruckten. Ein Überblick.

Junge Frauen aus Afghanistan, der Türkei und Kurdistan vor der Einbürgerungsfeier im Rathaus Leipzig Foto: Peter Endig/picture alliance

BERLIN dpa | Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz, das an diesem Donnerstag in Kraft tritt, setzt die Ampel-Koalition eines ihrer zentralen Vorhaben aus ihrem Koalitionsvertrag um. Die neuen Regeln sehen kürzere Fristen vor und erlauben den Doppelpass ab sofort für alle. Um eine bundesweit einheitliche Umsetzung zu ermöglichen, hat das Bundesinnenministerium nach eigenen Angaben wenige Tage vor dem Starttermin der neuen Regeln für die Einbürgerung an diesem Donnerstag vorläufige Anwendungshinweise dazu an die Länder geschickt.

Diese haben allerdings für die Länder, deren Behörden die Einbürgerungen vornehmen, keinen bindenden Charakter, wie ein Sprecher erläuterte. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Praxis der vergangenen Jahre hat jedoch gezeigt, dass die Länder sich an den Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums orientieren, damit die gesetzlichen Regelungen zum Staatsangehörigkeitsrecht einheitlich angewandt werden.“

Das von der Ampel-Koalition formulierte Gesetz sieht vor, dass ein Anspruch auf Einbürgerung nun schon nach fünf statt bisher acht Jahren besteht – vorausgesetzt, der Antragsteller erfüllt alle Bedingungen. Bei besonderen Integrationsleistungen sollen Ausländerinnen und Ausländer bereits nach drei Jahren Deutsche werden können. Voraussetzungen für die schnellere Einbürgerung sind gute Leistungen in Schule oder Job, hervorragende Sprachkenntnisse oder ehrenamtliches Engagement. Mehrstaatigkeit wird generell zugelassen.

FDP: „Einbürgerung wird schwerer“

Alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern erhalten ab sofort die deutsche Staatsangehörigkeit und können die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf – statt bisher acht – Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt. Die sogenannte Optionsregelung, die bisher für nicht in Deutschland aufgewachsene junge Menschen galt, entfällt. Um die Leistungen der DDR-Vertragsarbeiter und der sogenannten Gastarbeiter zu würdigen, wurden für diese Gruppen die Anforderungen für eine Einbürgerung gesenkt.

„Darauf haben viele seit Jahrzehnten gewartet“, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD). Deutschland habe mit der Reform „endlich ein Staatsangehörigkeitsrecht auf der Höhe der Zeit“.

Die FDP wies darauf hin, dass die Hürden für die Einbürgerung trotz der kürzeren Fristen insgesamt nicht gesenkt würden. „Den deutschen Pass zu bekommen, geht künftig schneller, wird aber schwerer, denn die Voraussetzungen für die Einbürgerung wurden deutlich verschärft“, sagte der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae.

Verschärfungen und neue Hürden

Eine höhere Zahl von Anträgen bedeute auch nicht zwingend, dass es langfristig zu deutlich mehr Einbürgerungen kommen werde. Denn wer Deutscher werden wolle, müsse anders als bisher finanziell auf eigenen Beinen stehen, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete. „Zudem verschärfen wir Prüfungen, damit Antisemiten und Menschen, die unsere Werte nicht teilen, nicht eingebürgert werden“, fügte er hinzu.

Der Deutsche Landkreistag rechnet dagegen mit einer deutlichen Zunahme der Einbürgerungen. „Wir schätzen, dass sich die Zahl der Einbürgerungsanträge verdoppeln, teilweise verdreifachen wird“, sagte Präsident Reinhard Sager der Bild-Zeitung.

Schon in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Einbürgerungen stark gestiegen: 2023 wurden in Deutschland rund 200.100 Ausländer eingebürgert – und damit so viele wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Laut Statistischem Bundesamt waren es im Vergleich zum Vorjahr rund 31.000 (plus 19 Prozent) mehr, nachdem die Zahl schon 2022 um rund 37.000 (+28 Prozent) gestiegen war.

„Lippenbekenntnisse“ sollen verhindert werden

Wie aus dem Innenministerium verlautete, beinhalten die Anwendungshinweise, die an die Länder übermittelt wurden, auch Hinweise darauf, wie das Bekenntnis zur „freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes“ und zur „besonderen historischen Verantwortung Deutschlands“ überprüft werden können. Dazu wird es beim Einbürgerungstest neue Fragen geben, etwa zum Existenzrecht Israels.

„Aufrufe zur Vernichtung des Staates Israel“ und entsprechende Sympathiebekundungen in den sozialen Medien, ebenso „Kriegshetze“ und homophobe Handlungen sollen einer Einbürgerung entgegen stehen. Bloße „Lippenbekenntnisse“ sollen verhindert und entsprechend überprüft werden.

Praktische Hinweise gibt das Bundesinnenministerium den Ländern auch dazu, wie festzustellen ist, ob jemand, der als Angehöriger der sogenannten Gastarbeiter-Generation keinen schriftlichen Sprachnachweis erbringen muss, zumindest über ausreichende mündliche Sprachkenntnisse verfügt.

Konkrete Hinweise gibt es auch zu der nunmehr eingeschränkten Möglichkeit einer sogenannten Ermessenseinbürgerung. Die kommt zum Beispiel aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung infrage – oder, wenn jemand wegen der Pflege von Angehörigen seinen Lebensunterhalt nicht vollständig allein bestreiten kann.

Dazu heißt es aus Ministeriumskreisen: Voraussetzung für eine Einbürgerung auf Basis der Härtefallregelung sei, dass jemand, der einer der im Gesetz genannten „vulnerablen Personengruppen“ angehöre, „alles objektiv Mögliche und subjektiv Zumutbare“ getan habe, um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern und dennoch, ganz oder teilweise, auf öffentliche Leistungen angewiesen sei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Genaugenommen bedeutet es also....



    das Juden -die aus religiösen Gründen einen eigenen Staat ablehnen- künftig gezwungen werden diesen dennoch anzuerkennen.



    Soviel zur Religions- und Meinungsfreiheit

    • @Okin Eggür:

      Juden reisen nicht mehr nach Deutschland ein. Entweder sie wohnen schon hier oder sie wandern aus!

    • @Okin Eggür:

      Naja. Sie müssen ja nur einem politisch existierenden Staat ein Existenzrecht zugestehen. Man muss schon religiös sehr verbohrt sein, um das nicht von der eigenen religiösen Überzeugung abstrahieren zu können. Man muss ja auch nicht mal Staatsbürger:in dieses Staats werden, ihn nur da sein lassen. Das ist für die meisten, denke ich, nicht so schwer.

    • @Okin Eggür:

      Wollen Sie Fake verbreiten?

      Niemand wird gezwungen, welchen Staat auch immer anzuerkennen.

      Man kann sejr gut in diesem Land leben, ohne eingebürgert zu sein.

      Dass in diesem Land die Religions- und Meinungsfreiheit Grenzen hat, ist nichts Neues.

      Die Freiheit des einen findet immer ihre Grenzen in der Freiheit des anderen.

      Das ist ein Grundgedanke unserer Verfassung.

    • @Okin Eggür:

      Wer eine deutsche Staatsangehörigkeit haben möchte, muss sich auch zu den Werten die in diesem Land vertreten werden bekennen. Dazu gehört auch das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Hat mit Meinungs- oder Religionsfreiheit wenig zu tun.

    • @Okin Eggür:

      Der Unterschied liegt darin, ob das Existenzrecht des moderne Staats Israel nicht anerkannt wird (der ja kein rein juedischer Staat ist, ein Viertel der Buerger hat dort ist nichtjuedisch), oder das Konzept eines Zuzugs in das Gebiet vor Ankunft eines Messias von Juden aus der Diaspora. Die erste Frage ist politisch, die zweite religioes. Und eine religioese Frage darf man fuer sein eigenes Leben natuerlich frei beantworten, aber man darf anderen seine Ueberzeugung halt auch nicht aufzwingen.

  • Ein Gesetz aus einer Zeit in der die Ampelregierung noch völlig ideologisiert gehandelt hat. Mittlerweile fängt Sie an zu verstehen, dass viele dieser Maßnahmen und Programme einfach nicht gut sind. Mittlerweile versteht Sie dass der allergrößte Teil der Bevölkerung anderer Meinung ist.



    Mittlerweile lernt die Regierung dazu - leider viel zu spät und viel zu langsam.

    • @Andere Meinung:

      DIESE Regierung hat ideologisiert gehandelt? Gibt's dafür ein Beispiel??