Neue Regeln für das Glücksspiel: Hand aufs Glück
Der Staat will sein Monopol für Lotto, Wetten und Co behalten. Dafür muss er nun mehr Geld in Spielsuchtprävention investieren. Onlineglücksspiel soll verboten werden.
Glücksspiel ist eine ernste Sache. Es geht um einen Markt von rund 27 Milliarden Euro allein in Deutschland. Seit dem Jahreswechsel gilt der neue Staatsvertrag "zum Glückspielwesen" - womit der Streit um das weitgehende staatliche Monopol in eine neue Runde geht. Politisch gesehen haben zunächst die Befürworter des Staatsmonopols gewonnen. Ob sie das Monopol aber auch gegen die private Konkurrenz aus dem Internet verteidigen können?
Über die Verwendung der Einnahmen aus Lotto, Toto, Oddset und Keno wird in Deutschland auf Landesebene entschieden. In Baden-Württemberg etwa hat die staatliche Lotto-Gesellschaft bei einem Umsatz von einer Milliarde Euro im Jahr 2006 immerhin 242 Millionen Euro "Zweckerträge" erwirtschaftet. Ein Teil davon geht in den Landeshaushalt. Der Rest - 128 Millionen Euro - fließt in den Wettmittelfonds des Landes. Dieser Fonds finanziert Projekte im Sport (45,6 %), in Kunst und Kultur (26,2 %), in der Denkmalpflege (16,8 %) und für Soziales (11,4 %).
Private Wettanbieter wie Bwin betätigen sich bisher nur freiwillig und in deutlich geringerem Maß als Förderer im Breitensport. Würden sie vom Staat offiziell zugelassen, könnten auch ihnen Abgaben für gemeinnützige Zwecke abverlangt werden. Bei ausländischen Anbietern, die nur via Internet auf dem deutschen Markt präsent sind, ist eine Besteuerung freilich schwer durchzusetzen.
Sportwetten, Lotterien und Spielbanken dürfen in Deutschland traditionell nur vom Staat betrieben werden. So soll der Spieltrieb in geordnete Bahnen gelenkt werden. Außerdem geht ein Großteil der Einnahmen in die Kultur- und Sportförderung. Doch im März 2006 hat das Bundesverfassungsgericht das Monopol bei der staatlichen Sportwette Oddset für verfassungswidrig erklärt. Die Begründung: Es werde nicht konsequent als Mittel zum Kampf gegen die Spielsucht eingesetzt.
Die Länder, die in Deutschland für Wetten und Lotterien zuständig sind, hatten nun binnen einer vom Gericht gesetzten Frist bis Ende 2007 zwei Möglichkeiten: Entweder sie lassen auch private Anbieter zu, oder sie schaffen eine neue Grundlage für das Wett- und Glücksspielmonopol. Schnell entschieden sie sich für die Beibehaltung des staatlichen Monopols und schufen einen neuen Staatsvertrag, der mittlerweile in allen Landesparlamenten angenommen wurde.
Der neue Glücksspiel-Staatsvertrag allerdings beschränkt sich nicht auf die vom Verfassungsgericht geforderte Neuregelung der Sportwetten, sondern erfasst auch Lotterien und Spielbanken. Überall wird das Staatsmonopol jetzt konsequent mit der Suchtprävention begründet. Die staatlichen Anbieter dürfen deshalb weniger werben, auf Fernseh- und Internetwerbung müssen sie sogar ganz verzichten. Insider rechnen deshalb mit Einnahmerückgängen von bis zu 20 Prozent. Soziallotterien wie die Aktion Mensch und die Glücksspirale dürfen sich allerdings weiterhin im Fernsehen präsentieren.
Viel härter trifft der Staatsvertrag aber die private Konkurrenz aus dem In- und Ausland, die Sportwetten und Spiele wie Poker vor allem über das Internet anbietet. "Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten", heißt es im Staatsvertrag. Allerdings ist das Internet international, und niemand kann einer englischen Firma verbieten, auf einem englischen Server ein Internetangebot in deutscher Sprache bereitzuhalten.
Die Länder wollen deshalb "die kommunikative und kommerzielle Nabelschnur solcher Anbieter kappen", erklärte ein Ländervertreter bei einer Anhörung. So verbietet der Staatsvertrag jede Werbung für unerlaubte Glücksspiele. Außerdem kann Banken die Zahlung von Geldern an "illegale" Anbieter verboten werden. Internetprovider riskieren, dass ihre Webangebote gesperrt werden.
Vermutlich werden die Länder solche Brachialmethoden aber nicht gleich zu Jahresbeginn anwenden können, denn immerhin müssen sie erst ihre Behörden für die neue Aufgabe einrichten und entsprechend schulen.
Trotzdem gingen die Behörden bereits in der Übergangszeit - zwischen dem Karlsruher Urteil und dem Start des neuen Staatsvertrags - gegen die Werbemaßnahmen der privaten Anbieter vor. So musste der private Sportwettenvermittler Bwin, der sich auf eine alte DDR-Lizenz beruft, seine Trikotwerbung bei Werder Bremen und beim VfB Stuttgart aufgeben. Unzählige private Wettbüros wurden geschlossen. Viele konnten die Schließung nur durch Eigentümerwechsel hinausschieben.
Es wird geschätzt, dass die Deutschen jährlich rund 27 Milliarden Euro für Glücksspiele ausgeben, davon zehn Milliarden in Spielbanken, rund acht Milliarden für Lotto, knapp fünf Milliarden für Klassenlotterien und zwei bis drei Milliarden für Sportwetten.
Private Anbieter fürchten um ihre bereits erreichten Marktanteile und Chancen im wachsenden deutschen Markt für Onlineangebote. Der Großteil der Sportwetten läuft schon heute nicht mehr über die staatliche Oddset-Wette, sondern über private Anbieter, denn diese können bessere Quoten bieten.
Über die Zulässigkeit des Monopols sowie des Verbots von Onlineglücksspielen werden am Ende das Verfassungsgerichts und der Europäische Gerichtshof entscheiden. Beide haben den gleichen Maßstab: Ein Monopol ist nur aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls - etwa als Mittel gegen Sucht - möglich.
Die EU-Kommission bereitet allerdings bereits seit dem Jahr 2006 ein Verfahren gegen das Glücksspielmonopol in Deutschland vor. Sie hält es für eine unzulässige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Ähnliche Verfahren wurden gegen sieben weitere EU-Staaten eingeleitet, zum Beispiel Frankreich, Dänemark und Österreich. Es gebe bisher keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass Sportwetten und Lotto zu Spielsucht führen können. Zudem sei die deutsche Politik unglaubwürdig. Denn bei Geldspielautomaten verzichte sie auf die Verschärfung des Zugangs - dabei haben die bekanntlich höchstes Suchtpotenzial. Private Anbieter werden mit Sicherheit ähnliche Klagen einreichen.
Über den Ausgang der Klagen werden noch Wetten angenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“