: Neue Regeln für alte Pötte greifen bald
Ende Juni tritt ein Abkommen zum Schiffsrecycling in Kraft – was es in der Praxis ändert, ist fraglich
Von Philipp Steiner
Das Hongkonger Übereinkommen für sicheres und umweltgerechtes Schiffsrecycling (kurz HKC) von 2009 tritt am 26. Juni 2025 in Kraft. Hintergrund sind die Zustände, die beim Verschrotten von Schiffen insbesondere in (Süd-)Asien herrschen – damals wie heute. Dort fahren alte Schiffe bei Flut auf den Strand und bleiben im Watt stecken, wo sie zerlegt werden, erklärt Ingvild Jenssen von der NGO Shipbreaking Platform. „Dabei treten Öl und schwermetallhaltige Lackspäne aus und verschmutzen das Küstengebiet.“ Diese Arbeit sei gefährlich und viele Arbeiter und Arbeiterinnen litten an Berufskrankheiten, weil sie giftige Dämpfe oder Asbest einatmeten.
Solchen Zuständen will die HKC abhelfen. Jetzt verbietet sie oder begrenzt Stoffe für Schiffe wie Asbest und PCB. Insofern erlaubt, müssen diese Stoffe dann dokumentiert werden.
Jedes Schiff muss ein Gefahrstoffkataster (IHM) mitführen. Soll es verschrottet werden, ist ein individueller Recyclingplan Pflicht. Und die Abwracker müssen Pläne zum Schutz von Arbeitern und Umwelt in ihrem Betrieb aufstellen, bestimmt die HKC. Komplexer wird die Lage durch weitere Regelwerke wie die EU-Schiffsrecycling-Verordnung (EU SRR).
In den letzten Jahren wurden schon viele Gefahrstoffkataster gemäß EU SRR und HKC (vor)zertifiziert, sagt der Umweltingenieur Henning Gramann. „In der Praxis ist die Umsetzung der Vorgaben allerdings in vielen Fällen nicht oder nicht effizient erfolgt und auch fehlerhaft.“ Er kenne etwa Fälle, in denen Schiffen fälschlicherweise Asbestfreiheit oder Asbestfunde bescheinigt worden seien.
Auch viele Werften seien gemäß der HKC (vor)zertifiziert worden, so Gramann. Er war und ist in Bangladesch, Indien und Pakistan aktiv. Dabei traf er auf Zertifikate, die seiner Schilderung nach ihr Papier nicht wert waren.
Andererseits stimmt auch: In einigen indischen Werften herrsche heute ein besserer Standard als in einigen europäischen. Der Fachmann findet überdies, „dass viele Schiffsrecycler in Asien viel mehr für die Einhaltung der Vorgaben der HKC tun und getan haben und viel mehr investiert haben, als ein Großteil der europäischen Eigner“.
Der Verband Deutscher Reeder erklärt zur HKC: „Jetzt kommt es darauf an, dass Reeder und Werften weltweit die neuen Standards konsequent umsetzen.“ Die EU SRR sollte „in die internationalen Vorgaben überführt werden“. Anders sieht es Shipbreaking Platform. Die NGO hält die HKC für zu lasch. Sie solle überarbeitet werden – und die EU SRR solle dafür eine Blaupause sein.
Hapag-Lloyd beschreibt die HKC zwar als Durchbruch. Aber „wir sehen durchaus Nachbesserungsbedarf“, teilt eine Sprecherin mit. Und auf die Frage, was sich für die Reederei mit dem Inkrafttreten ändere: „Nach unserer jetzigen Hapag-Lloyd-Richtlinie werden nur Fazilitäten genutzt, die auch auf der EU-SRR-Liste stehen.“ Hintergrund des Statements: Auf der EU-Liste steht noch keine einzige Werft in Südasien.
Branchenriese Maersk erklärt, er recycle alte Schiffe „unter den Responsible Ship Recycling Standards (RSRS), die strenger sind als die Vorgaben der Hongkong Konvention. Daher ändert sich für uns durch das Inkrafttreten der Hongkong Konvention nichts.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen