: „Neue Praxisgebühr“
FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr plädiert für mehr Wettbewerb auch bei den privaten Krankenkassen
taz: Herr Bahr, wie sozialistisch ist diese Gesundheitsreform?
Daniel Bahr: Die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, bedeuten den Weg in die Planwirtschaft im Gesundheitswesen. Letztendlich entscheidet die Politik über die Höhe des Beitragssatzes und damit darüber, wie viel Geld sie dem Gesundheitswesen zur Verfügung stellt. Politiker werden noch mehr Einfluss im Gesundheitssystem gewinnen. Das wird zu Mangelverwaltung und Wartelisten führen.
Ist ein Zusatzbeitrag von 8 Euro, wie er derzeit diskutiert wird, zu sozial?
Ich verstehe gar nicht, was die Koalition da beschlossen hat. Die SPD sagt, das ist keine feste Größe, die Union behauptet, 8 Euro dürften nicht unterschritten werden. Ich halte den Zusatzbeitrag für eine Weiterentwicklung der Praxisgebühr und insofern für einen der schlechtesten Kompromisse, den man finden kann. Sie hat relativ wenig Steuerungswirkung für gesundheitsbewusstes Verhalten. Wir brauchen ein Preissystem, in dem es einen Zusammenhang zwischen dem Beitrag und der Leistung, die ich als Versicherter in Anspruch nehme, gibt.
Je weniger man zahlen kann, desto schlechter die Versorgung?
Nein, man muss als Versicherter einen Anreiz bekommen. Jeder soll die Pflicht haben, sich zu versichern, aber über einen Grundleistungskatalog hinaus soll man selbst wählen, was man versichern möchte. Es muss natürlich einen Ausgleich über Steuermittel geben für die, die sich diese Prämien nicht leisten können.
Das heißt, alle sollen sich privat versichern?
Richtig, aber mit dem Zwang, dass die privaten Versicherungen jeden nehmen müssen und ich beim Wechsel von einer privaten Versicherung zu einer anderen die Altersrückstellungen mitnehmen kann.
Finden Sie es schade, dass Wettbewerb zwischen den privaten Krankenkassen weiterhin kaum stattfindet?
Ein bisschen Wettbewerb gibt es ja. Aber es gibt viel zu wenig: Wir brauchen die Mitnahme der Altersrückstellung. Ich kann zwar innerhalb einer Versicherung den Tarif wechseln, aber man kann nicht den Versicherer wechseln, ohne Nachteile zu erleiden. Da bräuchten wir dringend eine Änderung.
INTERVIEW: ANNA LEHMANN