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Neue Pontons über den Rhein

■ Nach 25 Jahren deutsch-französischer Freunschaft soll nun ein Verteidigungsrat institutionalisiert werden

Am heutigen Freitag kann die französische Staatsspitze ihren Hang zum Pomp voll ausleben – großes Zeremoniell zur Feier eines Vierteljahrhunderts deutsch-französischer Freundschaft erwarten Kohl und Anhang in Paris. Die deutschen Konservativen erwarten von Frankreich nukleare Zusatzgarantien. Höhepunkt wird die Unterzeichnung eines Vertrages zur Einrichtung eines gemeinsamen Verteidigungsrates. Waffenbrüderschaft statt Völkerfreundschaft?

Französische Politiker sind beunruhigt. Entsprechend titelte das rechte Pariser Presseflaggschiff Figaro nach dem Schewardnadse-Besuch in Bonn: „Gorbatschow will Deutschland neutralisieren“. Die Diskussion um den Gipfel zum 25jährigen Jubiläum des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages war damit eröffnet. Zur Pariser Jubelfeier erwarten Frankreichs Militaristen eine klare Antwort aus Bonn: Wen liebt Deutschland mehr, Paris oder Moskau?

Die Option einer dritten Nullösung, von Genscher und Schewardnadse in den letzten Tagen diskutiert, hat in Frankreich – Jubiläum hin, Jubiläum her – einen Proteststurm rechter Politiker und Medien ausgelöst. Die Zurückhaltung, die man bisher in Paris mit mehr oder weniger deutlicher Mißbilligung gegenüber der Doppelnullösung zu bewahren wußte, macht heute einer offenen Feindseligkeit gegenüber weiteren Abrüstungsplänen in Europa Platz. Frankreichs Politiker offenbaren sich. Doch selbstverständlich mit einer Ausnahme: Staatspräsident Francois Mitterrand.

Mitterrand wird den heutigen Tag mit Kohl feiern, ganz als ob er das Knacken im Gebälk der offiziellen deutsch-französischen Freundschaft nicht vernehmen würde. Vor der Kultstätte des französischen Bonapartismus, dem Pariser Invalidendom, werden unsere beiden Staatsmänner diesmal Händchen halten, werden das Ehrenspalier abschreiten. Im Palast des Präsidenten werden daraufhin jedoch nicht nur Höflichkeiten ausgetauscht, sondern zwei Abkommen unterzeichnet. Einmal über die Einrichtung eines deutsch-französischen Verteidigungsrats, das andere über die Schaffung eines gemeinsamen Ausschusses zu wirtschafts- und währungspolitischen Fragen. Die Abkommen haben durchaus Aktualität: Paris wünscht sich eine westeuropäische Zentralbank, für die sich auch Genscher ausspricht, um der Übermacht der Deutschen Mark zu entkommen. Kohl und Stoltenberg fanden bisher kaum Gefallen an diesem Vorhaben.

Dagegen bringt der Verteidigungsrat die Kontoverse um eine deutsch-französische Atomkooperation auf eine neue Ebene. Einmütig wünscht man in Paris – vielleicht weniger in Bonn –, daß dieses Gremium, vor allem die Möglichkeiten einer deutsch- französischen Einsatzdoktrin für die taktischen französischen Atomwaffen klärt.

Natürlich geraten hier die französischen Vorstellungen sofort in Widerspruch zu den bundesdeutschen Überlegungen über die Verminderung der Atomraketen kürzerer Reichweite. „Die dritte Nullösung ist nicht prioritär“, erklärt der Verteidigungsexperte der französischen Sozialisten, Pascal Boniface mit für ihn gebotener Höflichkeit. Ganz offen wagen die Sozialisten nicht, ihre Abrüstungsfeindlichkeit erkennen zu lassen, gerade weil sich Mitterrand in der Streitfrage bedeckt hält. Erst vor kurzem überraschten neue Erklärungen des ehemaligen Verteidigungsministers und Mitterrand-Freundes Charles Hernu, der – nachdem er als erster gegenüber der taz eine Stationierung französischer Atomwaffen mit der Zweischlüssellösung in der Bundesrepublik befürwortete – nun Zweifel über den „Nutzen der taktischen Atomwaffen“ anmeldete. Er forderte die Aufgabe der französischen Kurzstreckenrakete Hades und verlangte, alles Gewicht auf den Bau einer westeuropäischen luftgestützten Mittelstreckenrakete (ASMP) zu legen, die Paris und London gemeinsam planen. Referiert Hernu hier Mitterrands Vorstellungen? Eine endgültige Position der Sozialisten ist heute nicht auszumachen.

Klarer verhält man sich bei den Regierungsparteien, der gaullistischen RPR und der rechtsliberalen UDF. „Die Position der Deutschen ist unlogisch“, erklärt der gaullistische Verteidigungsexperte Jacques Baumel. „Sie wollen unsere Truppen an der Elbe sehen, aber verweigern ihnen den notwendigen nuklearen Schutz durch die taktischen Waffen.“ Damit verdeutlicht er einmal mehr den französischen Wunsch nach der Stationierung der taktischen Atomwaffen in der Bundesrepublik. Einhellig hatte man bei RPR und UDF die jüngsten Erklärungen von Premierminister Jacques Chirac begrüßt, nach denen kein Zweifel am automatischen Einsatz Frankreichs im Falle eines militärischen Angriffs auf die BRD bestünde. Dies konnte man als eine Erweiterung der französischen atomaren Schutzgarantie verstehen.

Allerdings kommen inzwischen auch in Paris bei einigen kritischen Beobachtern Fragen auf, ob die bedingungslose Abneigung Frankreichs gegenüber allen Abrüstungsplänen das Land nicht möglicherweise in die Isolation treibt. Von der „Albanisierungsgefahr“ für ein Frankreich, das die Fahne der Atommacht möglicherweise bald allein hochhält und mit niemanden verhandelt, ist da die Rede. Soweit wird es Mitterrand, bleibt er Präsident, nicht kommen lassen. Doch Abrüstungsgegner gibt es nicht nur in Frankreich. Für sie, an beiden Ufern des Rheins, ist der heutige Tag ein Festtag. Georg Blume

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