piwik no script img

Neue Platte per Aktie finanziertBand zu verkaufen

Moderne Kulturförderung im Internet: Die Kölner Indieband "Angelika Express" finanziert ihr neues Album per Bandaktie. Ein Zukunftsmodell? 500 Fans jedenfalls finden das unterstützenswert.

Mit 50 Euro Kulturförderer werden - auf der Homepage von "Angelika Express" war das möglich. Bild: screenshot angelika-express.de

Die globalen Finanzmärkte brechen zusammen, die Musikindustrie jammert vor sich hin - und eine kleine Kölner Indieband schafft es dennoch innerhalb von wenigen Tagen, 25.000 Euro für die Finanzierung ihres neuen Albums zusammenzusammeln, indem sie Fans und anderen Mäzenen Aktien der Band verkauft und sie später am Gewinn beteiligt.

Die Geschichte von "Angelika Express" hört sich ziemlich unwahrscheinlich an. Schließlich hat die Band trotz ordentlicher Indiemusik nie übermäßig viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, löste sich bereits 2005 selbst auf und verlor zwei von drei Gründungsmitgliedern. Dennoch fand sie mitten in Börsencrashzeiten in nur zehn Tagen genug Unterstützer, um ihr neues Album "Goldener Trash" zu veröffentlichen - ganz antizyklisch neokapitalistisch, indem sie "Angelika-Aktien" verkaufte.

Die Rechnung ist einfach: 500 Anteile à 50 Euro mussten weggehen, um Herstellungs- und Marketing-Kosten der neuen Platte zu finanzieren. Dafür bekommen die Band-Investoren nicht nur eine kostenlose Kopie des Albums, sondern werden auch an dem Erfolg der Platte beteiligt: 80 Prozent des Gewinns werden unter den Anteilseignern aufgeteilt. Keine Kosten fielen für Aufnahme und Produktion an, weil Bandleader Robert Drakogiannakis alle Songs bereits im heimischen Tonstudio erledigt hatte und schon vorab per Stream auf der Homepage der Band veröffentlichte - als eine Art Verkaufsargument.

Die Band habe sich für diese Variante entschieden, "um möglichst unabhängig und unbeeinflusst von der Musikindustrie und deren Interessen agieren zu können", heißt es auf ihrer Homepage. Ebenso gut ist es möglich, dass "Angelika Express" aus der eigenen Labellosigkeit einfach eine Tugend gemacht hat.

Auch das wäre keine Schande in Zeiten, in denen auch Großpopverdiener wie Radiohead auf große Plattenfirmen verzichten. Oder in denen die "Einstürzenden Neubauten" ohne Label im Nacken ihre Platten und Projekte ebenfalls via Crowdfunding finanzieren - indem ihre Unterstützer schon vorab Geld für exklusive CDs und DVDs auf den Tisch legen. Die Idee, Band-Aktien zu verkaufen, ist jedoch neu in Deutschland - auch wenn "Angelika Express"-Frontmann Drakogiannakis zugibt, sie von der britischen Band "Morton Valence" abgekupfert zu haben.

Der schnelle Verkauf der "Angelika Aktie" hat gezeigt, dass es keine religiös verehrte Musiklichtgestalten à la Einstürzende Neubauten oder Morrisey braucht, um im Notfall ausreichend finanzielle Unterstützung von Fans zu bekommen. Und demonstriert einmal mehr, wie wichtig das Internet als Vermarktungsplattform für Bands geworden ist - verbreitete sich die Mär von der "Angelika Aktie" doch vor allem über Blogs, Twitter und den gut gepflegten Internetauftritt der Band.

Die "Band-Aktie" ist eine moderne Form der Kulturförderung, bei der nicht mehr Labelchefs bestimmen, was gehört wird, sondern der Hörer seine Lieblingsprojekte selbst finanziert. Fraglich ist aber, wie viele Lieblingsband-Aktien sich selbst eingefleischte Musikfreunde leisten mögen. Denn reich wird damit niemand. Ein Massenphänomen wird die Band-Aktie wohl nicht werden - besonders nicht für größere Bands mit längeren Studiozeiten, weltweiten Tourneen und teurer Promotion. Aber eine erfrischende Alternative für kleinere Gruppen ist die Band-Aktie allemal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • E
    eve

    ich glaube, du unterschätzt den hörer, franka! wer sagt denn, dass er nicht provoziert werden will?! wer will denn schon immer und immer wieder den selben schnöden einheitsbrei in den cd-schlitz schieben, den er seine "hörgewohnheit" nennt? wie langweilig, wenn ich von meinen lieblings-bands nicht mal überrascht werde. und umso hörenswerter, wenn ich auch spüre, dass der künstler voll hinter seinem werk steht und authentisch rüberkommt. das nenne ich kunst.

  • F
    franka

    wenn das dahin führt, dass die musik in erster linie für den hörer mit seiner hörgewohnheit gemacht wird, um ihn zufriedenzustellen, und das die wichtigste prämisse ist, versteh ich die musik nicht als kunst sondern ausschliesslich als produkt. nicht, dass das eine neue erkenntnis sei, aber mit der vorstellung, dass bandaktie zukunftsmusik sein könnte, nimmt sich eine band den freiraum den hörer zu provozieren zu können, dessen musikalisches horizont zu erweitern.wenn musik/kunst nur gerecht werden möchte, kann es nicht neues schaffen, herausfordernd sein.