Neue Normen für Rüstungspolitik: EU in Feuerlaune
Brüssel schlägt einheitliche Standards für die europäische Rüstungsindustrie vor. So will man weltweit militärisch ernst genommen werden.
BRÜSSEL taz | Die Kritik des ehemaligen US-Verteidigungsministers vor zwei Jahren hat gesessen. Selbst die willigen europäischen Staaten könnten beim Libyen-Einsatz nicht mitmachen, denn: „Die militärischen Fähigkeiten sind einfach nicht da“, so Robert Gates.
Das soll sich nach dem Willen der EU-Kommission ändern. Sie schlug am Mittwoch eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten bei der Beschaffung und Entwicklung von Militärtechnik vor. Europa soll endlich mehr Gewicht in der Welt haben.
In der Verteidigungspolitik geht jedes Mitgliedsland weitgehend seiner eigenen Wege. Dabei sieht der Ende 2009 in Kraft getretene Lissabon-Vertrag eine verstärkte Kooperation vor. Nun soll mehr Militärausrüstung gemeinsam entwickelt und beschafft werden.
„In Zeiten knapper Ressourcen müssen wir unbedingt kooperieren und unsere Ambitionen und Ressourcen aufeinander abstimmen, um Doppelarbeit bei den Programmen zu vermeiden“, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Ziel soll es auch sein, den Sektor effizienter und wettbewerbsfähiger zu machen.
EU-Normen für Kriegsgerät
Konkret schlug die Kommission vor, EU-Normen für Kriegsgerät festzulegen. „In Deutschland produzierte Munition sollte beispielsweise auch von der italienischen Polizei genutzt werden können“, sagte EU-Industriekommissar Antonio Tajani.
Zugleich soll ein europäisches Zertifizierungssystem für die militärische Flugtauglichkeit auf den Weg gebracht werden. Um den Wettbewerb unter den Firmen anzuheizen, pocht Brüssel darauf, Ausschreibungen und Auftragsvergabe EU-weit stattfinden zu lassen.
Sogar über den Beitrag des Militärs zu den EU-Klimazielen hat die Behörde nachgedacht. Sie kündigte gestern ein Konzept an, das den Armeen dabei hilft, ihren Energieverbrauch zu senken.
Mehr als Rüstungskooperationen
Hinter den Plänen steckt mehr als Rüstungkooperationen: Die EU will künftig weltweit militärisch eingreifen können. „Wir haben den Anspruch, in den angrenzenden Regionen und weltweit als Garant für Sicherheit zu agieren“, sagte die Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton.
Bisher klaffen Anspruch und Realität auseinander. Während der Umwälzungen im arabischen Raum und in Nordafrika tat sich die EU schwer damit, eine gemeinsame Strategie erkennen zu lassen. Vor allem Frankreich und Großbritannien halten traditionell wenig davon, sich einer EU-Verteidigungspolitik unterzuordnen.
Dieses Mal gibt es kaum Möglichkeiten für Ausflüchte: Das gestern präsentierte Papier ist von den 28 Mitgliedsstaaten bei der Kommission in Auftrag gegeben worden. Das Dokument dient als Grundlage für ein Gipfeltreffen im Dezember. Dann wollen die Staats- und Regierungschefs entscheiden, wie es mit der gemeinsamen Verteidigungspolitik weitergeht.
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