piwik no script img

Neue Musik aus BerlinLiturgie für Pantheisten

Der Dirigent und Countertenor René Jacobs widmet sich mit seiner Einspielung von Beethovens „Missa solemnis“ einem Werk im Zeichen der Aufklärung.

Ludwig van Beethoven, Gemälde Von Joseph Karl Stielerum (um 1820) Foto: Wikimedia Commons

B eethoven? War der nicht letztes Jahr groß dran? Einerseits: ja. Andererseits ist nach dem Jubiläum in diesem Fall zugleich vor dem Jubiläum. Auf den zurückliegenden 250. Geburtstag des Komponisten folgt 2027 sein 200. Todestag.

Der Dirigent und Countertenor René Jacobs läuft sich so gesehen schon einmal warm. Mit seiner im Frühjahr erschienenen Einspielung der „Missa solemnis“ hat er sich eines der Hauptwerke des Komponisten vorgenommen. Für Beethoven selbst war die 1823 vollendete „feierliche Messe“ das „gelungenste seiner Geistesprodukte“. Kurzes Geständnis: Die eigene Begegnung mit diesem Werk in der Kindheit war seinerzeit weniger erfolgreich, auf die in Sakralmusik noch ungeübten Ohren wirkte diese Liturgie mit Gesangssolisten, Chor und Orchester eher langweilig.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Was vermutlich an den Qualitäten der damals gehörten Einspielung gelegen hat. Man kann dieser Musik mit allzu üppigen Klangmassen leicht die Luft abschnüren. Das verhindert der auf „alte“ Musik spezialisierte Jacobs gemeinsam mit dem Freiburger Barockorchester und dem RIAS Kammerchor Berlin. Bei ihnen bleiben auch volle Akkorde noch elastisch, die komplex mehrstimmigen Passagen vor allem des Chors geraten transparent und hell.

Was der Musik und Beethovens Anliegen sehr entgegenkommt. Feierlicher Pomp war das letzte, was er zelebrieren wollte, auch wenn er sich neben der strengen Polyphonie der Renaissance ebenso von Händels vergleichsweise kompaktem „Messias“ anregen ließ. Seine Messe steht ideell dabei im Zeichen der Aufklärung und ist, fast ketzerisch, von den Ideen zum Pantheismus in der Nachfolge des Philosophen Baruch Spinoza inspiriert.

Das Album

Ludwig van Beethoven: „Missa solemnis“ (Harmonia Mundi), Freiburger Barockorchester, RIAS Kammerchor Berlin, René Jacobs

In das christliche Glaubensbekenntnis, das Beethoven vertont hat, mischt sich so dessen persönliches Bekenntnis zum „Gott der Philosophen“, wie der Ägyptologe Jan Assmann schreibt, dem deus sive natura, laut dem Gott und Natur identisch sind. Dass Beethoven beim Komponieren auch astrologische Abhandlungen hinzuzog, mag dazu besser oder schlechter passen. Der Musik hat es nicht geschadet. Tim Caspar Boehme

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Kulturredakteur
Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Meine Begegnung ist auch etwas gekürzt.



    Die Arbeitsfassung zeigt die Damen des Kammerchores Berlin, den Spaß und Ernst beim Musizieren und kleine, menschliche Gesten.

    Beethoven: Missa Solemnis, III. Credo | René Jacobs



    www.youtube.com/watch?v=-K_axwLxgBY

    Schön.

    • @Ringelnatz1:

      Missa1:



      Ick finde dit bei 2:42 richtig jut!!