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Neue-Musik-Ensemble LUX:NMOh, wie ist das gruselig

Rot glänzt das Blut auf der Nagelschere: Das Berliner Ensemble LUX:NM erforscht böse Welten und düsteren Klang mit dem Album „Dark Lux“.

Schon etwas geheimnisvoll: LUX:NM spielt „Dark Lux“ Foto: Jakob Klaffs

So klingen musikalische Abgründe: Eine tonlose Stimme rezitiert „D wie Doppelehe, E wie Exhibitionismus, F wie Freiheitsberaubung …“ Das Abc wird von einem Beat aus Samples begleitet: fetzenhaftes Schnarren, Knarzen, Klirren, Keuchen. Die gruseligen Geräusche mahlen langsam in Dauerschleife. „Das Abc der Straftaten“ ist Teil des neuen Albums von LUX:NM, einem zeitgenössischen Musikensemble mit internationalem Renommee.

Gegründet haben es 2010 die Saxofonistin Ruth Velten und die Akkordeonistin Silke Lange, beide sind auch die künstlerischen Leiterinnen der Gruppe. Ihr Ansatz: vielseitige und selbstbestimmte Kammermusik mit einer klanglich flexiblen Besetzung. Die Mitglieder komponieren, improvisieren, interpretieren und kuratieren, sie entwickeln ihre eigenen dramaturgischen Konzepte und szenischen Ideen. Jetzt ist daraus das Album „Dark Lux“ entstanden – Horrormusiken in Ersteinspielung! Denn die 22 kurzen Stücke widmen sich der Welt der Abgründe: Es geht um Hohngelächter, bedrohliche Klangcollagen, düstere Farben und Schauder.

Das Ensemble hat dafür die Hörspielautorin Sarah Trilsch, den Komponisten Gordon Kampe und den Sounddesigner Jan Brauer (Teil des elektronischen Trios Brandt Brauer Frick) beauftragt, gemeinsam Werke über das Böse zu komponieren. Die Miniaturen sind Grusel mit Augenzwinkern. Sie strotzen nicht vor gähnender Schwärze und Düsternis, sondern lassen auch Licht zum Vorschein kommen. Das ist bei der Besetzung auch nicht verwunderlich – gerade Gordon Kampe ist berühmt für seine humorvollen Kompositionen.

Auf die Spitze getrieben wird das in Kampes „Vogellied“. Das Stück erinnert mit Akkordeon und Dreivierteltakt zunächst an ein simples Volkslied. Silke Lange tritt als Liedermacherin auf, die wie die Naivität in Reinform von einem Vögelchen in ihrer Hand singt – das sie letztendlich mit einer Nagelschere killt und an dessen rot glänzendem Blut sie sich erfreut. Makaber bis aufs Äußerste!

Ausreizen der Grenzen

Hier hört das Konzeptalbum aber nicht auf, sondern legt noch eine Schicht darüber. Die Mu­si­ke­r:in­nen von LUX:NM nehmen die Auftragswerke als Vorlage, um darauf ihre eigenen Ideen und Inhalte zu platzieren. Das „Vogellied“ wird beispielsweise mit Field Recordings von Vogelzwitschern und Kinderstimmen verziert. Auch hier reizt das Ensemble die Grenzen des Möglichen aus: Die „Tarantella“ wird so stark transformiert, dass dadurch ein ganz neues Stück entsteht: „Dark Ego“, das mit Fragmenten der Vorlage, neuen Klangebenen und Text weitere Deutungsräume aufspannt.

Jedes Stück besteht aus mehreren Folien, die sich übereinanderlegen: Die Partitur und die Sounds des Ensembles, Komposition und Improvisation, Dunkelheit und Licht. Diese Reichhaltigkeit macht das Album aus.

Das Ensemble LUX:NM beeindruckt durch seine Unerschrockenheit. Die Mu­si­ke­r:in­nen begegnen Form, Klangsprache und Inhalt mit Experimentierfreude. Sie spielen zielgerichtet, ohne sich dabei zu sehr festzulegen. Ihre Klangsignatur ist bestimmt, aber nicht bestimmend. Mal geht es um das Konkrete – in Einspielern wie Herzklopfen und Autoreifenquietschen. Oder aber, der Fokus liegt auf einer spezifischen Atmosphäre, in der düster-schräge Sounds umherwabern. Die Elektronik von Jan Brauer unterstützt hier wunderbar die driftenden Klangsphären.

Die einzelnen Bestandteile des Albums greifen schlüssig ineinander – trotz der Frickelarbeit im Studio, die einzelnen Schnipsel und vielen Schichten miteinander zu verknüpfen. Besonders gut gelingt das zwischen dem Text und der kommentierenden Musik. Wahrscheinlich ist hierfür der Entstehungsprozess entscheidend: Noch vor der Musik des Albums entstand nämlich ein gleichnamiges Hörstück. Für das Konzeptalbum haben die Künst­le­r:in­nen ihr Projekt noch einmal revidiert und primär die Texte überarbeitet.

Das Album

LUX:NM: „Dark Lux“ (Genuin Classics)

Ihre eigenen Ideen haben die Mu­si­ke­r:in­nen von LUX:NM wie Mörtel zwischen den einzelnen Materialbausteinen platziert. Nicht bei allen Stücken wird die Relevanz für das Album gleich klar – trotzdem: Alle beeindrucken durch ihre künstlerisch-kreative Qualität. Das Böse in all seiner Ambivalenz ist Teil unserer komplexen Wirklichkeit. Daher wirkt auch der Humor nie fehl am Platz. „Dark Lux“ ist ein großartiges Gesamtgruselwerk zwischen unterschiedlichen Disziplinen, Traditionen und Widrigkeiten im alltäglichen Leben.

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