Neue Liga sorgt für Streit bei den Ringern: Gemeinsam am Abgrund
Am Samstag startet die Deutsche Ringerliga. Das sorgt für Streit, weil sie der ersten Liga des Deutschen Ringerbundes Konkurrenz macht.
Markus Scherer ist eine Ringerlegende: Der 55-Jährige verlor 1984 das olympische Finale in Los Angeles im griechisch-römischen Stil nur knapp, 1989 gewann der Papiergewichtler die Europameisterschaft. Seit vielen Jahren trainiert Scherer Athleten für den Deutschen Ringerbund am Olympiastützpunkt in Schifferstadt und die Bundesligamannschaft des heimischen VfK.
Am 30.9. tritt Schifferstadt bei Germania Weingarten an, es ist das Aufeinandertreffen zweier Traditionsvereine des Deutschen Ringersports und Scherer sagt: „Die Vorfreude ist riesig.“ Doch an diesem Tag ist alles ganz anders. Zum ersten Mal ringen die beiden Klubs unter dem Label der Deutschen Ringerliga (DRL).
Die Bundesliga des Deutschen Ringer Bundes (DRB) läuft schon seit Anfang September. Aber nach einem zwei Jahre lang erbittert geführten Streit mit dem DRB haben sich neben Schifferstadt und Weingarten auch der ASV Nendingen, der KSV Ispringen und der KAV Mansfelder Land dazu entschlossen, mit der DRL einen eigenen Weg zu gehen. Dass nun zwei konkurrierende Ligen existieren, ist die bizarre Zuspitzung des jahrelangen Streits zwischen Vereinen und DRB.
Scherer weiß, dass Druck auf der neuen Liga lastet: „Wir haben eine große Bringschuld und den Auftrag, zu begeistern.“ Die Vereine haben die Bundesliga verlassen, weil sie glauben, eine Liga in Eigenregie besser organisieren und vermarkten zu können. Die Vereine beklagen Regeländerungen im laufenden Wettbewerb und kein Mitspracherecht. Im alten Bundesliga-Ausschuss der DRB hatte der Verband vier Stimmen und die Vereine der ersten und zweiten Liga hatten jeweils zwei, bei Gleichstand hatte der Verband die Entscheidungshoheit.
Rebellion der Vereine
Als der DRB schließlich ankündigte, das Finale auf einen einzigen Termin in Aschaffenburg zu legen, rebellierten Anfang 2016 sieben der acht Erstligisten und kündigten einen eigenen Ligabetrieb an. Tradition war, dass der deutsche Mannschaftsmeister in einem Hin-und Rückkampf ermittelt wurde. Nun startet die DRL, und deren Geschäftsführer Markus Scheu sagt: „Ich bin erleichtert, dass es nun endlich losgeht.“ Der sportliche Leiter des ASV Nendingen erwartet an diesem Wochenende „irrsinnig viele“ Zuschauer und tollen Sport in den Hallen.
Markus Scheu sagt auch: „Wir wünschen uns weiterhin eine eigene Liga unter dem Dach des DRB.“ Man müsse nur gemeinsam einen Grundlagenvertrag erarbeiten, wie das im Fußball, Handball oder Eishockey möglich gewesen sei. Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg.
Im Verlauf des letzten Jahres eskalierte der Streit, nachdem der DRB den abtrünnigen Klubs Geldstrafen angedroht hatte und auch der Ringer-Weltverband UWW ankündigte, in der DRL antretende Athleten zu sperren. Diese Drohkulisse zeigte Wirkung. Scheu sagt, er könne verstehen, dass ehemalige Mitstreiter-Vereine wie Adelshausen oder Köllerbach abgesprungen seien und nun in der DRB-Liga antreten. Der Verband habe schließlich gedroht, alle Sportler – bis hinunter in die Jugend – zu sperren.
Der Traditionsklub KSV Aalen, der eigentlich in der DRL antreten wollte, kämpft nun aber lieber in der Bezirksklasse. Aalens Präsident Helmut Klingl warf dem DRB „selbstherrlichen Absolutismus“ vor.
Zwist auf dem Rücken der Sportler
Auch deutsche Top-Athleten wie Weltmeister Frank Stäbler wechselten von DRL-Klubs zu Bundesliga-Klubs. Stäbler, der von Weingarten zu den Red Devils nach Heilbronn ging, sieht durch den Streit das Ansehen der Sportart bedroht. Und: Der Zwist werde auf dem Rücken der Sportler ausgetragen.
Auch der VfK Schifferstadt beklagt den Weggang von Leistungsträgern. Neben Kaderathlet Etka Sever, 22, der zu Neckargartach wechselt, verlässt auch Denis Kudla, Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio, die Pfälzer und ringt in der nächsten Saison für Nackenheim in der von der DRB tolerierten Liga.
Dieser Text stammt aus der taz.am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Auch Trainersohn Marvin Scherer, 29, der seine Trainer-B-Lizenz erwerben will, wechselte den Verein (Triberg), um keine Nachteile zu haben. So trainiert Markus Scherer zwar weiterhin mit dem von ihm geförderten Athleten, aber statt für den VfK Schifferstadt ringen diese am Wochenende dann für andere Klubs. Scherer sagt: „Wir haben unser Gesicht verloren, aber nun müssen andere begeistern.“
Beim KSV Ispringen, der jüngst mit Alexander Leipold eine Ringer-Legende als Trainer präsentierte, sollen zum Beispiel die beiden türkischen Weltklasseathleten Taha Akgül (Olympiasieger 2016) und Riza Kayaalp (Silbermedaille 2016) für Siege und Spektakel in der DRL sorgen. Doch werden diese Athleten überhaupt antreten, wenn eine Sperre durch den Weltverband droht? Diese Frage beschäftigt auch Daniel Wozniak, den für Öffentlichkeitsarbeit und Verbandsentwicklung zuständigen Vizepräsidenten des DRB.
Es geht ums Geld
„Tiefenentspannt und relativ neutral“ sieht der Jurist, der auch in der Kommission für Recht, Ethik und Disziplinarmaßnahmen des UWW sitzt, dem Start der Ringerliga entgegen. Die Vereine der DRL bezahlen keine Lizenz- und Transfergebühren für ihre Athleten, aber das sei verbindlich und könne zu Sanktionen des UWW führen, sagt Wozniak.
DRL-Geschäftsführer Scheu sagt, man habe angeboten, Gebühren zu zahlen, aber das sei abgelehnt worden. Es könne schon sein, dass der Weltverband versuche, Ringer zu sperren, die in der DRL ohne Lizenz- und Transfergebühren antreten: „Aber das ist brandgefährlich für den UWW“, sagt Scheu. Er glaubt ohnehin, dass die Gebühren nach Europarecht nicht haltbar seien. Sollte ein betroffener Sportler klagen, könnte das Gebührenmodell fallen.
Wozniak sagt, als kleiner Verband könne der DRB das Geschäftsmodell des UWW nicht infrage stellen. Scheu sagt, er verstehe den DRB in dieser Frage: „Die wollen nicht der Buhmann sein.“
Regelmäßig mussten in der Vergangenheit Vereine aus finanziellen Gründen ihre Mannschaften zurückziehen, Aufsteiger wollten nicht mehr aufsteigen. In der vergangenen Saison rangen nur noch acht Teams. In der aktuellen Runde treten in der Bundesliga nun je sieben Teams in drei Regionalgruppen, wobei davon 16 in die K.-o.-Phase einziehen. Mehr Spannung und mehr Qualität entstehen so nicht. Nackenheim zum Beispiel stieg als Rheinland-Pfalz-Meister direkt in die Bundesliga auf, in der in zwei Gewichtsklassen mehr gerungen wird, als in der DRL, die sich auf die olympischen Gewichtsklassen konzentriert. Das treibe die Budgetkosten nach oben, sagt Scherer, und sei fachlich auch widersinnig.
Teure Fernsehrechte
Verbandsvize Wozniak hingegen hält die Diskussionen über die Gewichtsklassen für eine „Stellvertreterdebatte“. Bei der DRL sei „Separationsdrang vor Vernunft“ gestanden.
Immerhin reden die beiden Lager wieder miteinander. Am 8. September fand erstmals seit langen Monaten wieder ein gemeinsames Treffen statt. Ein Richter am Landgericht Fürth-Nürnberg hatte nach einer Klage der DRL die Parteien dazu gedrängt. Aber nach wie vor sagt Wozniak: „Wir warten auf das Konzept.“ Die Ringerliga-Vertreter seien mit einem Papier mit 15 Punkten gekommen, aber deren Umsetzung sei nicht im Ansatz skizziert.
Zum Beispiel bei der Frage der TV-Rechte solle man „nicht Träumereien hinterherlaufen“, findet Wozniak. Sportarten wie Rugby oder Wasserball hätten einen sechsstelligen Betrag bei den TV-Sendern gezahlt, um überhaupt präsentiert zu werden. Dies sei ein erheblicher Betrag im Gesamtbudget des DRB.
Derzeit werden die Kämpfe der DRL von Sport Deutschland TV gestreamt. Bis zur Delegiertenversammlung des DRB am 21. Oktober werde man dem Verband ein Konzept vorlegen, verspricht Scheu. „Wir müssen uns jetzt die Hand reichen und gemeinsam verbindliche Richtlinien erarbeiten“, fordert Markus Scherer. „Wir stehen beide am Abgrund, auf zwei gegenüberliegenden Seiten des Grand Canyon.“ Jetzt gehe es darum, eine Brücke zu bauen, „auf der beide unbeschädigt aufeinander zugehen können“. Klingt doch versöhnlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!