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Neue Labour-Schlappe

Torys gewinnen Kommunalwahlen haushoch  ■ Von Ralf Sotscheck

Vier Wochen nach den britischen Parlamentswahlen mußte die Labour Party am Donnerstag erneut eine Schlappe einstecken. Bei den Kommunalwahlen in etwa einem Viertel aller Wahlkreise in England, Schottland und Wales verlor die Partei 364 Sitze, während die Torys über 300 Mandate hinzugewannen. Die Liberalen Demokraten verbesserten sich um 63 Sitze. Labour kam lediglich auf 30 Prozent der Stimmen — im Vergleich zu 45 Prozent für die Torys und 19 Prozent für die Liberalen.

Auch in Schottland büßte die Labour Party Stimmen ein und verlor die Kontrolle über den Stadtrat von Edinburgh, bleibt jedoch stärkste Partei nördlich der Grenze. Besonders peinlich ist das Ergebnis in Glasgow: Dort mußte Labour zwei Mandate an den trotzkistischen „Militant“-Flügel abgeben, dessen Mitglieder aus der Labour Party ausgeschlossen worden waren. Einer der beiden erfolgreichen Kandidaten, Tommy Sheridan, sitzt zur Zeit eine Gefängnisstrafe ab, weil er den Boykott der umstrittenen „Poll Tax“ (Kopfsteuer) in Schottland organisiert hat. Die Scottish National Party (SNP), die für ein unabhängiges Schottland eintritt, konnte ihr bisheriges Ergebnis entgegen den Erwartungen nicht verbessern. Labour-Wahlkampfleiter Jack Cunningham machte die niedrige Wahlbeteiligung von nur 20 Prozent verantwortlich.

Während die Torys gestern ihren Wahlsieg noch feierten, gab der neue Innenminister Kenneth Clarke vor leeren Unterhausrängen seine Strategie im Kampf gegen die IRA bekannt. Demnach soll „die Hauptverantwortung der Terrorismusbekämpfung“ an den Geheimdienst MI 5 übertragen werden. Barry Sheerman von der Labour Party kritisierte diese Entscheidung, da der MI 5 weder rechenschaftspflichtig sei, noch Verhaftungen vornehmen dürfe. Darüber hinaus bedeute der Einsatz des MI5, daß die Regierung die IRA- Aktionen offenbar als „politische Taten“ einstufe.

Im Dezember hatte Premierminister John Major zum ersten Mal die Chefin des MI 5, Stella Rimington, öffentlich genannt. Am Mittwoch gab er in seiner Rede zur Eröffnung des neuen Parlaments zu, daß auch der für die Auslandsspionage zuständige Geheimdienst MI6 existiert. Zwar ist dies seit langem bekannt, doch die Regierung hatte die Existenz des MI6 bisher hartnäckig abgestritten. Mit seiner „Enthüllung“ will Major die „unnötige Heimlichtuerei beseitigen. Er nannte auch gleich den MI-6- Chef, den legendären „C“, beim Namen: Es ist Sir Colin Mac Coll, der im Herbst pensioniert wird.

Ansonsten enthielt Majors Eröffnungsrede keine Überraschungen. Er kündigte die weitere „Deregulierung“ des Gesundheitsdienstes, des Bildungswesens, des Wohnungsmarktes und der Sozialdienste an. Die Europagegner in der eigenen Partei versuchte er durch eine Warnung an die EG zu beruhigen: „Wir werden dem Druck aus Brüssel widerstehen, unserer Industrie Hindernisse wiederaufzuerlegen, die wir Schritt für Schritt in den achtziger Jahren abgebaut haben.“ Es ist zu erwarten, daß zahlreiche Tory-Hinterbänkler im Sommer gegen das EG-Abkommen von Maastricht stimmen werden. Da sich die Labour Party vermutlich der Stimme enthalten wird, ist die Ratifizierung jedoch nicht gefährdet.

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