Neue Krimi-Serie "Life": Vom Knast in die Corvette
Was macht es mit einem Menschen, wenn er unschuldig hinter Gittern saß. Die Serie "Life" gibt eine Antwort: Ihr Held kompensiert das Leid mit Models, Obst und Zen - und wird wieder Polizist.
Geschichten von unschuldig Inhaftierten gehen immer wieder durch die Presse. Bis letztes Jahr saß eine Berlinerin fälschlicherweise 888 Tage im Gefängnis - ein Amerikaner sogar fast 25 Jahre. Was macht das mit einem Menschen? Die amerikanische Fernsehserie "Life" gibt darauf eine Antwort.
Detective Charlie Crews (Damian Lewis) verbrachte zwölf Jahre in Haft für die Auslöschung einer dreiköpfigen Familie. Ein Massaker, das er nicht begangen hat. Er ertrug die Zeit vor allem, weil er sich der Zen-Philosophie hingab. Seit vier Monaten ist er aus dem Gefängnis entlassen und darf wieder als Polizist arbeiten.
Immer noch hört er sich die Zen-Kassetten im Auto an. Die Häftlingsuniform tauscht er gegen luxuriöse Maßanzüge und seine neue Freiheit zelebriert er, indem er mit einer unbezahlbaren Corvette durch die Gegend fährt und junge Models anbaggert. Leisten kann er sich das, weil er eine sehr hohe Entschädigung erhalten hat - irgendwas zwischen 5 und 50 Millionen Dollar.
Das viele Geld verwaltet sein Freund, Mitbewohner und Knastbruder Ted Early (Adam Arkin). Beide leben zusammen in einem Haus ohne Möbel. Neben Early ist die erfolgreiche Anwältin Constance Griffiths seine einzige Freundin - sie boxte ihn auch aus der Haft.
Die letzten zwölf Jahre gingen an Crews nicht spurlos vorbei. Er wirkt ein wenig irre, kann gehörig nerven mit seinen Zen-Sprüchen ("Ich bin nicht im Hier und Jetzt"), und seine krankhafte Obsession für frisches Obst ist für seine Umwelt unverständlich.
Und genau hierin liegt der Reiz von "Life". Die Krimiserie bleibt bei den Akteuren. Sie verzichtet auf ausgefallene Erzählstrukturen sowie rasante Schnitte oder wilde Kamerafahrten. Anders als bei "CSI" überschattet technischer Schnickschnack nicht die Tiefe der Charaktere.
Besonders sind auch die pseudodokumentarischen Einschübe, in denen die handelnden Personen zum Fall Charlie Crews befragt werden. Dabei treten sie frontal vor die Kamera, und der Zuschauer erhält Einblicke in die Zusammenhänge um Crews' Inhaftierung - ein starker Kontrast zur ansonsten übersättigten L. A.-Ästhetik von "Life".
Charlie Crews lernt in der ersten Folge am Tatort in Los Angeles seine neue Partnerin und Vorgesetzte, Detective Dani Reese (Sarah Shahi), kennen. Auch sie ist ein wenig kaputt und distanziert. Beide müssen gemeinsam den Tod eines Jungen aufklären.
Die befremdlichen und außergewöhnlichen Ermittlungsmethoden des Exhäftlings treiben seine Partnerin dabei an den Rand des Wahnsinns. Auch die anderen Kollegen des L.A.P.D. trauen Crews nicht über den Weg.
Ihren Charme verdankt die Serie vor allem Damian Lewis. Er spielt die Hauptfigur bedingungslos authentisch und pendelt erfrischend zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit.
Wie in jedem amerikanischen Fernsehkrimi wird zwar in jeder Folge ein Fall gelöst, aber nebenbei zieht sich noch ein großer persönlicher Fall durch die gesamte Serie, Crews' erbarmungslose Suche nach dem wirklichen Mörder der Familie nämlich. Gepaart mit den frischen morbiden Mordfällen jede Woche ist "Life" eine echte Bereicherung für das an Höhepunkten nicht eben reiche Vox-Programm.
"Life", mittwochs, 21.10 Uhr, Vox
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen