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Neue Hoffnung in Südafrika

Nach viermonatiger Unterbrechung heute erneutes Gipfeltreffen zwischen Nelson Mandela und de Klerk / Verhandlungsprozeß soll wieder in Gang gesetzt werden  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Nelson Mandela und Südafrikas Präsident Frederik de Klerk werden am heutigen Samstag zum ersten Mal seit vier Monaten wieder zusammentreffen. Die Kontrolle politischer Gewalt soll im Mittelpunkt des Gipfelgesprächs in Johannesburg stehen. Und der seit Monaten stockende Verhandlungsprozeß über die Zukunft des Landes soll durch die Begegnung wieder in Gang gebracht werden. Wie schwierig das sein könnte, zeigen die Vorbereitungen für dieses Treffen: erst nach fast dreiwöchigen Verhandlungen zwischen Regierung und Afrikanischem Nationalkongreß (ANC) und nach der persönlichen Intervention von de Klerk und Mandela in der Nacht zum Freitag kam das Gipfeltreffen zustande.

Einzelheiten des Abkommens, das die Gespräche ermöglichte, wurden nicht bekanntgegeben. Gefeilscht wurde vor allem über die vom ANC geforderte Freilassung von etwa 400 politischen Gefangenen. Im Tausch für die sofortige Freilassung von ANC-Kadern, die bei Bombenanschlägen Zivilisten getötet hatten, hat der ANC nun offenbar einer allgemeinen Amnestie zugestimmt: Auch Verbrechen, die zur Verteidigung der Apartheid verübt wurden, sollen entschuldigt werden. De Klerk kündigte am Freitag an, daß zahlreiche Häftlinge in den nächsten „Tagen, Wochen und Monaten“ freigelassen werden würden. Zu diesem Zweck werde die Regierung ein neues Gesetz verabschieden. Der Präsident betonte jedoch, daß es keine einseitige Freilassung geben würde. Gemeint war damit wohl, daß auch Rechtsextremisten, die aus politischen Gründen Verbrechen verübten, mit einer Freilassung rechnen können. „In einer Zeit der Hoffnung und nach einer Epoche der Gewalt muß die Vergangenheit gelöscht und ein neuer Anfang gemacht werden“, sagte de Klerk.

Zwei weitere ANC-Bedingungen — ein Verbot gefährlicher Waffen in der Öffentlichkeit und das Einzäunen von Wohnheimen für Wanderarbeiter — waren vermutlich einfacher zu lösen. Allerdings wird die Regierung sich dadurch einen Konflikt mit der Zulupartei Inkatha eingehandelt haben. Zulu-Führer Häuptling Mangosuthu Buthelezi sagte am Donnerstag, daß ein Zulu-Mann, der seinen traditionellen Speer oder Stock nicht tragen darf, wie „eine Frau in Hosen“ sei. Auch die Wohnheime für Wanderarbeiter werden vor allem von Zulus bewohnt.

Spannungen zwischen dem ANC und Inkatha haben in den letzten Tagen erneut zugenommen. Am Sonntag plant Inkatha eine große Versammlung in Kwa Mashu, einem schwarzen Wohngebiet der Hafenstadt Durban, das als ANC-Hochburg gilt. Der ANC hat andererseits angekündigt, daß ein Protestmarsch in Ulundi, der Hauptstadt des Zulu- Reservats Kwa Zulu, stattfinden soll. Buthelezi warnte diese Woche, daß ein solcher Marsch eine Kriegserklärung wäre.

Ein ähnlicher ANC-Marsch in Bisho, der Hauptstadt des als unabhängig geltenden Ciskei-Homelands, hatte vor drei Wochen zum Tod von 28 ANC-Anhängern geführt, als Soldaten das Feuer auf die Demonstration eröffneten. Dieses Massaker hatte den Anstoß für die jüngsten Kontakte zwischen ANC und Regierung gegeben. Die Regierung will den ANC davon überzeugen, solche Massendemonstrationen aufzugeben, um so das Gewaltpotential zu reduzieren. Aber der ANC kann sich in vielen Homelands, die von der Apartheid geschaffen wurden und deren Führer Verbündete der Regierung sind, nicht politisch organisieren. Mit Demonstrationen will die Organisation politische Freiheit in den Homelands durchsetzen.

Die Kontrolle politischer Gewalt ist schon seit Beginn der Reformen vor mehr als zwei Jahren das zentrale Problem. Vor mehr als einem Jahr unterzeichneten alle Parteien ein umfassendes Friedensabkommen. Aber die Zahl der Opfer politischer Gefechte hat danach noch zugenommen. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 3.000 Menschen getötet. Die UNO will 50 Beobachter in Südafrika einsetzen, um bei Konflikten zu vermitteln. Die erste Beobachtergruppe ist schon da. Aber auch das hat noch zu keiner Abnahme der Konflikte geführt.

Der ANC hatte Verhandlungen mit der Regierung über die Zukunft Südafrikas Mitte Juni abgebrochen, nachdem mehr als 40 Menschen in Boipatong südlich von Johannesburg von Bewohnern eines Heimes für Zulu-Wanderarbeiter ermordet worden waren. Danach präsentierte der ANC 14 Forderungen an die Regierung, die zur Kontrolle der Gewalt führen sollten. Der Forderungskatalog wurde jetzt auf drei Punkte reduziert.

Eine Wiederaufnahme von Verhandlungen ist für Südafrika von entscheidender Bedeutung. „Wir haben nicht viel Zeit“, sagte Mandela letzte Woche in einem Interview. „Die Wirtschaft steht vor dem Ruin. Wir müssen Strategien entwickeln, die dem Land und Investoren Hoffnung machen.“

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