Neue Erfindung bei Windenergie: Windrad ohne Flügel
Holländische Forscher entwickeln eine Windturbine, die mit Salzwasser läuft. Vorteil: Es rotiert nichts. Nachteil: Die Effizienz muss besser werden.
BERLIN taz | Vor einem großen Gebäude der Technischen Universität Delft stand einige Wochen lang eine Apparatur, die an einen überdimensionalen elektrischen Fliegenfänger erinnert. In einem Rahmen waren 35 horizontal verlaufende Röhrchen befestigt und bildeten ein Gitter. Bei diesem Gegenstand handelte es sich nicht etwa um ein abstraktes Kunstwerk, sondern um das Modell einer Windkraftanlage.
Die Holländer nutzen zwar seit vielen Jahrhunderten die reichlich vorhandene Windenergie in ihrem Land, verwendeten aber bislang nur rotierende Flügel. Das Prinzip des Ewicon, so nennen die Ingenieure der Fakultät für Elektrisches Ingenieurswesen, Mathematik und Computerwissenschaften ihre Kreation, unterscheidet sich aber grundlegend von herkömmlichen Windmühlen. Ewicon steht für „Electrostatic Wind Energy Convertor". Das bedeutet: Der Apparat erzeugt aus Windenergie gleichstrom, er pumpt also geladene Teilchen mit Windenergie.
Aus winzigen Düsen, die an den Röhren befestigt sind, wird Salzwasser gesprüht. Unter Hochspannung gesetzte Elektroden sorgen dafür, dass die Wassertröpfchen positiv geladen werden. Trägt der Wind sie weg, hinterlassen sie eine negativ geladene Umgebung im Salzwasser. Der so entstehende Spannungsunterschied kann dann genutzt werden, es fließt der Gleichstrom.
Auf den ersten Blick verspricht diese neue Technologie im Vergleich zur bisherigen Stromgewinnung durch Wind viele Vorteile. Einige Menschen fühlen sich von den Geräuschen der großen Windkraftwerke gestört. Andere sehen allein schon in der Existenz von Windrädern ein ästhetisches Ärgernis. Prominente Zeitgenossen wie der frühere Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust führen deshalb seit Jahren einen Kreuzzug gegen die Windmüller. Tierschützer wiederum verweisen auf die Gefahren, die die rotierenden Flügel für Vögel darstellen.
Großstadt als Großerzeuger von Strom
Ewicon hingegen, so der Plan der Ingenieure aus Delft, könne man fast unsichtbar an Häuserfassaden anbringen. Die Anlage selbst habe keine beweglichen Teile - also auch weniger Verschleiß - und arbeite geräuschlos. Eine Großstadt könne so nicht nur Großkonsument, sondern auch Großerzeuger von Strom werden. Andere Fragen hingegen sind noch nicht gelöst. Was geschieht mit dem Salz, das die Anlage ständig ausscheidet? Sehen die Hochhäuser unserer Innenstädte demnächst so aus wie winterliche Märchenschlösser, umhüllt von einer weißen Salzkruste?
Warum der Berliner Senat in den 70ern Straßenkinder von Pädophilen betreuen ließ, lesen Sie in der Titelgeschichte „Die Väter vom Bahnhof Zoo“ in der taz.am wochenende vom 14./15. September 2013. Außerdem: Eine Profilerin über Fehler beim Morden. Und: Die goldenen Zitronen über die Times-Squareisierung Sankt Paulis und linke Ghettos. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Auch wenn diese Vision wenig realistisch erscheint, bereits der massenhafte Ausstoß von Kochsalz als Streumittel im Winter führt zu erheblichen Umweltschäden. Elektrostatische Windkraftanlagen würden dieses Problem weiter verschärfen.
Anders verhält sich der Einsatz auf dem offenen Meer. Das Meer verfügt nicht nur über reichlich Salzwasser, es würde auch keinen Schaden nehmen, wenn ein feiner salzhaltiger Nieselregen niedergehen würde. Während konventionelle Offshore-Windparks aufwändig gewartet werden müssen – die beweglichen Teile leiden sehr unter dem aggressiven Klima auf den Ozeanen –, käme Ewicon mit vergleichsweise wenig Wartung aus, so Dhiradj Djairam, einer der Entwickler der neuen Technologie. Bei den langen und beschwerlichen Anfahrtswegen, die die Techniker der Offshore-Parks bewältigen müssen, ist die Frage nach Wartungsintervallen für die Kalkulation nicht unwichtig.
Wie teuer der Strom aus den Sprühkraftwerken sein wird, kann noch nicht gesagt werden. Ein Faktor dabei ist der Wirkungsgrad. Und der liegt zurzeit bei etwa ein bis zwei Prozent. Manche Quellen gehen inzwischen von fünf Prozent aus. Ein modernes Windrad hingegen arbeitet zehnmal effektiver. Als „Aprilscherz“ wurde Ewicon deshalb auf Internet-Foren schon bezeichnet.
Dhiradj Djairam, der seine Doktorarbeit zu diesem Thema schrieb, hofft, dass er in vier bis fünf Jahren die Ausbeute vervielfachen kann und so die Technologie für die Industrie interessant wird. Auch bei den Anschaffungs- und Unterhaltskosten kann er die Wirtschaftlichkeit noch steigern. Tatsächlich aber ist Ewicon noch meilenweit von der Marktreife entfernt. Das aber spricht nicht generell gegen diese Idee. Als Carl Benz 1886 das weltweit erste Automobil ausprobierte, lief sein Sohn nebenher, um Benzin nachschütten zu können. Inzwischen sind Autos deutlich schneller geworden.
Theorie-Artikel zum Elektrospray für Leute, die es gern genauer wissen: www.benthamscience.com/cnano/sample/cnano1-1/D0004N.pdf
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