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Neue EU-MaschinenrichtlinieKinderwagen von Rolltreppen verbannt

Seit kurzem gilt eine neue EU-Richtlinie: Die EU-Maschinenrichtlinie. Kinderwagen dürfen nun nicht mehr auf Rolltreppen transportiert werden. Mancherorts gibt es Warnschilder.

Noch ein weiteres Piktogramm hinzu, mancherorts wird es auch Sperren geben. Bild: dpa

BERLIN taz | Wer mit einem Kinderwagen unterwegs ist, trifft - unabhängig von Schnee und Eis - seit Januar auf unerwartete Hindernisse. An einigen Rolltreppen im öffentlichen Nahverkehr wurden Piktogramme angebracht, die den Eindruck erwecken, Kinderwagen seien jetzt auf Rolltreppen verboten; mancherorts wurden sogar Sperren errichtet.

Der Hintergrund: Zum ersten Januar 2010 trat eine neue EU-Maschinenrichtlinie in Kraft, die auf die aktualisierte Norm 115-1 verweist. Diese europäische Norm schreibt vor, dass auf die Gefahren bei der Nutzung einer Fahrtreppe mit dem Kinderwagen hingewiesen werden muss. Wer die Treppe dennoch mit einem Kinderwagen nutzt, kann jedoch nicht bestraft werden, da es in Deutschland dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Allerdings entstehen im Falle eines Unfalles Haftungsprobleme.

Die Unfallgefahr besteht insbesondere bei einer abrupten Schnellbremsung der Rolltreppe. Dagegen wollen sich einige Hersteller und Betreiber nun absichern. Entscheidend sei daher die Haftungsfrage, bestätigt Joachim Berger, Sprecher der Kölner Verkehrsbetriebe. Wenn sich auf einer gekennzeichneten Rolltreppe ein Unfall ereignet, hafte die Privatperson. Es sein denn, der Unfall sei keine Folge der Nutzung mit dem Kinderwagen. In einem solchen Fall werde weiterhin die Betriebshaftpflichtversicherung einspringen, erklärt Matthias Müller, Sprecher des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft.

Die Verkehrsunternehmen in Deutschland reagieren von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Die Deutsche Bahn bringe die Verbotsschilder nur an den neu zugelassenen Rolltreppen an, so eine Bahnsprecherin. Grund: Streng genommen gilt die neue Norm nur für neu zugelassene Fahrtreppen.

Auch in München ist man skeptisch. Man werde Verbotsschilder vorerst nicht anbringen und zunächst die ersten Zulassungen neuer Rolltreppen abwarten, sagte der Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft, Herbert König. In Köln und Stuttgart hingegen sind die Piktogramme überwiegend geklebt. "Wir bringen die Hinweise an allen Rolltreppen an, da immer wieder neue ersetzt werden müssen", erklärt Susanne Schupp von der Stuttgarter Straßenbahnen AG. In Köln werden die Hinweise ebenfalls an den alten und neuen Fahrtreppen zu finden sein. "Wie sollen wir es den Menschen sonst erklären?", sagt der Sprecher der Kölner Verkehrsbetriebe, Joachim Berger.

Eine Norm, die auch für alte Rolltreppen gelten wird, werde noch in diesem Jahr beschlossen, ist sich Nicole Köster, Sprecherin des Rolltreppenherstellers Krone, sicher. Der Vorteil für die Produzenten: Bei Unfällen könnte niemand Haftungsansprüche an sie stellen.

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17 Kommentare

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  • B
    BerlinFreckles

    Nun sind wohl alle Printmedien auf den Kinderwagen-Rolltreppen-Zug aufgesprungen. Wenn die ganzen Diskussionen dafür sorgen, dass unser ÖPNV zumindest ein bisschen Kinderwagen- und familienfreundlicher wird - dann hätte es ja schon etwas Gutes.

     

    Mehr Gedanken dazu unter http://bit.ly/5QUPGc

  • S
    Scotty

    hahaha... Leute kommt mal klar... die ganze Nummer hier ist nicht mal einen einzigen ernsten Gedanken wert.. ich kanns nur mit neusprech ausdrücken, wie lustig und skurril ich das alles finde:

    OMG, ROFL, LOL!!!! bam

  • AB
    Andreas Bräuninger

    Derjenige, der den Artikel geschrieben hat, ist wohl eher auf Meinungsmache aus als auf korrekte Information seiner Leser!

    Ich für meinen Teil würde mich vor dem Veröffentlichen zuerst mal mit der Thematik vertraut machen.

    Erst einmal ist es überhaupt keine neue Richtlinie, es wurde nur eine bereits seit 15 Jahren bestehende und bewährte Richtlinie angepasst.

    Zweitens macht die Richtlinie keine Vorgaben wann welche Normen anzuwenden sind, das ist immer noch Sache des Herstellers. Sie macht nur Vorgaben wie für uns Verbraucher sichere Maschinen gebaut werden sollen.

    Also bitte beim nächsten Bericht über angebliche Drangsalierung durch die EU genauer recherchieren oder klarmachen, dass es nur die Meinung des Reporters ist.

    Kritik find ich in Ordnung. Dumme Äußerungen ohne Fachwissen nicht.

  • G
    gegenpool

    liebe taz redaktion,

    ich hätte mir dann doch ein kritisches nachfragen bei den von Ihnen befragten verkehrsunternehmen gewünscht,wie diese mit dieser situation umgehen wollen, wird z.b. personal eingesetzt, damit allein umherziehende eltenteile unterstützt werden.

    dass die kvb (kölner verkehrs betriebe) mit vorauseilendem gehorsam die verordnung umsetzt ist klar, wohl in keinem anderen verkehrsunternehmen befinden sich soviele verbotsschilder, wie in diesem: so ist das essen, trinken, lesen, musik hören in den straßenbahnen verboten. irgendwann wird auch das reden untersagt, der fahrer könnte sich gestört fühlen...

  • DN
    Dr. No

    Es geht nicht um Sicherheit oder um das Wohl der Kinder. Sondern es geht nur darum, wen man im Ernstfall "drankriegen" kann.

     

    Beispiel: Bei Radwegen gibt es eine vorgeschriebene Breite von 1.50 m. Die Vorschrift ist da. Hurra! Nur sind manche Radwege nur 50 cm breit und nebenher donnern die Laster. Was ist die Vorschrift wert, wenn sich keiner dran hält und im Ernstfall nur mit der Schulter gezuckt wird?

     

    Statt endlose Vorschriften zu verfassen und Otto Normalverbraucher in einen Wald von Gefahrenschildern zu schicken, sollte man einfach sagen: Ihr müsst die Rolltreppen mit X, Y und Z ausstatten, und dann ist das Teil kinderwagentauglich. Das wird dann kontrolliert und fertig. Aber da haben die Herren Vorschriftenhengst Schiss. Wenn sie nämlich bei was konkretem einen Fehler machen, da könnte man diese Sesselfurzer ja selbst dran kriegen, Gott bewahre.

  • H
    Haftungsfragen

    Wenn ich nun jemandem helfe, den Kinderwagen die Treppe hochzutragen - weil ein Piktogramm die Benutzung der Rolltreppe verbietet - und ich dabei eine Rückenverletzung erleide: Wer haftet dann? Der Rolltreppenhersteller, der Treppenhersteller, die Person, der ich geholfen habe?

  • T
    Thomas

    Damit gilt jetzt auch für Rolltreppen das, was für normale Treppen gilt. Was für eine Erkenntnis.

  • A
    agtrier

    Nun ja, über Sinn und Unsinn so einer "Richtlinie" lässt sich sicher streiten, aber einen positiven Nebeneffekt hat das ganze wohl auch: viele Länder (bzw. Städte, etc.) haben Vorgaben, dass U-Bahn-Stationen für Kinderwägen benutzbar sein müssen. Wenn die Benutzung der Rolltreppen nun "verboten" ist (ist sie nicht, aber egal...) müssen eben Aufzüge her. Die Aufzughersteller wird's freuen - die Rollstuhlfahrer und die/den ein oder anderen Kinderwagen-Schieber(in) wohl sicher auch. Und denen gönne ich das denn auch.

  • H
    hessebub

    Auch Menschen über 60 sind durch Killerrolltreppen gefährdet. Brillenträgerpiktogramme tun ebenfalls Not. Wie schon Max Goldt sang: Druckt mehr warnende Broschüren!

  • M
    MrTH

    In der Tat, verboten ist zunächst nichts. Es ist die Frage, wer bei einem Unfall aufkommt. Und ja - EU-Verbraucherschutz ist dann doch mal wieder Unternehmerschutz. Die herstellenden bzw. betreibenden Firmen sind aus der Verantwortung. Und das alles, ohne Alternativen zu haben. Ich freue mich total, nun in unserer Stadt am Hbf den Kinderwagen die Treppen hochzutragen, denn einen Aufzug gibt es nicht.

    Gut gemacht!

  • M
    MTK

    Wer denn Artikel WIRKLICH liest, müsste merken: Die EU hat gar nix verboten.

    Normen werden nicht von der EU oder Politikern oder Beamten gemacht, sondern von Herstellern, Anwendern, Wissenschaftlern. Und in der Neufassung steht jetzt sinngemäß drin, daß man es selbst wissen muß, wenn man mit Kinderwagen eine Rolltreppe nutzt. Sie sind eben einfach nicht für den Transport von Kinderwagen gebaut. Wäre bei den vielen verschiedenen Kinderwagenmodellen auch

    kaum möglich.

  • WL
    Walter Lichtenhahn

    Was soll die Menschheit sich noch alles gefallen lassen? Bezüglich Kinderwagen auf Rolltreppen mit Inhalt Kind ist schon gefährlich.Und wenn man darauf Aufmerksam macht, OK

    Verbieten sollte man das Einrichten der Umweltzonen. Freie Fahrt für alle.

    Will man nun eine andere Mauer errichten ???

    Bürger wehrt Euch gegen die Umweltzonen.

    Sonst haben wir bald wieder DDR Methoden. Passt auf, das dieses nicht mehr geschieht

  • KS
    kleiner Spinner

    Ja, so kommt's. Wer auf einem offensichtlich verschneiten Gehweg ausrutscht und sich verletzt, der klagt. Wer sein Auto zwischen spielenden Kindern parkt und danach einen Kratzer feststellt, der klagt. Wer in eine Wohnung neben einem anderen Menschen zieht und das auch hört, der klagt.

     

    Wenn es opportun war, konnten wir gar nicht anmaßend und infantil genug sein. Wir waren gerne dumm, solange wir einen Schuldigen hatten. Und jetzt ernten wir halt die Früchte unserer Anspruchsunverschämtheit. C'est la vie.

  • L
    Laura

    Liebe EU-Gesetzesentwerfer!

    Ich wollte euch nur mal schreiben, dass ich - ein Mensch, eine Frau - sogar selbst denken kann. Ich habe ein Gehirn, welches tatsächlich imstande ist, mir zu sagen: "Dieser Kinderwagen auf dieser Rolltreppe - das ist gefährlich" oder "Dieser Kinderwagen auf dieser Rolltreppe - das funktioniert". Diese Selbsteinschätzung von Gefahren ist übrigens gar nicht so schwer! Nehmt euch mal ´nen Kinderwagen und probiert´s aus! Ach so, falls euch das Selbstdenken mal kurz abhanden gekommen ist, noch ein kleiner Hinweis: Ständig neue bevormundende Verbote zu erlassen, wird die Affinität der Bürger gegenüber der EU nicht erhöhen!

  • S
    Scotty

    Wie hieß nochmal der erfinder des Beam-Gerätes?

    Auf jedenfall muss der was mit der "Komission für Zeitverschwendung und Sinnlosigkeiten" zu tun haben... Moment - das ist komisch, passt irgendwie nicht zusammen.. Beamen wäre toll, aber der rest...

     

    check ich nix....

  • K
    kinderfeind

    Da freu ich mich doch schon drauf, im Sommer mit dem ersten Kind auf dem Bahnhof einen Fahrstuhl suchen zu dürfen, der dann vielleicht noch defekt ist. Heisst das, ich muss dann den Wagen die Treppe heruntertragen?

    Muss dem ersten Kommentar recht geben, ein zweites Kind wird dann sicherlich schwerer zu handeln sein, bzw. bei der Kinderfeindlichkeit ist echt Auswandern angesagt.

  • D
    DemographischeWandel

    Das fördert nicht gerade die Geburtenrate in deutschland.