Neue Bücher über Popikone Frank Zappa: Randvoll mit sich und der Musik
Drei Bücher blicken in die vielen Gesichter des Frank Zappa. So wird die Musiklegende auf den Boden zurückgeholt. Schillernd bleibt sie trotzdem.
Der amerikanische Musiker Frank Zappa, der im Dezember 1993 gestorben ist, wäre kurz vor Weihnachten 70 Jahre alt geworden. Musikalischer Störenfried, Bürgerschreck, Schock-Ästhet, Pop-Mephisto, - vermutlich ließe sich ein Büchlein mit den Etikettierungen füllen, mit denen Frank Zappa zeitlebens bedacht wurde.
Doch wer ist der wahre Frank Zappa? Ist es der wilde Verrückte, zu dem ihn Scharen von Wohngemeinschaften durch das Aufhängen des Klo-Fotos stilisierten? Oder ist es das hochkulturelle Genie im Frack? Beides plakative Bilder. Doch wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen dem Menschen Frank Zappa zu seinem Abbild? Zwei neue und ein neu aufgelegtes Buch nähern sich diesem Phänomen. Gelingt die Entdeckung des Menschen hinter dem Künstler?
Zappa-Biograf Ingo Meyer lässt zunächst nicht den eigenen, sondern den Blick anderer schweifen. Etwa den der Jefferson Airplane-Sängerin Grace Slick. Sie nannte Frank Zappa "das intelligenteste Arschloch, das ich je getroffen habe". Zappas langjährige Perkussionistin Ruth Underwood bedenkt ihn mit den Worten: "Zappa ist ein Zyniker, aber völlig destruktiv. Er glaubt an gar nichts, nicht mal an die Liebe. Er ist innen einfach leer."
Ingo Meyer: "Frank Zappa", Reclam Verlag, Stuttgart 2010, 199 Seiten, 6 Euro
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Frank Wonneberg: "Grand Zappa - Internationale Frank Zappa Discology", Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2010, 160 Seiten, 69,95 Euro
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Barry Miles: "Zappa", Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Berlin 2010, 528 Seiten, 12,90 Euro
In dieser Leere aber ist alles Musik. Frank Zappas Musik. Er ist der Gebieter in seinem eigenen Universum. Und genügt nur sich selbst. Vom ganzen Rest genügt ihm nichts. Die bildende Künstlerin Emily James, die den berühmten "Quilt" aus auf die Bühne geworfener Frauenunterwäsche anfertigte, attestiert Zappa, "randvoll mit sich selbst bis zur Ausblendung aller seiner Mitmenschen" gewesen zu sein.
Aus dieser Fülle quellen energiegeladene musikalische Dokumente. Frank Wonneberg kommt in seiner "Frank Zappa-Discology" auf 57 Veröffentlichungen zwischen 1966 und 1993, der Zappa Famliy Trust sogar auf 62. Kein Wunder also, dass sich George Duke, der Keyboarder der frühen Siebziger, zu der Aussage hinreißen lässt, "ich habe niemals wieder jemanden getroffen, der härter als er gearbeitet hätte. Vom Aufstehen bis zum Zu-Bett-Gehen dachte er Musik."
Unbändige Arbeitswut
Frank Zappas unbändige Arbeitswut zeigt sich schon 1964, also Jahre vor dem Debüt mit den Mothers of Invention. Barry Miles protokolliert eine entsprechende Aussage Zappas: "Als ich erst einmal gelernt hatte, mit der Studioausstattung umzugehen, saß ich da zwölf Stunden am Stück, spielte alle Instrumente und nahm sie auf Band auf."
Egomanisch wie er war, betätigt er sich von Anfang an als Komponist, Texter, Arrangeur, Toningenieur, Produzent, Verleger, Firmenchef, Multimedia-Pionier und Techniktüftler. Meist gleichzeitig und oberperfekt. Der Kontrollfreak Frank Zappa zielt dabei nicht auf das Genre Rockmusik, obwohl er sich seit jugendlichen Zeiten darin tummelt.
Wieder ist es Barry Miles, der Zappas Worte festhält: "Ich hatte eigentlich nie vor, Rockmusik zu schreiben. Ich wollte ernsthafte Musik für Konzerthallen komponieren, aber mir war klar, dass niemand die aufführen würde. So kam ich auf den Gedanken, dass ich wohl eine Band zusammenstellen und Rockmusik spielen müsse, wenn irgendjemand irgendwann mal eine meiner Kompositionen zu hören bekommen sollte." Stets rauschen ihm Musikfetzen von Edgar Varèse, Igor Strawinsky oder Anton Webern durchs Hirn. Grund genug, über die Jahre alles komplexer werden zu lassen und eine Vielzahl künstlerischer Metamorphosen zu durchlaufen.
Am Ende seines Lebens hat er die revolutionären Beiträge zur Rockmusik in Richtung klassischer Avantgarde verlängert und arbeitet mit Verfechtern der Neuen Musik wie Pierre Boulez oder dem Ensemble Modern zusammen. Verdient Frank Zappa den Genialitätspreis? Er selbst verneint bereits 1989. "Ich bin nicht genial, ich mache meine Arbeit." Für Wonneberg ist Zappas Ausspruch, "mein Geheimnis dabei ist, dass ich exakt weiß, was ich tue", so prägend, dass er das Zitat seiner Discology voranstellt.
Frank Zappa verstößt gleich beim ersten Album, das er mit seiner Band Mothers of Invention veröffentlicht, massiv gegen alle Konventionen des Rock-n-Roll-Business. "Freak Out!" von 1966 ist nicht nur ein bis dahin undenkbarer Doppelalbum-Erstling, es gilt auch als die Erfindung des Rock-Konzeptalbums. Die Titel beziehen sich aufeinander, anstatt einfach aneinandergereiht zu werden.
Ingo Meyer wertet dies als Beginn des schwierigen Versuchs Frank Zappas, "über organisierte Anarchie im System gegen das System Position zu beziehen. Dieses System heißt seit Theodor W. Adorno ,Kulturindustrie'." Obwohl Zappas Werk voll von bitterböser und frontal angreifender Gesellschaftskritik ist, lässt er sich nie vereinnahmen.
Auch nicht von der APO. Meyer verweist auf das Zappa-Konzert im Berliner Sportpalast vom 16. Oktober 1968 vor rund 8.000 Besuchern. Fritz Teufel saß damals im Gefängnis Moabit ein. Die Kommune 1 hatte Frank Zappa aufgefordert, zum Sturm auf das Gefängnis aufzurufen. Er lehnt, laut Konzertveranstalter Fritz Rau, mit dem Hinweis ab, dass die Zeichen nicht auf Revolution stünden, und provoziert eine Bühnenbesetzung. Umgeben von Demonstranten spielt Frank Zappa "Ho, Ho, Ho Chi Minh" als grotesken Militärmarsch. Er zeigt einmal mehr, dass seine Intention und die Projektion des Publikums oft grundverschieden sind.
Letzteres gilt auch für das Stück "Bobby Brown", das in Deutschland unbeanstandet fünfzehn Wochen in den Top Ten war. In England und den USA steht der Titel aufgrund seines deftigen bis obszönen Texts bis heute auf den Indexlisten. Hier hat sich Frank Zappa erneut einen Gedanken Adornos zunutze gemacht. Eine als Mitsing-Hymne ausgelegte Melodie, Adorno benutzt den Begriff ,bürgerliche Vulgärmusik', wird mit einem provozierenden Text unterlegt, den in Deutschland zudem kaum jemand versteht. Der deutliche Gegensatz zu Adorno liegt in Zappas stets humoristischer Herangehensweise.
Frank Zappas Systemkritik ist so widersprüchlich wie seine Musik. Auf fruchtbaren Boden fällt diese Querdenkerei in der damaligen Tschechoslowakei. Dort gründen sich 1968 The Plastic People of the Universe. Der Bandname stammt aus einem Stück von Zappas Platte "Absolutely Free". Barry Miles weist darauf hin, dass die von Milan "Mejla" Hlavsa gegründete Truppe immer für die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks stand, ohne ihre Musik, ganz im Sinne Zappas, in einem simplen politischen Verständnis vorzutragen. Ihre Verhaftung im Jahr 1976 wird der Auslöser für die von Zappa-Fan Václav Havel mit verfasste Charta 77.
Frank Zappas Werk ist rund um den Erdball erschienen. Von Simbabwe bis nach Argentinien. Dort wurde "Hot Rats" zu "Ratas Calientes". Frank Wonneberg betritt die wahre Metaebene von Zappas Schaffen. Seiner Suche nach dem Klang spürt er in der Zappa-Vinyl-Welt nach und blickt auf 850 verschiedene weltweit verstreute Labelaufkleber. Es geht dabei nicht um Musik allein, sondern um die verborgenen Geheimnisse von Rillen, Prägungen und Zeichen.
Mit Rillenfotos, Oszillogrammen und Besetzungslisten beschreibt Wonneberg Unterschiede der Pressungen. Das verstellte Schöne einer Platte, die Klangästhetik dahinter wird freigelegt. Frank Zappa hat Mitte der Achtziger begonnen, seinen Backkatalog zu überarbeiten. Dabei hat er von den alten Masterbändern teils neue Mixe angefertigt, teils hat er alte Spuren gegen neu aufgenommene Instrumente getauscht. Dies nachvollziehbar zu machen, widmet sich Wonneberg mit Akribie und einer Ernsthaftigkeit, die den Perfektionisten Frank Zappa beeindruckt hätten.
Die Autoren haben ihn jenseits des euphorischen Tons brachial ernst genommen. Und dabei die oft zweifelhaften autobiografischen Aussagen Zappas behutsam bewertet und eingeordnet. So wird er aus der Sphäre der überhöhten Ikonenhaftigkeit herausgezerrt und dem Menschen Frank Zappa Bodenhaftung zurückgegeben. Sein Werk wird so wieder besser wahrnehmbar. Doch endgültig gelöst wird das Rätsel nicht.
Die Unschärfe im Blick auf Frank Zappas Lebensfacetten ist nicht vollends verschwunden. Er bleibt schillernd, umstrittenen und bewundert. So werden wohl noch viele seinem Charme des Unberechenbaren erliegen.
Leser*innenkommentare
clara
Gast
"Drei Bücher blicken in die vielen Gesichter des Frank Zappa"
Bücher können blicken? Blicken sie denn freundlich oder eher kummervoll?
Feinfinger
Gast
Frank Zappa war unbestritten ein ganz großer Musiker und Komponist. Und eben auch Satiriker. Seine Band hat er wie ein Unternehmer geführt, d.h. die Musiker wie Angestellte entlohnt. Sie sind nicht an den Tantiemen beteiligt und deswegen bis heute teilweise unzufrieden. Die meisten Genies besitzen einen eigenbrötlerischen Charakter und sind meist schwer im Umgang. Daher ist es leicht vorstellbar, dass einige Frauen in seinem Umfeld sich über zuwenig Aufmerksamkeit beklagten und ihn nachträglich der Unfähigkeit zur "wahren" Liebe bezichtigen. Seine Witwe Gail scheint da auch keine Ausnahme zu sein. Ihre Art spricht für sich. (Ich freu mich schon auf die nächste Zappanale in Bad Doberan.)
Dass einige Leute vom Song Bobby Brown genervt sind, liegt evtl. daran, dass die Radiostationen nur dieses Lied spielen. Und das funktioniert hierzulande eben weil über den Text hinweg gehört wird. Stick it out habe ich bspw. noch nie im Radio gehört. (Ebensowenig auch Die Kassierer oder Eisenpimmel!) Das die taz die Buchbesprechungen bringt, ist nur recht. Was ich aber schmerzlich vermisst habe, ist ein gebührender Nachruf auf Captain Beefheart (Don van Vliet), der kürzlich verstorben ist und am 15.1. ebenfalls 70 Jahre alt geworden wäre.
vic
Gast
Hab nochmal drüber nachgedacht; selbst Bobby Brown war ein Geniestreich.
Vemutlich amüierte er sich köstlich. Packt einen nasty Text in eine gefällige Melodie, und das Ding verkauft sich wie blöd...
Frank Gniffke
Gast
Hallo Franz Zipperer,
herzlichen Dank für Deine Buchrezensionen!!!
Gruß
Frank
isch dich auch
Gast
egomanisch... :-)
vic
Gast
Zappa war ein Genie, bis auf einen großen Fehler:
Bobby Brown hieß der.
Post Scriptum
Gast
Ruth Underwood (Ruth wer? - ach die, die mit Zappa und den Mothers zusammen ..., ja jetzt weiß ich) sagt: „Er glaubt an gar nichts, nicht mal an die Liebe.“ Ach Schätzchen, es gibt so viel Besseres zu tun, als an die Liebe zu glauben. Z.B. sie leben.
Wenn Zappa kein Genie ist, dann weiß ich wirklich nicht, wer eins sein soll. Natürlich ging er dabei tagtäglich wahrscheinlich mehrmals aufs Klo, wie jede® andere auch (wohl außer bei Verstopfung).
Immerhin hat er es geschafft, 1. nicht erschossen zu werden (in den USA ist die Gefahr nicht zu unterschätzen) und 2. auch nicht am Schluss irgendwelche Theorien auszubrüten, wie das öffentliche Verkehrsystem in mysteriöser Weise so zusammengesetzt ist, dass man damit das System unterwandern könnte und zwar indem man an allen Stationen gleichzeitig Gitarre spielt, oder etwas ähnlich Verrücktem (auch die Gefahr ist nicht zu unterschätzen). Und er hat sich 3. auch nicht in die Lächerlichkeit gezogen, indem er sich zu allem Möglichen äußerte, wovon er keine Ahnung hatte (das Fachidiot-Syndrom). Also die drei Hauptgefahren, die denen drohen, die als „Genies“ (wahlweise auch Helden, Vorkämpfer, Pioniere etc.) bezeichnet werden könnten oder werden, oft auch ohne dass sie es sind.
Er blieb bei der Musik und der Subversion, wovon er etwas verstand, und da war er genial. Deswegen sei ihm geschenkt, dass er arrogant gewesen sein mag, obwohl man mit den Aussagen irgendwelcher vielleicht (oder wahrscheinlich) eifersüchtigen und nicht so erfolgreichen Zeitzeugen auch vorsichtig umgehen sollte, mindestens genauso vorsichtig wie mit den autobiographischen, die von ihm selbst stammen.