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Neue Ausbildung in der GeburtshilfeHebammen sollen künftig studieren

Am Donnerstag will der Bundestag beschließen, dass Hebammen an Unis ausgebildet werden. Die Grünen fordern einen „Kulturwandel“.

Das Studium soll Frauenheilkunde, Geburtshilfe, Allgemeinmedizin und Pharmakologie beinhalten Foto: dpa

Rund 24.000 Hebammen gibt es in Deutschland, der weit überwiegende Teil von ihnen wurde an einer Hebammenschule ausgebildet. Das soll sich nun ändern: Am Donnerstag beschließt der Bundestag voraussichtlich, dass Hebammen künftig an Fachhochschulen und Universitäten studieren sollen, die für die Praxisanteile zum Beispiel mit Kliniken kooperieren.

Ab Januar absolvieren Hebammen demnach ein duales Studium. Das soll – so heißt es auf der Seite des von Jens Spahn (CDU) geführten Bundesgesundheitsministeriums – den Beruf „attraktiver und moderner“ machen. Sechs bis acht Semester soll das Studium dauern, gelehrt werden Frauenheilkunde, Geburtshilfe, Allgemeinmedizin und Pharmakologie. Die Praxisanteile von voraussichtlich rund der Hälfte der Zeit können in Krankenhäusern, bei freiberuflichen Hebammen oder in Geburtshäusern gemacht werden, der Abschluss wird ein Bachelor sein. In einigen Städten gibt es bereits Pilotprojekte.

Spahn setzt mit diesem Gesetz eine EU-Richtlinie zur europaweiten Anerkennung von Berufsqualifikationen um, die schon 2005 erlassen wurde. In allen anderen Ländern der Europäischen Union werden Hebammen schon an Hochschulen ausgebildet, Deutschland hinkt hinterher. Es sei „lange erwartet“ worden, schreibt der Hebammenverband zum Gesetz, auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Kirsten Kappert-Gonther, hält es grundsätzlich für „einen Fortschritt“.

Dennoch will Kappert-Gonther nachbessern: Neun Punkte, zu denen im Gesetzentwurf „Klärungsbedarf“ bestehe, listet ihre Fraktion in einem Antrag auf, der am Donnerstag eingebracht werden soll und der taz vorliegt. So müsse etwa Hebammen mit bisheriger Berufsausbildung ermöglicht werden, den Bachelor nachträglich und verkürzt zu erwerben. Die Bundesregierung sei zudem gefordert, ausreichend Geld für die Studiengänge sicherzustellen. Kinderkranken- oder Altenpflegekräften müsse der Zugang zum Studium auch ohne Abitur ermöglicht werden.

Schichtdienst und fachfremde Aufgaben

Und schließlich müsse Schwangeren eine wohnortnahe Betreuung und Versorgung mit Kliniken, Geburtshäusern und Hausgeburtshebammen gewährleistet werden. Eine 1:1-Betreuung von Frauen während der Geburt müsse als Rechtsanspruch im Gesetz verankert werden, fordert die Grünen-Fraktion. Denn es sei „längst nicht genug, wenn Jens Spahn zögerlich EU-Vorgaben umsetzt“, so Kappert-Gonther. Im Gegenteil: Nötig sei ein „Kulturwandel in der Geburtshilfe, damit endlich die Gebärende im Mittelpunkt der Geburtshilfe steht.“

Hintergrund der Forderung ist, dass die Arbeit von Hebammen in Kliniken von der parallelen Betreuung von bis zu fünf Geburten, Schichtdienst und der Übernahme fachfremder Aufgaben geprägt ist, also zum Beispiel Putzen oder Telefondienst. Im Jahr 2015 befragte der Deutsche Hebammenverband knapp 1.700 in Kliniken angestellte Hebammen über ihre berufliche Situation. Jede fünfte Hebamme konnte ihre Abteilung nicht mehr als sicheren Ort empfehlen, ein Kind zu bekommen. Dies führt dazu, dass sich viele Hebammen gegen die Arbeit in Kliniken entscheiden, Stellen offen bleiben und sich die Situation dadurch weiter verschärft.

Der Hebammenverband hat bereits im Februar 2019 mehrere Eckpunkte für ein Geburtshilfestärkungsgesetz vorgelegt. Die wichtigsten Forderungen: ein verbesserter Personalschlüssel in den Kliniken und die Entlastung der Hebammen von nicht berufsspezifischen Tätigkeiten wie Putzen oder Telefondienst.

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11 Kommentare

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  • Diee Akademisierung der Hebammen ist nutzlos und blödsinnig. Leider ist dies in den Pflegeberufen ein grosser Trend. Diejenigen die Lust auf akademisches haben, sollen gleich Medizin studieren. Als Hausarzt mit 40jähriger Erfahrung sehe ich, dass die Hebammen und auch die klassischen Krankenschwestern- und Pfleger alle sehr motiviert und professionell arbeiten und sehr gut ausgebildet sind. Mehr Schule ist reine Zeitverschwendung. Müssen nur alle mehr am PC sitzen und nutzlose schriftliche Arbeiten gebären.

    • @Rätier:

      Danke!



      ⭐️ ⭐️ ⭐️ ⭐️ ⭐️

  • Was den Hebammen feht sind vernünftige und bezahlbare Versicherungen als Freiberuflerinnen und bessdere Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern. Das ist seit 20 Jahren bekannt.

    Es spricht Bände, dass jetzt statt die Probleme zu lösen neue geschaffen werden.

  • Gute Ausbildung haben die Hebammen doch!



    Lasst sie doch einfach in Ruhe und gerecht bezahlt arbeiten! Eine natürlichere Entbindung, wenn es die Kindslage zulässt, gibt es doch gar nicht.



    Woraus errechnet sich eigentlich dieser horrende Versicherungsbeitrag, das würde mich mal interessieren! M. E. ist der doch völlig überdimensioniert.



    Wenn Hebammen studieren MÜSSEN, werden sie "unter Aufsicht" an der Klinki arbeiten müssen, als Angestellte.



    Für mich wird da versucht, altes Frauenwissen und Freiräume von wissenden Frauen zu beschneiden und sie wieder unter Männer-Kuratel stellen zu wollen. 1 A Misogynie.



    www.aerztinnenbund...ownloads/4/WoT.pdf

    • @Frau Kirschgrün:

      Hallo Frau Kirschgrün.

      Die Versicherungsbeiträge sind auf die hohen Kosten bei Fehlern zurückzuführen. Geburten sind hier prädestiniert für ausgesprochen teure Fehler - selbst in Deutschland, wo sich Schadensersatzzahlungen sehr im Rahmen halten.



      Zur Einordnung: Im Kreißsaal hat die Hebamme das Kommando und damit auch die Verantwortung.

      Ansonsten irritieren mich die Gefahren die Sie sehen ein wenig. Auch Hebammen in der Ausbildung arbeiten "unter Aufsicht" (und wir alle - inklusive der angehenden Hebammen - sollten dankbar dafür sein).

      Der Rest klingt ein bißchen mehr nach einer Mittelalterserie aus dem Pay-TV und hat mit der Realität eher weniger zu tun. Nicht bös gemeint ;-)

      • @Nicolas Berg:

        Mir ist das trotzdem nicht einsichtig, warum (meist) Frauen in diesem Beruf so "zurückgedrängt" werden sollen. Ich vermute schon so etwas wie Paternalismus dahinter. Nixx Mittelalter…



        Und wenn für diese Versicherungsfälle allein die Hebammen verantwortlich sein sollen (was ich nicht glaube), dann muss an der Ausbildung etwas verbessert werden, aber nicht die Versicherungsprämien erhöht. Das passt für mich alles irgendwie nicht zusammen und klingt wie eine "Ausrede"..

  • Die neue Ausbildung nutzt allein den deutschen Berufseinsteigern. Alle anderen drohen, auf der Strecke zu bleiben. Der Zwang zum Studium wird für manche Hebammen, die in ihrem Leben bereits hunderte Kinder erfolgreich entbunden haben, quasi ein Berufsverbot bedeuten.

    Besonders betroffen werden MigrantInnen sein, die nicht einfach so den Bachelor nachholen können. Ähnlich wie durch die Taxi-Lizenzen in Griechenland oder die Pflicht zum Meisterbrief in Deutschland, ohne den man auch heute immer noch keinen Handwerksbetrieb betreiben darf, werden zukünftig auch erfahrene Hebammen systematisch vom Arbeitsleben ausgeschlossen.

    Im Zuge der Globalisierung müssen Beschäftigungshürden ganz im Gegenteil abgebaut und Berufsqualifikationen dereguliert werden, damit es Quereinsteiger leichter haben. Formale Qualifikationen wie Bachelor und Master sollten in Berufen, bei denen es nicht in erster Linie um akademische Tätigkeiten geht, keine Rolle mehr spielen.

  • Kann man den Menschen nicht einfach gerechte Löhne zahlen ohne das sie dafür einen Bacholerabschluss brauchen?



    Die Universität sollte eigentlich Wissenschaftler ausbilden. Hebammen sind keine Wissenschaftler, Sie brauchen eine praktische Ausbildung. Den Trend alles als Bacholerabschluss anzubieten verstehe ich nicht.

  • Ach, denen, welche gerade in der Misere als Hebammen ihr Dasein fristen, wird die Gnade erwiesen, den Bachelor verkürzt nachholen zu dürfen. Und was wenn die sich den akademischen Scheiss jetzt weder antun, noch finanzieren können wollen?



    Erst im jahrelang Mist absaufen lassen und



    dann noch ein Sahnehäubchen draufsprühen. Das ist der gleiche Schwachsinn, wie zukünftige Pflegekräfte zwingend die mittlere Reife brauchen.



    Da bin ich mal gespannt, wie gut das anläuft!