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Neu im Kino

■ „Reefer and the Model“

Die Iren sind enthusiastische Kinogänger - ich werde nie die Aufführung eines James Bond Films in einem riesigen Dubliner Kino vergessen, in dem fast zweitausend Iren brüllend über den unfreiwillig komischen heroischen Größenwahn der Briten lachten - aber es gibt so gut wie keine Filme aus Irland. In englischen und amerikanischen Produktionen sieht man Irland entweder als idyllische, folkloristische Kulisse vollgestopft mit rothaarigen Originalen, oder als Kriegsschauplatz mit Panzerwagen und IRA-Terroristen, aber Irland selber ist zu arm, um in der teuersten Kunstform groß von sich reden zu machen. Daß dies aber nicht an einem Mangel an Talenten liegt, zeigt der - mit britischem Geld realisierte - „Reefer and the Model“, der mit „ausschließlich irischer Besetzung und irischem Stab“ produziert wurde.

Regisseur Joe Comerford hat kein „Road-“ sondern eher ein „Seamovie“ gedreht, denn Reefer - ein keltischer Macho mit kriminellen Ambitionen und diffusen Kontakten zur IRA, den man sofort ins Herz schließt, nachdem seine Mutter ihn als „born bastard“ vorstellt - schippert mit seinen zwei kaum weniger merkwürdigen Freunden auf einem Kutter an der irischen Westküste herum. „The Model“ ist eine junge Frau, die er auf der Straße aufliest; und wenn man erfährt, daß sie nicht nur schwanger ist, sondern auch noch auf eine Karriere als Prostituierte und Fixerin zurückblicken kann, fragt man sich schon, ob Comerford nicht zu dick aufträgt und einfach alle Außenseiterattribute in diesen einen Kutter setzt.

Aber obwohl Reefers Kumpel Badger sich auch noch als schwuler Armeedeserteur entpuppt, wirkt diese Gruppe von Outcasts nicht wie eine exotische Freak- show. Und gerade während der Fahrten auf dem Kutter, bei denen über viele Filmminuten nichts Dramatisches passiert, schaffen es Comerford und die Schauspieler, Seemeilen entfernt von den gängigen Klischees, die Figuren lebendig und den Zuschauer zum Komplizen der verschworenen Gruppe zu machen. So sind wir später bei dem Banküberfall und der obligatorischen Flucht ganz auf ihrer Seite. Hier folgt Comerford den Konventionen des „Bonnie und Clyde„-Genres, aber in den Details bleibt er originell und komisch. Für die Schlußeinstellung hat er ein traurig-schönes Bild gefunden, das alles noch einmal symbolisch, emotional und ästhetisch auf den Punkt bringt. Hoffentlich ist dieser Kutter, den man langsam im Nebel aus den Augen verliert, nicht für lange Zeit die letzte Aufnahme des irischen Kinos. Wilfried Hippe

Cinema, 23. u. 24., 28. u. 29.8., 18.45 Uhr, sowie 3.-6.9., 23 Uhr

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