■ Neu im Kino: Frida mit dem Herzen...: Immer den Reizen nach
Neu im Kino: Frida mit dem Herzen...
Immer den Reizen nach
Ist Liebe, wenn Raymond Frida seine Fußballstrümpfe leiht, wenn Andreas Chopin auf dem Klavier spielt, wenn Martin für einen Kuß von Frida vom Zehnmeterbrett springt, oder frei nach Erich Fromm sowieso eine Kunst? Frida, eine freche 13jährige im besten Pubertätsalter, würde zu gerne wissen, welchem von den vieren sie recht geben soll. „Die Kunst des Liebens“ von Erich Fromm trägt sie wie eine Bibel mit sich herum, und für die werbenden Jungs legt sie Hit-Strichlisten auf blumigem Briefpapier an, um ihrem Himmelhochjauchzen und Zutodebetrübtsein auf die Spur zu kommen.
Frida hat „Simultankapazität“, wie sie sagt. „Von Raymond träume ich, nach Andreas sehne ich mich und Martin habe ich für alle Tage.“ So ist sie, „Frida mit dem Herzen in der Hand“. Der gleichnamige Jugendfilm der norwegischen Regisseurin Berit Nesheim von 1991 läuft ab heute in den deutschen Kinos. Berit Nesheim ist für ihre Kinder- und Jugendproduktionen bereits mehrfach ausgezeichnet worden — und „Frida mit dem Herzen in der Hand“ gewann 1991 die nordischen Filmtage in Lübeck.
Frida (Maria Kvalheim) lebt mit ihrer geschiedenen Mutter und ihrer älteren Schwester Kaisa in Oslo. Ein freches, aufmüpfiges, ständig quasselndes, manchmal affektiertes, altkluges Mädchen, das alle zum Wahnsinn bringen kann und irgendwie souverän ist. Denn Frida macht sich so ihre Gedanken. Über Papa, der in Amerika eine schwarze Frau heiraten will, über den Schriftsteller Karl, der nicht um seine Freundin kämpfen will — Frida philosophiert über die Liebe und das Leben.
Das erinnert an Salingers Fänger im Roggen und Lauzons enthusiastisch gefeierten Leolo. Und ist überhaupt nicht zu vergleichen, weil viel zurückhaltender, geradliniger und einfacher. Das Drehbuch von Frida lebt von ungeschmückten, in der Resonanz ganz trockenen Dialogen. Die Kamera fängt Alltagsszenen ein und zieht in den stillen, nachdenklichen Momenten den Blick in die Gesichter. Wobei sich in Fridas Zügen wunderbar lesen läßt.
„Ich liebe dich“, probt Frida vor dem Spiegel, „nein, ich träume immerzu von dir.“ Dream, dream, dream. Ganz anders als so mancher School-in-school-out-Streifen ist Frida ein sensibler, ein aufregend ruhiger Film.
Sanfte Gitarren- oder Synthesizerklänge begleiten durch die Landschaften Norwegens oder Oslos Straßen. Dieses Licht ist satt. Sind es die Teenies auch schon?
Frida ist witzig und könnte noch viel spritziger sein. Vielleicht bremst da ja Herr Erich Fromm, den Nachbar Kristian so prägnant H.C. Klamm nennt: „Klamm, wie in Gummistiefeln bei 40 Grad Wärme.“
Fromm an Frida: Kann man überhaupt etwas über die Ausübung einer Kunst lernen, außer indem man sie selbst ausübt? Frida rettet uns am Ende alle da hinein, neugierig, frisch und immer den Reizen nach: „Monogam sind die Schwäne, und flexibel sind dann wohl die Zugvögel.“ Silvia Plahl
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