Netzzensur in China: Der Vater der Great Firewall
Fang Bingxing ist verhasst in der chinesischen Netzgemeinde. Er ist verantwortlich für Internet-Zensur. Studenten begrüßten ihn nun mit Eiern und Schuhen.
PEKING taz | Kaum ein Landsmann ist in Chinas Internetgemeinde so verhasst wie der 50-jährige Fang Bingxing. Dem IT-Spezialisten flogen jetzt Eier und Schuhe entgegen, als er in Zentralchina zu Studenten der Computerwissenschaften sprechen wollte.
Der Grund für die in China äußerst ungewöhnliche Attacke auf einen Professor: Der Rektor der Pekinger Hochschule für Post und Telekommunikation ist auch Vater der "Großen Brandmauer", wie das lästige System von Blockaden und Zensurfiltern im chinesischen Internet genannt wird.
Als das Internet in China immer mehr Nutzer fand, ernannte die Regierung den Ingenieur im Jahr 2000 zum Chefkoordinator der Abteilung für Notfallreaktionen im Nationalen Computernetz. Schon 2001 ehrte ihn die Kommunistische Partei als "Fortschrittliche Persönlichkeit". Was Fang stolz macht: In China sind Facebook, YouTube, Wikileaks, Twitter und viele internationale Internetarchive und Blogs gesperrt.
"Fan Qiang" ("die Große Brandmauer überwinden") ist nur mit speziellen Programmen - "VPN"-Tunneln oder "Proxyservern" - möglich, die gewiefte Staatstechniker oft auch nach einiger Zeit blockieren. Er selbst habe sechs VPN auf seinem PC daheim, sagte Fang, "um herauszufinden, wer gewinnt: die Große Brandmauer oder die VPN".
Wie unbeliebt er sich machte, merkte Fang spätestens, als er auf sina.com einen Mikroblog begann: In kürzester Zeit bekam er tausende Beschimpfungen. Er betrachte "die schmutzige Hetze als Opfer, das ich für mein Land bringe", sagte er.
Als Fang am Mittwoch an der Universität Wuhan über "Internetsicherheit" sprach, flogen schließlich Eier und Schuhe. Ein Student gab sich später per Twitter unter dem Namen @hanunyi als Werfer zu erkennen. ER wird jetzt von vielen als Held gefeiert. Als Belohnung versprachen ihm Internetnutzer zum Beispiel einen Job, falls er von der Uni gefeuert würde, zehn VPN-Tunnel fürs Surfen außerhalb der Großen Brandmauer, eine Ferienreise oder gar heißen Sex.
Chinas Medien berichten über den Vorfall nicht, aber in Chinas Internet wird er heiß diskutiert. Immerhin: Noch hat der Vater der Großen Brandmauer das Suchwort "Fang Bingxing" nicht sperren lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken