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Netzwerk gegen BelästigungenFinger weg, sonst Hollaback

Frauen fühlen sich oft machtlos, wenn sie belästigt werden. Das, was ihnen danach einfällt, können sie jetzt auf ihollaback.org loswerden.

Zurückpöbeln – zumindest virtuell – können Frauen jetzt im Netz. Bild: mathias the dread / photocase.com

Und plötzlich stand er einfach mit dem Rücken an der Wand und meine Hand hatte sich um seine Kehle gelegt.

Ich weiß selbst nicht, wie das passiert ist. Ich war mit einer Freundin auf einem Stadtfest, sie war sehr betrunken und diskutierte mit irgendwelchen Jungs. Die Jungs lachten meine Freundin aus. Ich sagte: "Komm, wir gehen", dann fasste mir einer von ihnen an den Po. Ich muss mich umgedreht und ihm an die Kehle gefasst haben. Doch dieses Stück Handlung fehlt in meiner Erinnerung, es war ein Reflex.

Als er an der Wand vor mir stand, sagte ich noch: "Mach das nicht noch mal, oder du und ich haben ein Problem." Dann bin ich mit meiner Freundin weitergelaufen. Mit Herzklopfen.

Wir Frauen machen uns oft klein, ohne es zu merken. Wir verstecken das Dekolletee abends in der U-Bahn, gehen lieber einen Umweg als durch den Park. Die Angst läuft mit. Manchmal werden wir bedrängt, vor den Augen anderer. Wie Jamila, die mit einer Freundin in einem Berliner Club tanzte. Zwei Jungs beobachteten sie, musterten sie, sprachen sie an: "Ihr seid doch bestimmt aus Afrika, weil ihr so geil tanzen könnt." Jamila kommt nicht aus Afrika. Überhaupt wollte sie mit den Jungs nichts zu tun haben und gab das auch zu verstehen. Doch sie ließen nicht locker. "Dann seid ihr Latinas …" Nein, auch falsch. Die Jungs starrten weiter. "Ich war so wütend, ich wollte meine Wut ablassen", erzählt die 26-Jährige. Nur wie? Wie wehrt man sich gegen Blicke? Wie schafft man es, in Ruhe gelassen zu werden, ohne dass eine Situation eskaliert?

Zurückgebrüllt

Jamila ist ihre Wut losgeworden, im Internet. Dort hat sich ein Netzwerk gegründet, das sich gegen Belästigungen aller Art wehren will. Es heißt "Hollaback", was sich als "Brüll zurück" übersetzen lässt. Auf der Webseite ihollaback.org hat Jamila ihre Geschichte erzählt, und sie ist nicht alleine. Jeden Tag gibt es neue Einträge über nächtliche Pöbeleien und Verfolgungen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes geht von einer hohen Dunkelziffer bei sexueller Belästigung aus. Meistens ist es die mangelnde Beweislage, die Frauen einfach verstummen lässt. Hollaback verleiht ihnen eine Stimme.

Gegründet wurde das Blog, weil die Polizei nichts tat, damals, 2005. Thao Nguyen war mit der Bahn unterwegs, ein Mann, der ihr gegenüber saß, masturbierte. Thao fotografierte ihn und brachte das Foto zur Polizei. Nichts geschah. Sie lud das Foto auf Flickr hoch und es entwickelte ein Eigenleben: Man sprach darüber, über Exhibitionisten, Sprüche oder Berührungen, die kein Zufall waren. Auch Emily May sprach darüber und gründete mit Freunden in New York ein Blog. Daraus entstand Hollaback, Thao ist Vorstandsmitglied.

Mittlerweile ist Hollaback eine Webseite mit 24 Blogs in elf Ländern, 30 neue sollen noch im August starten. Viele der Frauen sind jung, sie erzählen unterschiedliche Geschichten, die im gleichen Gefühl enden: Scham oder Ekel. In Deutschland gibt es Blogs für Berlin und Dortmund, doch hier findet man auch Geschichten aus München.

In Amerika hat man längst weitergedacht: Dort hat Hollaback eine App für das iPhone. Damit kann man die Belästigung in mehrere Kategorien einordnen -verbal, Stalking oder tätlicher Angriff -, man kann den Vorfall schildern und direkt per Mail an Hollaback senden.

Neue Rufmord-App?

Der Clou ist, dass man auch ein Foto des Belästigers anhängen kann, nach dem Motto "Ich hab dich". Auf der Webseite kann durch Fotos von Menschengruppen, Cafészenerien und U-Bahn-Waggons geklickt werden. Manchmal weiß man nicht, wer der Täter war, weil zu viele Menschen zu sehen sind oder das Bild verwackelt ist. Emily findet das Foto trotzdem wichtig. "Oft ist das Handy die einzige Waffe der Frauen im öffentlichen Raum, um die Männer zur Verantwortung zu ziehen." Ein Foto gibt Sicherheit. Gern hätte ich diese Sicherheit gehabt, ein Foto von dem Typen hochgeladen, der mir damals an den Po gefasst hat. Ich hätte mich irgendwie erleichtert gefühlt.

Das Ganze ist in Deutschland nicht möglich. Fotos von Menschen ohne deren Einverständnis zu machen, verstößt gegen den Schutz der Privatsphäre. Dietmar Müller vom Büro des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, findet die Webseite Hollaback problematisch: "Sich über das Verhalten anderer im Internet zu beschweren, birgt große Risiken, denn ein Foto kann leicht missbraucht werden und zu einer Art Selbstjustiz führen. Unter Umständen setzt man sich auch zivilrechtlichen und strafrechtlichen Ansprüchen aus."

taz

Diesen und viele weitere interessante Artikel lesen Sie in der sonntaz vom 6./7. August 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an Ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per //www.taz.de/zeitung/abo/Wochenendabo/:Wochenendabo. Und für Fans und Freunde noch mehr sonntaz auf: facebook.com/sonntaz.

Welches Recht wiegt hier mehr: das am eigenen Bild oder das am eigenen Körper? Natürlich kann ein solches Blog missbraucht werden, die Handyfunktion zur Rufmord-App mutieren. "Fotos können manipuliert werden und sind keine tatkräftigen Beweise", meint auch Müller. Es sei Aufgabe der Ermittlungsbehörden, strafbaren Handlungen nachzugehen. Anstatt ein Bild online zu stellen, solle man bei der Polizei Anzeige erstatten - sofern man weiß, wer auf dem Bild zu sehen sei. Bloß: Was erzählt man der Polizei? "Er hat gegafft"?

Anzeige kann nur erstattet werden, wenn eine strafbare Handlung vorliegt. Beleidigung, sexuelle Nötigung oder Nachstellung. Damit es dazu gar nicht erst kommt, haben Julia Brilling und Claudia Johann, Aktivistinnen mit einem Abschluss in Gender Studies, Hollaback Berlin gestartet. Julia findet: "Unsere Körper sind keine Ware, wir wollen nicht konsumiert werden."

Es geht um die Angst, die einem die Kehle zuschnürt. Gewalt ist nicht nur, was man sieht, Gewalt ist, was man spürt. Die Blicke auf der Brust, den Angstschweiß im Nacken. Das Herzklopfen, wenn man sich wehrt.

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28 Kommentare

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  • M
    maxen

    Zusätzlich zwei Beispiele "Frau gegen Mann". Wie Betroffene versuchen, öffentlich auf spezifische Macht- und Gewaltausübung von Frauen in (männlich) hierarchischen Strukturen aufmerksam zu machen.

     

    Über die Dominanz von Frauen in Kindheit und Jugend hinaus, bestimmen sehr oft Frauen in den JobCentern über Wohl und Wehe von erwerbslosen Männern. Welches Verhältnis zu Frau ist wohl von jungen Männern, bezogen auf von Frauen ausgeübter, bis hin zu Existenz bedrohender (Sanktionen) struktureller Gewalt zu erwarten[0]?

     

    Die 'Chefs' von vielen Frauen in Ämtern und Behörden wiederum, sind meist Männer. Deutlich ersichtlich, als Frau Merkel am Mittwoch bei der Rede zum 60 jährigen Jubiläum des BKA, den Anteil von Frauen im BKA mit 37% lobte, woraufhin die Kamera (phoenix) ins Publikum schwenkte und nicht eine Frau zu sehen war.

     

    Dass spezifische Gewalt ausübende Frauen, in männlichen Strukturen Karriere machen, scheint schon länger klar und deutlich erkennbar: Die Männer in der CDU können ebenso ein Lied davon singen, wie die den Verhandlungen zu Frau von der Leyens Kinderporno-Stoppschild-Verhüllung bei wohnenden Männer von BKA, Provider und unabhängige Technische Berater (vgl. [1] ab "Ein drittes Problem..")

     

    [0] http://maxen.de/blogs

    [1]http://www.danisch.de/blog/2011/06/21/wie-die-deutsche-internet-kinderpornosperre-zustande-kam-und-zugrunde-ging/

  • M
    maxen

    Zusätzlich zu männlicher Gewalt gegen Frauen .. fällt mir zunehmend unangenehm die Machtausübung von Frauen über Männer auf. Das Eine macht das Andere nicht besser oder schlechter. Schlechtes mit Schlechtem oder Böses mit Bösem vergleichen, ist ja selten gut, oder lieb'. Deshalb zusätzlich ..

     

    Über die Dominanz von Frauen in Kindheit und Jugend hinaus, bestimmen sehr oft Frauen in den JobCentern über Wohl und Wehe von erwerbslosen Männern. Welches Verhältnis zu Frau (oder Autoritäten) ist wohl von jungen Männern, bezogen auf von Frauen ausgeübter, bis hin zu Existenz bedrohender (Sanktionen) struktureller Gewalt zu erwarten[0]?

     

    Die 'Chefs' von vielen Frauen in Ämtern und Behörden wiederum, sind meist Männer. Deutlich ersichtlich, als Frau Merkel am Mittwoch bei der Rede zum 60 jährigen Jubiläum des BKA, den Anteil von Frauen im BKA mit 37% lobte, woraufhin die Kamera (phoenix) ins Publikum schwenkte und nicht eine Frau zu sehen war.

     

    Dass spezifische Gewalt ausübende Frauen, in männlichen Strukturen Karriere machen, scheint schon länger klar und deutlich erkennbar: Die Männer in der CDU können ebenso ein Lied davon singen, wie die den Verhandlungen zu Frau von der Leyens Kinderporno-Stoppschild-Verhüllung bei wohnenden Männer von BKA, Provider und unabhängige Technische Berater (vgl. [1] ab "Ein drittes Problem..")

     

    [0] http://maxen.de/blogs

    [1] http://www.danisch.de/blog/2011/06/21/wie-die-deutsche-internet-kinderpornosperre-zustande-kam-und-zugrunde-ging/

  • H
    Hokuspokus

    @ Rambazamba

     

    "generell, hat einer der männlichen poster hier schon einmal etwas von respekt vom gegenüber gehört? behandle jeden wie du behandelt werden möchtest..."

     

    Also sollen die Männer auch einen Onlinepranger ins Netz stellen, wo wir Frauen, die in der U-Bahn Zeitschriften durchblättern mit Abbildungen von Männern, die zwar angezogen sind, aber eigentlich nackt sein sollten, outen. Erst recht wenn die Frauen dabei widerlich grinsen und ungewaschene Haare haben.

  • H
    hollablabla
    "Fahre gestern mit dem Rad Kerl im Anzug Rathaus Schöneberg sagt laut und deutlich zu mir:"Wow! Sexy Lady" EKELHAFT. ARGH. #streetharassment"

     

    das ist ja geradezu ENTSETZLICH!!!!111111 VERKLAGEN!!!!!111

     

    und da brauchts jetzt eine webseite, damit die frauen drauf kommen, da mal auf anmachen zu antworten??? haben die bis dato auf dem mond gelebt, oder warum kommen die da nicht von allein drauf?

     

    und dann "#streetharassment", fällt den deutschen feministinnen nicht einmal ein eigenes wort und ein eigenes thema ein???

  • N
    Nadine

    Was bei "Hollaback" auch als Belästigung gilt:

     

    "Fahre gestern mit dem Rad Kerl im Anzug Rathaus Schöneberg sagt laut und deutlich zu mir:"Wow! Sexy Lady" EKELHAFT. ARGH. #streetharassment"

    http://twitter.com/#!/hollabackBLN/status/99502732477595648

     

    "Als ich an der S-Bahn Neukölln neulich ausstieg, sagte ein widerlicher Typ, der mich schon in der Bahn wie ein Stück Fleisch angeglotzt hat zu mir “Schöne Frau”."

    http://berlin.ihollaback.org/2011/07/21/am-sbahnhof-neukolln/

     

    "Sofort als der Typ merkte, dass ich ihn sah, hielt er ein aufgeschlagenens Heft in meine Richtung und grinste überheblich. auf die Ferne konnte ich sitzende und liegende Frauen erkennen die (aber) angezogen waren (oder vielleicht waren es auch nackte Frauen deren Körper, mit farbigen Stücken zugeklebt waren). ich hatte sofort das Gefühl, es sollen eigentlich nackte Frauen sein und der Typ macht das (probiert das) zum ersten mal und beim nächsten mal werden es nackte sein. [...] Der Typ war ca. um die 30 [...] sah ziemlich danach aus, als könnte es eine harte Begegnung mit einer schnellen Faust vertragen."

    http://berlin.ihollaback.org/2011/07/14/manchmal-reichen-blicke/

  • S
    Steve

    Noch was für Männer:

     

    Wenn ihr eine Frau schnell und gründlich kennenlernen wollt, macht ihr einfach mal die Opferrolle streitig. Aber Vorsicht, das kann sehr explosiv werden.

  • SE
    Strange Ed

    Mit Sicherheit ist es wichtig, dass Opfer von Belästigungen (was nicht nur Frauen sein müssen) ihren Gefühlen Luft machen können. Es ist auch wichtig, dass entsprechende Täter (was nicht nur Männer sein müssen)dafürzur rechenschaft gezogen werden und nicht der Meinung sein dürfen, sie dürften so handeln...es tut ja eh niemand was dagegen.

    Allerdings kann es nicht sein, dass aufgrund völlig subjektiver emotionaler Zustände gleich ein Verbrechen konstatiert wird und vielleicht ein Rufmord vollzogen wird. Ich habe es bereits erlebt, vor gut einem Jahr bei den Uni-Besetzungen, dass sich eine Person belästigt fühlte und wollte, dass eine andere ausgeschlossen wird. Diese andere PPerson wusste nichts davon und konnte nicht Stellung beziehen für eine Tat, derer sie sich nicht mal bewusst war, wie sich später heraustellte. Es ging im Endeffekt um eine begrüßende Umarmung einer unbekannten Person, die alles andere als böse oder belästigend zu werten war.

    Und was ist mit dem Grundsatz, jeder sei Unschuldig, bis seine schuld bewiesen ist...

    dieses Portal bietet dafür bestimmt keine Möglichkeit.

    Eine Alternative wüsste ich allerdings auch nicht, außer vielleicht keine Täter azugeben, aber dann wäre der Sinn irgendwie weg...

  • A
    Anja

    Als Betroffene kann ich gut nachvollziehen, wie sich die jungen Frauen fühlen. Es ist einfach widerlich, wenn mir Männer keinen Respekt entgegenbringen und sich dafür noch nicht einmal schämen. Motto: Sie ist doch selber Schuld...

    Ich selbst habe schon seit einigen Jahren einen Vorgesetzten, der es immer wieder versucht. Das hat mich krank gemacht (Depression). Inzwischen habe ich mir ein Netzwerk im Büro geschaffen und vermeide es, mit dem Mann allein im Raum zu sein. Zum Glück sind die wenigsten Männer so widerlich.

  • A
    Anita

    Weil ein Mann einen ankuckt, ist er gleich ein sexueller Belaestiger... Solche Frauen erwarten aber auch, dass der Kerl den ersten Schritt macht. Und wo zieht man die Grenze? Wenn der Kerl einem attraktiv erscheint, ist es romantisch, wenn nicht, ist es sexuelle Belaestigung.

     

    Natuerlich darf keiner grabschen, aber wenn ich mich gut anziehe tu ich das doch, um anderen zu gefallen. Und wenn ich jemand anderem gefalle, kuckt der dann halt auch gern mal rueber.

    Und wenn jemand mich anfasst - man kann sehr laut und deutlich sagen (so, dass es auch garantiert alle Umstehenden mitkriegen), was der Kerl gemacht hat und dass man das nicht moechte. Das ist so peinlich fuer den Kerl, der trollt sich schneller als man "Arsch" sagen kann...

  • AH
    angst haben alle!

    wichtiger und richtiger als willkürlich männer an den öffentlichen pranger zu stellen, finde ich die erziehung von mädchen zu mehr selbstbewußtsein und wehrhaftigkeit.

     

    auch ich bin schon von wildfremden typen im öffentlichen raum zweimal richtig derb tätlich angegriffen/angegrapscht worden - ich habe mich beide male gewehrt. im leichteren fall mit kräftigem wegschubsen des täters, der völlig verdattert daraufhin abdampfte. und nachdem ein mann in den besten jahren, mir - damals anfang 20 - im vorbeigehen mit beiden händen an die brust langte - erst war ich wie gelähmt, dann wütend, machte auf dem absatz kehrt und knallte dem kerl von hinten meinen schweren rucksack auf den kopf. er ging in die knie, drehte sich um und machte anstalten sich auf mich zu stürzen, sein männlicher begleiter zog ihn aber weg - mein glück!

     

    bei einem früheren vergewaltigungsversuch konnte ich mich loßreißen und wegrennen, ungezählt die verbalen anmachen usw. - dennoch bin ich der meinung: die gefahr, dass wahllos männer öffentlich bloß gestellt werden, die opfer einer intrige, persönlichen rachegeschichte usw. sind, ist gegenüber dem nutzen von hollaback unverhältnismäßig groß.

     

    im übrigen kenne ich auch männer, die angst haben nächtens eine parkanlage zu durchstreifen oder spät mit der u-bahn zu fahren. und mein lieber ex-gatte bspw. wurde in jungen jahren mehrfach von anderen männern belästigt (hintern grapschen, anstarren), auch mal von einer vorgesetzten gemobbt, weil er nicht auf ihre avancen (zweideutige bemerkungen, körperliche annäherungen) eingehen wollte - er hat's still ertragen müssen.

     

    jedenfalls halte ich es für grundlegend falsch, mädchen zu unbedingter gewaltlosigkeit in anlehnung an mütterliche tugenden zu erziehen. wenn mädchen und junge frauen ihren aggressionen heutzutage ungehemmter ausdruck verleihen als noch vor 20 jahren, sollten wir zuerst die botschaft darin aufnehmen, bevor wir uns um ihre (re-)"domestizierung" bemühen. es geht um respekt. wenn man sich aktuell die lasche rechtsprechung zu "ehrenmord"-prozessen vor augen hält, sagt das hinlängliches über die gesellschaftliche wertschätzung von frauen(-leben) aus (das angebliche "kultursensible verständnis" der gerichte halte ich für eine falsche/zu oberflächliche interpretation der urteilsbegründungen).

     

    ebenfalls eine deutliche sprache spricht die reduzierung der frau auf ein sexuell allzeit verfügbares objekt der begierde in ihrer exponiertheit in werbung und dem gesamten spektrum des entertainments. leider wird was das angeht, verharmlost, rationalisiert und intellektualisiert bis zum geht-nicht-mehr. am liebsten noch mit verkürzten darlegungen (kunst-)historischer bezüge zu pornografischen darstellungen - als seien jene immer für jedeN überall zugänglich gewesen, als hätten sie nicht von jeher auch geltende machtverhältnisse abgebildet.

     

    genau hier liegt die wurzel allen übels: welches bild haben wir von "der frau", "dem mädchen", "dem mann" und warum?

  • K
    Kommutator

    Ich gehe heute abend in eine Disco und starre Frauen mal einfach demonstrativ auf die Brüste. Wetten, dass mindestens ein Drittel positiv angetan ist, wenn auch nur, weil sie betrunken sind.

  • K
    Kommutator

    Gerade sind zwei MÄNNER in meinem Bekanntenkreis krankenhausreif geprügelt worden. Bei einem gab es keinen Grund beim zweiten war der Grund die Freundin eines Dritten, die sich an meinen Bekannten in der Disco rangeschmissen hat um ihren Freund eifersüchtig zu machen. Hat so gut geklappt, dass dieser Dritte seine Freunde gerufen hat und sie dann auf ihn eingeprügelt haben.

    Rein statistisch gesehen sind MÄNNER deutlich häufiger Opfer von Gewalt. Aber wie auch in diesem Beitrag werden Männer heutzutage zu Tätern und Frauen zu Opfern stilisiert.

  • M
    Maja

    Ja, das Hochladen von Fotos kann sehr problematisch sein! Was vielen Männern aber oft nicht klar ist: Die meisten Frauen legen das halbe Leben danach aus, nicht belsätigt zu werden - der Gang durch den nahen Park nur zu bestimmten Tageszeiten, das Verdecken von Ausschnitten abends in der U-Bahn, das ständige Herzklopfen beim abendlichen Gang durch Bahnhöfe, Taxifahren, weil man an einem bestimmten Platz nicht allein vorbei kann. Ich wurde in den letzten 10 Jahren: Angegrapscht, angespuckt (bei höflicher Ablehnung einer Anmache auf der Straße), mit sexistischen Wörtern angemacht oder aus fahrenden Autos angeschrien. Fürs Protokoll: Ich bin immer "bedeckt" gekleidet - gerade weil ich nicht noch mehr solcher Situationen erleben will. Letzte Situation: In einem Bistro grapschte mir der Kellner vehement an die Brust beim Abstellen des Tellers. Warum ich nicht geschrien habe? Weil es in Frankreich war - der Schock hat mir buchstäblich die Kehle zugeschnürt, also bin ich dann einfach gegangen. Keiner sagt, dass die Site nicht auch Probleme birgt. Aber: Nennt mir mal eine gute Alternative, um sich gegen den alltäglichen Sexismus 1. zu wehren und 2. dagegen breit Front zu machen, damit klar ist, dass Frauen so eingeschränkt eigentlich nicht leben möchten.

  • M
    Milan

    @ "@Milan"

    Wie wäre es mit einem Namen oder einem Pseudonym sodass man vernünftig diskutieren kann.

     

    Ich bestreite nicht das viele Frauen belästigt werden und das ein Minirock oder das Jemand besoffen ist, keine ausrede darstellen dürfen!

     

    Aber, man muss das ganze mit Augenmaß betrachten.

    Wer sich z.B. außergewöhnlich, aufreizend oder sexy anzieht muss damit rechnen angeschaut zu werden. Diese Blicke sind teilweise erwünscht und teilweise eben nicht. Aber sie sind erstmal völlig in Ordnung. Die Grenze ist schwierig zu ziehen aber es gibt sie. Sie darf aber nicht beim subjektiven Gefühl liegen sondern muss definierbar sein. Verschiedene Gesetze die in diese Richtung gehen bzw die sich anwenden lassen gibt es schon z.B. Stalking, Sexuelle Belästigung, usw

    Zudem kann man auch noch Hilfe bekommen über die Gesellschaft indem das verhalten nicht tolleriert wird, über die Polizei die einen Platzverweis erteilt oder über den Gastgeber/Wirt der jemanden rausschmeisst oder ggf ein Hausverbot erteilt.

     

     

    Das Problem ist das häufig die Grenzen verwischt werden sodass z.B. Peter fragt:

    "Eine gute Sache! Eigentlich.

    Aber wann landet wohl ein Foto von mir auf einer Website weil ich komisch geguckt habe?"

  • P
    Pascal

    Ich wusste gar nicht, dass die taz für Selbstjustiz und online-Pranger eintritt. Wo der Rechtsstaat eineN im Stich lässt, muss man/frau halt selber ran.

     

    Die Anprangerung und identifizierbare Veröffentlichung von Menschen wird gerechtfertigt durch "das Gefühl der Angst", verbunden mit der "Definitionsmacht der betroffenen Frauen". Das kann es aber nicht sein. Natürlich ist es blöd, von Betrunkenen dumm angemacht zu werden. Anfassen und nötigen geht gar nicht. Da darf, soll, und muss man sich wehren. Ein internetpranger ist aber der falsche Weg. Egal ib es nun gegen "Kinderschänder" geht, aufdringliche Männer oder linke/rechte AktivistInnen

  • B
    Bürgerle

    Nachtrag: Wie wäre es eigentlich als Antwort darauf eine Kartei für Frauen anzulegen, die Männern schöne Augen machen um sich danach verhalten und versorgen zu lassen? Oder die auch mal einen Posten erschlafen und danach nichts mehr mit dem ausgenutzen Kerl zu tun haben wollen?

     

    Ich hätte sogar die passende Domain für diese Kartei.

     

    Der TAZ dürfts besonders gut gefallen:

     

    SCHLAMPEDIA.de

     

    PS: Gruß an Euren Deniz. ;)

  • R
    rambazamba

    generell, hat einer der männlichen poster hier schon einmal etwas von respekt vom gegenüber gehört? behandle jeden wie du behandelt werden möchtest...

  • R
    rambazamba

    "und wenn die männer betrunken sind, dann können die ja nix dafür, wenn sie dann solche frauen verbal angreifen oder sogar anfassen. "

     

    ich habe selten so einen schwachsinn wie diesen vernommen. jeder hat die möglichkeit seine taten zu reflektieren. wenn du nicht herr deiner triebe bist solltest du schleunigst über einiges nachdenken!

    du solltest in ein zuchthaus.

    du bist sicher auch ein solcher, wenn er von einem schwulen angegrapscht wird, direkt gewaltätig wird.

     

    wo sind wir hier? denkt überhaupt irgend wer nach bevor er etwas tut?

     

    selbst unter alkohol, wenn man sich seiner selbst bewusst ist, muss man nicht zwangsläufig seinen trieben ausgesetzt sein. denkt doch mal nach menschenskinder!

  • B
    Bürgerle

    Manche Frauen fühlen sich auch schon belästigt, wenn man ihnen in einem Social Network einfach "Hallo" sagt.

     

    Und da wundern sich die Damen, wenn sich gescheite Kerle nimmer für sie interessieren. Oder das Paar zu wenig Kinder zeugen.

    Welcher denkende Mann wird schon noch zu Frauen Kontakt aufnehmen, wenn jedes halbwegs zweideutig auslegbare Wort eine öffentliche Anprangerung nach sich ziehen könnte?

     

     

    Weiter so liebe Frauenwelt. Da bleibt man(n) lieber single. ;)

  • M
    Milan

    @alcibiades

    Der Text ist nicht als Meinung gekennzeichnet und enthält etliche sachliche geschriebene Abschnitte.

    Demnach muss man von einem Artikel und nicht von einem Kommentar ausgehen.

    Zu einem Artikel passen aber nicht die vielen rhetorischen Fragen und die Schreibweise des Textes.

     

    Ich bin selber kein Journalist aber alles was ich bisher sowohl im Journalismus-unterricht, bei Seminaren an Unis (beides in den USA) oder sonstwie gelernt habe geht in eine andere Richtung.

     

    Dein "Fail" kannst du dir übrigens aufheben für den Failblog oder /b/.

  • M
    @Milan

    genau, ich finde auch, wenn sich frauen "schick und aufreizend anziehen" sollten sie sich auch nicht wundern und richtig angst vor männern haben. sind ja selber schuld! vor allem, weil auch nur frauen mit minirock und großzügigem decoltée belästigt werden.

     

    und wenn die männer betrunken sind, dann können die ja nix dafür, wenn sie dann solche frauen verbal angreifen oder sogar anfassen.

     

    danke für diesen bullshit!

  • E
    E.A.

    Das ist wohl die stille Islamisierung... oder ist man in Europa mit der Emazipation auch noch im tiefsten Mittelalter?

  • R
    rambazamba

    ich als mann schäme mich zunehmend für meine gattung. ist es subjektive wahrnehmung und verwahrlost unsere gesellschaft zunehmend? ich habe auch schon so einige geschichten gehört was das angeht und mein herz rast vor wut und unverständnis.

     

    die triebhaftigkeit unserer gesellschaft in verbindung mit bedingungslosem konsum ist einfach nicht mehr tragbar. kein wunder wenn irgendwann ein anderes extrem entstehen sollte (dass bereits ein freundlicher blick fehlinterpretiert werden könnte).

     

    ich sehe mich zunehmenst in der pflicht mich als mann in der u-bahn bspw. zu verkriechen, dass ja kein blick irgend jemanden kreuzt.

     

    und bez. Milan: "betrunkene, aufdringliche Männer mit in der U-Bahn masturbierenden Exhibitionisten in einen Topf geworfen."

    ist es nicht irrelevant und beides ein extrem was einfach nicht sittlich ist und angehen kann???

  • A
    alcibiades

    @milan: Welche journalistischen Qualitätskriterien meinst du denn? Du weisst doch selber nicht den Unterschied zwischen Kommentar und Berichterstattung.

    *fail*

  • M
    Milan

    Hier werden in einem Kommentar, der als Artikel getarnt daherkommt, (für einen Artikel müsste er journalistischen Kriterien genügen) betrunkene, aufdringliche Männer mit in der U-Bahn masturbierenden Exhibitionisten in einen Topf geworfen.

     

    Dazu wird Selbstjustiz indirekt gut geheißen und Frauen die sich schick und aufreizend anziehen beschweren sich über Blicke. Diese Blicke werden zur Krönung anschließend noch zusammen mit subjektiven Sachen zu Gewalt erklärt.

  • P
    peter

    Eine gute Sache! Eigentlich.

    Aber wann landet wohl ein Foto von mir auf einer Website weil ich komisch geguckt habe?

  • O
    Ohsostreetyo

    Interessanter Artikel!

     

    Eins nur, der Korrektheit halber: "holla back" stammt ursprünglich aus der afro-amerikanischen Ghetto-Szene und bedeutet keinesfalls "brüll zurück". Unter Freunden wird es vielmehr als Synonym für "meld dich bei mir" verwendet.

    Oft benutzen es Männer allerdings auch in Zusammenhang mit einer Anmache, entsprechend ist es dann für die Frau als Aufforderung zur Reaktion zu verstehen.

  • K
    knallfrosch

    zurückbrüllen! das ist ja mal ganz was neues.

     

    (fürs protokoll: in den 80ern haben wir uns ganz ohne internet gegen belästigungen gewehrt. und uns musste auch niemand den tipp geben zurückzubrüllen. da sind wir ganz allein drauf gekommen.)