Netzkampagne des US-Präsidenten: "Barack Ospama"
Nach einer misslungenen PR-Kampagne verliert Obama 33.000 Follower auf Twitter. Es konnten wohl nicht alle Mittel im Schuldenstreit eingesetzt werden.
BERLIN taz | Am 4. Juli verkündete der Twitter-Account von Fox-News die Ermordung Barack Obamas. Der Präsident sei von zwei Schüssen – in Becken und Hals – getroffen worden und daraufhin verblutet. Eine Falschmeldung, die Hacker anlässlich des US-Nationalfeiertags verbreitet hatten. Bevor der Nachrichtensender seinen Twitter-Account wieder in den Griff bekam, hatten tausende Follower die Nachricht weitergeleitet.
Wiederum auf Twitter begeht Obama jetzt Selbstmord: Selbstmord 2.0. Nach einer misslungenen Kommunikationskampagne hat er innerhalb von 24 Stunden 33.243 Follower verloren.
Es geschah am Freitag. Nur vier Tage waren es noch bis zur Deadline, bei der die Vereinigten Staaten zahlungsunfähig geworden wären. Dringend musste ein Schulden-Kompromiss mit der Opposition gefunden werden. Die Verhandlungen zwischen Demokraten und Republikanern hatten sich festgefahren. Dann fiel einem Kommunikationsspezialisten des Präsidenten die Lösung ein: Druck auf den republikanischen Abgeordneten ausüben – per Twitter.
"The time for putting party first is over. If you want to see a bipartisan #compromise, let Congress know. Call. Email. Tweet. —BO" (etwa "Jetzt ist nicht mehr die Zeit für parteiische Ausseinandersetzungen. Wenn Sie einen Kompromiss der beiden Parteien wollen, lassen Sie es den Kongress wissen. Rufen Sie an. Mailen Sie. Twittern Sie.") lautete die Nachricht, die mit dem Kürzel "BO" als eine persönlich vom Präsidenten geschriebene Nachricht gekennzeichnet war.
Dann startete eine tagelange Aktion: Sein Kommunikationsteam veröffentlichte nach und nach die Twitter-Kontakte der republikanischen Kongressmitglieder, von Alaska bis zu Wisconsin, mit der Anweisung, die Bürger sollten direkt mit den Repräsentanten Kontakt aufnehmen, um einen Kompromiss zu finden. Einen Kompromiss, der mehr der demokratischen Vorstellung entsprechen würde.
Causa #compromise
Nach Angaben des Social-Media-Unternehmens NM Incite wurde am Freitag um 17 Uhr der Hashtag #compromise schon mehr als 22.000 Mal benutzt. Vermutlich freut sich trotzdem niemand im Weißen Haus über das globale Ergebnis der Kampagne. Denn nach den ersten Abgeordneten-Tweets begann der Follower-Schwund. Das Nachrichtportal mediaite.com hatte als erstes bemerkt, dass die Anwender anscheinend die 116 Tweets als unerwünschte Nachricht empfunden haben – mit Folgen. So entstand sogar ein neuer Spitzname im Netz: "Barack Ospama".
33.000 von insgesamt 9,4 Millionen Followern sind zwar nicht die Welt, aber es war das erste Mal, dass die Zahl von Obamas Anhängern - zumindest innerhalb der letzten sechs Monate - rückläufig war. Und es steht fest, dass die Aktion dem Kompromiss nicht geholfen hat. Denn zwei Tage später scheiterte der vom Präsidenten gegen die Opposition so vehement verteidigte Kompromissentwurf.
Im Jahr 2008 wurde Barack Obama auch dank seiner gelungenen Wahlkampagne in den sozialen Netzwerken zum Staatspräsidenten. Von da an benutzte er immer wieder die neuen Medien, um Wähler direkt anzusprechen. Noch im Juli diesen Jahres war er das erste Staatsoberhaupt gewesen, das je mit Bürgern live getwittert hat – damals sprach er schon von der Notwendigkeit, die Schuldengrenze anzuheben. Mit solchen Aktionen (auch im April auf Facebook und im Januar über Youtube) bereitet er seine Wahlkampagne für 2012 vor. Bis zur Causa #compromise wurde die Webstrategie eher positiv aufgenommen.
Seinen Fauxpas hat das Team von Obama am Freitag schnell eingesehen. "Thanks […] for sticking with us amid our tweeting today. We're done now, we swear" ("Danke, dass Sie bei uns geblieben sind. Wir sind jetzt fertig, wir schwören es Ihnen"), posteten die Kommunikationstalente nach dem Nachrichten-Desaster. We hope so.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist