Netzdebatte über Flugverbotszone: "Menschenrechte - das wäre ein Motiv"
Flugverbotszone ja oder nein? Vorsichtig bilden sich politische Blogs in Deutschland eine Meinung. Eines findet überall Ablehnung: das Lavieren der Regierung.
Traditionell ist die deutsche Blogosphäre nicht sehr außenpolitikinteressiert: Die reichweitenstarken Seiten interessieren sich für Westeuropa oder die USA, wenn überhaupt. Es ist deswegen auch nicht sehr verwunderlich, dass die Meinungen zur deutschen Regierungsposition hinsichtlich Libyen zwischen "ja, aber hm" und "nein, aber verdammter Mist" schwanken. Klare, eindeutige Worte findet man kaum in der sonst so meinungsfreudigen Blogosphäre.
Und das, obwohl der Konflikt um und in Libyen derzeit wie kein zweites arabisches Land die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Doch auch Hunderte Tweets zum Konflikt können die Blogger nicht dazu verlocken, eine eindeutige Haltung einzunehmen.
Er tue sich "wahrhaftig nicht leicht", schreibt Stefan Sasse stellvertretend für die meisten Blogger. Das scheint daran zu liegen, dass sich die ideologischen Lager hier viel deutlicher niederschlagen als in den Kommentarspalten großer Angebote. Die meisten Blogger hängen sehr an ihren Lesern und wollen sie nicht ohne weiteres vor den Kopf stoßen. Im Fall der Debatte um die Luftschläge gegen Libyen ist die eigene Verunsicherung groß: Plötzlich sind viele Linksliberale für einen Krieg aus humanitären Beweggründen.
Gleichzeitig müssen die Konservativen mit ansehen, wie ihre Meinungsmacher die Transatlantikachse sprengen wollen. Selbst die Rechtsausleger von "Politically Incorrect" sind derart hilflos, dass sie Joschka Fischers Abgesang auf die deutsche Außenpolitik zitieren, ohne Wertung, ohne Beleidigung, ohne Seitenhieb. Ein einmaliges Ereignis. Während sich in Libyen Fronten auftun, stimmen jene in Deutschland nicht mehr.
Frédéric Valin hat selbst vor einigen Tagen über den Versuch der Bundesregierung, ohne Position Haltung zu bewahren, geklagt.
"Gute Rebellen – böser Diktator"?
Dennoch gibt es Blogger, die klar ihr Position vertreten. Die wenigen Gegner einer Intervention verweisen mit viel Sarkasmus auf die Errungenschaften Gaddafis, und Jens Berger fragt sich auf den Nachdenkseiten, ob das Schwarz-Weiß-Bild "Gute Rebellen – böser Diktator" nicht an sich schon bellizistisch ist. Ulrich Ladurner fragt nach den konkreten Konsequenzen in Libyen und prognostiziert: "Wenn Kampfflugzeuge es allein nicht schaffen, dann müssen es eben Infanteristen tun. Libyen könnte so zu einem neuen Afghanistan werden."
Befürworter der Flugverbotszone halten dagegen. Die entscheidende Frage sei doch, da man ein Gemetzel verhindern wolle, wie das zu bewerkstelligen sei. Er wisse nicht viel von der libyschen Bewegung, schreibt Sasse, aber genug von Gaddafi, um eine Intervention zwar nicht zu begrüßen, aber doch: "Wenn es gelingt, Menschen dadurch zu retten, und die Chance sehe ich, dann ist das gut." Und Roberto J. De Lapuente springt ihm bei: "Wann, wenn nicht jetzt? Die Wahrung von Menschenrechten - das wäre doch ein Motiv!".
In einem ist man sich allerdings bei aller Skepsis einig: Die Regierung hat mit ihrer zögerlichen Haltung alles falsch gemacht. "Westerwelle hat uns aus der 'westlichen Wertegemeinschaft' verabschiedet", schreibt Chat Atkins, und Frank Lübberding beklagt das Begräbnis "unserer Staatsräson". Es bleibt dann Wolfgang Lieb vorbehalten, die "groteskten Widersprüche auf allen nur denkbaren Argumentationsebenen" auseinanderzunehmen.
Vielleicht gerade weil sich viele Diskutanten derart schwer zu einer eigenen Position durchringen konnten, fällt das Urteil gegenüber der Politik so vernichtend aus. Am Ende bleibt der Versuch Merkels und Westerwelles, sich nicht zu angreifbar zu machen, der einzige Punkt, auf den sich die verbalen Angriffe zentrieren. Und so dreht sich die Diskussion über Libyen in Deutschland letzlich doch wieder: um Deutschland.
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