Netz-Sabotage in Israel: Staatliche Internetseiten abgestürzt
Seit Sonntag sind mehrere Behörden online nicht erreichbar. Offiziell ist von einer technischen Panne die Rede, wahrscheinlicher ist jedoch ein Angriff von "Anonymous".
JERUSALEM taz | In Israel herrscht Rätselraten über den Absturz Dutzender staatlicher Internetseiten. Auch noch am Montag Nachmittag blieb der virtuelle Zugang zur Israelischen Verteidigungsarmee gesperrt. Der inländische Nachrichtendienst Shin Beth und sogar der berüchtigte Mossad gehörten zu den Opfern einer "technischen Panne", lautete die offizielle Erklärung.
Wahrscheinlicher ist, dass die Internetseiten gezielt angegriffen wurden. Kurz vor dem Absturz der Computer hatte das internationale Hackernetzwerk "Anonymous" den Sabotageakt angekündigt. Grund für den Unmut der jungen Hacker war der Einsatz der israelischen Marine, die am vergangenen Freitag vor der Küste Gazas zwei Schiffe abfing und die 27 pro-palästinensischen Aktivisten an Bord verhaftete.
Die Attacke auf die staatlichen Internetseiten würde sowohl inhaltlich als auch von der Methode her zu "Anonymous" passen. In der Vergangenheit hatte das Hackernetzwerk aus Solidarität mit "WikiLeaks" die Internetseiten der Regierungen von Simbabwe und Tunesien im Visier, wo rechtliche Maßnahmen gegen den internationalen Whistleblower erwogen wurden.
Auch offizielle iranische Webseiten waren temporär lahmgelegt worden, um, wie es hieß, das Regime in Teheran für die von ihm begangenen Menschenrechtsverletzungen zu bestrafen.
"Wir sind mächtig, wir sind überall"
Die schwulenfeindliche Gemeinde Westboro bekam den langen Arm von "Anonymous" ebenso zu spüren wie einige deutsprachige rechtsextreme und antisemitische Webseiten. Im Rahmen einer jüngeren Aktion gegen Kinderpornografie veröffentlichte "Anonymous" Daten von pädophilen Nutzern.
Mit über "Youtube" verbreiteten kurzen Videos hatte sich "Anonymous" in der Vergangenheit wiederholt gegen die israelische Besatzungspolitik zu Wort gemeldet, jüngst auch gegen den "Siedlungsbau im Gazastreifen". In dem Text geht es um die palästinensische Hoffnung auf einen eigenen Staat und um die Gefahr eines neuen Nahostkrieges, der von einem "israelischen Angriff auf Iran" ausgehen könnte. "Wir sind mächtig, wir sind überall, wir sind Anonymous", heißt es am Ende des Kurzfilms, der nur das Emblem der Hacker zeigt: einen Mann im Anzug und ohne Kopf.
Die Aktion der israelischen Marinesoldaten, die die beiden aus der Türkei kommenden Schiffe kaperten, sei, so "Anonymous", ein Akt der "Piraterie auf hoher See", eine "Verletzung der Menschenrechte und der Demokratie". Sollte Israel auch künftig Schiffe abfangen, die mit Hilfsgütern unterwegs nach Gaza seien, gäbe es "keine andere Wahl, als erneut zuzuschlagen", heißt es in einer You-Tube-Botschaft.
Die Regierung in Jerusalem verhängte die Seeblockade aus Sorge vor möglichem Waffenschmuggel in den Gazastreifen. Bei einem blutigen Zusammenstoß zwischen pro-palästinensischen Aktivisten und Marinesoldaten waren im Sommer 2010 neun türkische Staatsbürger getötet worden. Auf internationalen Druck lockerte Israel später die Einfuhrbegrenzungen für den Gazastreifen.
"Gesichtsverlust" Israels
Ganz egal, ob die israelischen Internetseiten infolge einer technischen Panne lahmgelegt wurden oder von Hackern, so resümierte die rechts-konservative Tageszeitung Yisrael Hayom ("Israel heute") gestern, so zeige die Tatsache, dass die Internetseiten von Armee, Shin Beth und Mossad für eine längere Weile lahmgelegt wurden, dass "Reservesysteme für den sofortigen Ersatz" nötig seien.
Anschel Pfeffer von der liberalen Haaretz bedauert zwar den "Gesichtsverlust" Israels, dennoch bliebe der "Schaden gering". Gefährlich würde es erst, wenn es den Hackern gelänge, Viren in den staatlichen Computersysteme zu verbreiten.
Diese Kampfart gehört längst auch zum Repertoire des israelischen Sicherheitsapparates. Hinter dem Angriff mit dem Computerwurm "Stuxnet" auf das iranische Atomforschungsprogramm vor gut einem Jahr wird der Mossad vermutet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt