Netz-Reaktionen auf Erdogan: „Ich hätte ihn erdrosseln lassen“
Trotz der Zensurbemühungen macht der mutmaßliche Mitschnitt zwischen Erdogan und seinem Sohn die Runde. Und amüsiert die türkische Community.
ISTANBUL taz | Die wohl beste Nachricht über das mutmaßliche Gespräch zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinem Sohn Bilal lautet: Trotz aller Zensurbemühungen läuft das Internet in der Türkei, es läuft sogar ziemlich prächtig. Kaum war die Aufzeichnung am Montagabend auf Youtube veröffentlicht, machte die Nachricht über soziale Netzwerke die Runde. Innerhalb von weniger als 24 Stunden wurde allein das Originalvideo mehr als zwei Millionen Mal geklickt – und war bis Dienstagnachmittag immer noch nicht gesperrt.
Fast genauso schnell waren die spöttischen Kommentare, die über Twitter oder Facebook die Runde machten. Das Hauptthema: die Begriffsstutzigkeit von Bilal Erdogan. So schreibt der User Serhat Sayar: „Erdogan hat vier Kinder. Dass er jedem drei empfiehlt, liegt also an Bilal.“ Die Journalistin Leyla Alp twittert: „Wir warten mit Spannung auf die Erklärung, dass Bilal strafversetzt wird und 'nicht mein Sohn ist'“. Dazu jede Menge Bilder, die einen erschöpft wirkenden Ministerpräsidenten zeigen, versehen mit Bildtexten wie: „Ich schwöre, dieser Junge ist wirklich dumm.“
Der User „Odun Herif“, einer dieser türkischen Twitter-Stars mit einer halben Million Followern, schreibt direkt an Bilal: „Pass gut auf deinen Vater auf. Man weiß, was dem Prinzen Mustafa passiert ist“ – eine Anspielung auf den Sohn des osmanischen Sultan Süleyman den Prächtigen, dessen Leben Thema der beliebten Kostümserie Muhtesem Yüzyil ist. Erst kürzlich wurde der Prinz in der Serie getötet, der historischen Vorlage folgend auf Geheiß des Vaters. Darauf spielt auch das Bild mit dem Sultandarsteller Halit Ergeç an, darin die Sprechblase: „Ich hätte ihn erdrosseln lassen.“
Keine Erfindung von Internetspaßvögeln, sondern Originaltext Erdogan ist das Wort von der „Roboter-Lobby“, die angeblich über Twitter dafür sorgen würde, dass sich die angeblich getürkten Aufnahmen verbreiteten. Das hat Erdogan auf seiner Rede am Dienstagvormittag vor der AKP-Fraktion allen Ernstes gesagt, was nach seinen Tiraden über die „Zinslobby“, die er für die Gezi-Proteste vom Frühjahr vorigen Jahres verantwortlich macht, einerseits nicht mehr verwundern kann und andererseits doch verwundert.
Das Netz dankt es dem Ministerpräsidenten mit einer Fülle von Bildern, die die „Roboterlobby“ entlarven: Darth Vader, Daft Punk oder Bender Bieger Rodríguez, der versoffene Roboter aus der Zeichentrickserie „Futurama“. Dabei gibt es diese „Roboter“, also automatisierte, die Statusmeldungen weiterleiten und so dazu beitragen, dass bestimmte Hashtags unter den „Trending Topics“ platziert werden, tatsächlich. Aber bislang sind eher die Internettruppen der AKP damit aufgefallen, solche Roboter einzusetzen.
Die Seite Eksi Sözlük, ein sehr populäres, lexikonartiges Netzwerk, hat die Formulierung „Etwas für Bilal erklären“ bereits in den türkischen Sprachschatz aufgenommen, weshalb „Davulcu Vedat“ – noch so ein Twitterstar – die Redewendung bereits für andere Lebenslagen anwendet: „Du warst wie Bilal, Liebste. Du hast nicht verstanden, wie sehr ich liebe.“
Allerdings lässt genau diese Begriffsstutzigkeit von Bilal auch manche erklärte Gegner der Regierung an der Echtheit der Aufnahme zweifeln: So blöd kann doch niemand sein – oder etwa doch?
Leser*innenkommentare
Oli
Gast
Worum ging es denn jetzt im Gespräch?!
RPH
Du kannst nicht nur Fussball. Beileibe nich.
Ach Deniz, wat biste fürn klugen Kopp.
martinusrex
Gast
Der einzige Hinweis, worum es geht, ist das "Originalvideo", wofür ich wohl erst türkisch lernen muss. Danke für so viel Weitsicht.
Pete
Gast
"Getürkte" Aufnahmen...wie bitte?
Jens Hansen
Gast
Wenigstens nehmen die Türken diesen Schwachkopf mit Humor.
F.K. aus W.
Gast
...doch, zum Beispiel Deniz Yücel, der sich während der
Frauen Fußball-WM so deutlich hervorgetan hat.
So blöd kann niemand mehr sein, Deniz Yücel noch irgendwie als ernsthafte Figur zu betrachten. F.K. aus W.
tim
Gast
"ben olsam bogardim" heißt übrigens "ich (an seiner stelle) hätte ihn erdrosselt".
dass sich das ein herr yücel auch noch sagen lassen muss...
guest
Gast
und worum ging es jetzt in dem gespräch?
JadotA
Gast
"die ... getürkten Aufnahmen" köstlich!
Meliha Öz
@JadotA Der Artikel war gut geschrieben, aber bezahlen würde ich dafür nicht. Ausgehend davon, dass in ihrer Leserschaft gerade bei diesem Thema wohl auch zahlreiche türkischstämmige Leser sind, finde ich es gerade von der TAZ befremdlich, "getürkt" als legitimien Ausdruck für getrickst zu nehmen. Das nenne ich Alltagsrassismus. Trotz der NSU Morde immer noch weit verbreitet in den Medien. Oder habe ich alles missverstanden, und es sollte nur lustig gemeint sein?? Einige Leser amüsiert es anscheinend.
JadotA
Gast
@n MELIHA ÖZ
Gratuliere.
Duden Vokabel mit NSU-Morden gleich zu stellen wäre, juristisch gesehen, fast eine deutsche Tugend, gäbe es eine.
Das Sie daraus Profit oder Mitleid ziehen wollen, ist legitim und vielleicht nötig.
Sie sind mit Verlaub, in Täuschland gut integriert, gnädige Frau.
Ich sage Deniz Yüsel, er soll Sie fragen, bevor er was schreibt.
Mit Schmunzeln Verbot können wir weitere Bilal-terale Schäden verhindern.
Das ist yol, der Weg.
Wennschondennschon
Gast
Dein Artikel klingt überzeugend.
Aber Bender Bieger als "Versoffenen" zu charakterisieren ist ungerecht. Er hat nämlich in seiner biotechnischen Struktur keinerlei Wasserhaushalt sondern seine biotechnischen Zusammenhänge funktionieren nunmal nur mittels eines einzuhaltenden Alkoholspiegelhaushaltes.Also bitte Allen gegenüber immer schön fair bleiben. :)