Nerzzüchter klagen gegen Tierschutz: Die Quälerei endet - demnächst
Die letzte Nerzfarm in Schleswig-Holstein verstößt gegen die Tierschutzverordnung. Trotzdem erreichten die Züchter vor Gericht, dass sie noch mindestens fünf Monate lang weitermachen dürfen.
SCHLESWIG taz | Rotverschmierte Felle lagen auf dem Platz vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig. Ein Drahtkäfig stand daneben, in den sich ein Demonstrant zwängte. – So leben Zuchtnerze, sollte das zeigen. Derjenige, an den sich der Protest richtete, Nerzzüchter Nils Sörnsen, saß da schon in einem bis zur Kargheit schmucklosen Verhandlungssaal des Gerichts. Sörnsen betreibt eine Pelztier-Zuchtfarm im Kreis Plön. Sie ist die letzte in Schleswig-Holstein. Und sie verstößt gegen die seit 2006 geltende Verordnung, die die Haltung von Nerzen regelt.
Bis 2011 hatten die Züchter Zeit, ihre Betriebe umzustellen. Die Käfige sollen größer werden und in einem zweiten Schritt auch besser ausgestattet sein als bisher. Sörnsen tat bisher nichts und beruft sich auf seine unbefristete Betriebserlaubnis. Der Kreis Plön versucht, diese Genehmigung zu entziehen. Dagegen klagte Sörnsen und gewann zunächst einmal Zeit.
Mini-Käfige im Dienst des Tierschutzes
Gestern wies das Verwaltungsgericht die Klage ab, ließ aber zu, dass der Nerzfarmer vor dem schleswig-holsteinischen Oberverwaltungsgericht in Berufung geht. Damit darf der Betrieb im Dorf Schlesen mindestens in den nächsten fünf Monaten weiterarbeiten. Der Prozess in Schleswig-Holstein ist einer von mehreren Verfahren, die Nerzzüchter bundesweit gegen die Richtlinie angestrengt haben.
Es gehe nicht allein um die Interessen des Betreibers, sagt der Rechtsanwalt des Nerzfarmers, Roland Steiling. Tatsächlich diene der kleinere Käfig sogar dem Schutz der Tiere. Würde das System umgestellt, „werden Welpen sterben“, trug der Mitarbeiter der Hamburger Kanzlei Graf von Westphalen mit einiger Verve vor und berief sich auf „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“, etwa, dass in einem größeren Käfig die Nerzbabys von ihrer Mutter „verlegt“ würden, auskühlten und elend zugrunde gingen.
Der Nerz ist ein Kleinraubtier aus der Familie der Marder. Europäische Nerze wiegen 400 bis 900 Gramm, haben Schwimmhäute zwischen den Zehen und sind schokoladenbraun mit weißem Fleck am Hals. In freier Wildbahn sind sie fast ausgestorben.
Für die Zucht werden meist Abkömmlinge des nordamerikanischen Nerzes (Mink) verwendet. Sie sind größer und haben dichteres Fell in Farben von Weiß über Braun bis Schwarz. Auch bläuliche oder silbrige Töne sind möglich.
Verarbeitet werden Nerzfelle seit Jahrhunderten für Mäntel, Decken und Kleidungs-Besatz. Hauptproduzenten sind die skandinavischen Länder, China, aber auch Polen und die Niederlande.
Und wenn ein Wasserbecken eingerichtet werde, so wie die Verordnung sie verlangt, steige das Infektionsrisiko: „Die Tiere koten leider hinein“, dozierte Steiling in einem Tonfall, als spreche er von unerzogenen Kindern. Im Zuschauerraum wurde geraunt. Später sagte Stefan Klippstein, Sprecher des Vereins „Arbeitskreis humaner Tierschutz“ zu der Gefahr für die Welpen: „Völliger Schwachsinn.“
In der freien Wildbahn habe ein Nerzweibchen ein Revier von zwanzig Quadratkilometern. „Die Jungen liegen in einem dick gepolsterten Nest, aber das fehlt im Käfig“, sagt Klippstein. „Es gibt kein Stroh, die Tiere liegen auf einem Rost, durch den Kot und Urin ablaufen.“ In der Natur seien Nerze sehr reinlich, sie würden das Wasserbecken nur aus Platzmangel als Kotstelle verwenden.
Seit Jahren kritisieren Tierschützer die Verhältnisse in Pelztierfarmen: Drahtverschläge, an denen sich Nerz, Marder oder Hermelin verletzen, keine Möglichkeit zum Auslauf. Die Verordnung über Käfiggrößen und Haltungsbedingungen greift diese Kritik auf: Drei Quadratmeter Grundfläche statt bisher einem soll ein Käfig seit 2011 haben. Bis 2016 müssen die Züchter die Käfige zudem höher bauen und Wasserbecken einrichten.
Den Betrieb der Sörnsens – laut Klippstein die zweitkleinste Nerzfarm in Deutschland – würde das zehn Millionen Euro kosten. Damit, sagt Anwalt Steiling, gingen die Änderungen vor allem zu Lasten der Betreiber. Die Leitende Richterin und Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts, Maren Petersen, argumentierte dagegen: Der Gesetzgeber sei den Farmen durch die lange Übergangsfrist entgegengekommen. Würde den wirtschaftlichen Interessen Vorrang eingeräumt, seien auch in anderen Bereichen neue Regeln unmöglich.
"Berufsverbot" durch die Hintertür?
Steiling kritisierte dagegen, dass durch die Verordnung ein Verbot der Pelztierzucht in Deutschland „durch die Hintertür“ erreicht würde. So müsste Sörnsen seinen Bestand von heute 2.700 weiblichen und 600 männlichen Tieren auf 250 Nerz-Fähen und entsprechend weniger Rüden reduzieren. Steiling verlangte statt einer Verordnung ein echtes Gesetz. Richterin Petersen wies auch das zurück: Die Verordnung stelle kein Verbot der Nerzzucht dar.
Der Bundesrat hat im Juli eine Initiative zum Verbot der Pelztierzucht gestartet. Das hatte es allerdings auch schon 2001 gegeben – auf Initiative des damals rot-grün regierten Schleswig-Holstein.
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