piwik no script img

Nerz-„Ernte“ mit Kohlenmonoxid

Tierrechtler fordern Schließung der Nerzfarm in Trittau. Heute Demo  ■ Von Magda Schneider

Eleganz und Luxus sind wieder „in“, melden Hamburgs Einzelhändler, daher liege der Nerzmantel wieder „voll im modischen Trend“. Die Pelzwirtschaft frohlockt – die Kürschner wittern nach Jahren stagnierender Umsätze wieder satte Profite, und die Zuchtfarmen hoffen auf reißenden Absatz. Für einen edlen Flanierumhang müssen 50 Nerze sterben.

Für die Zucht-Tiere bedeutet der Tod vermutlich sogar eine Erlösung. Denn Nerze fristen auf den Farmen ein trostloses Dasein, bis sie vergast werden. Hamburger Tierrechtsorganisationen machen daher gegen die Nerzzucht mobil und verlangen von der Stadt Trittau bei Hamburg die Schließung der Nerzfarm von Hans-Günther Glasa. 8000 Nerze vegetieren dort vor sich hin. Heute ab 12 Uhr wird vor Ort demonstriert.

Nerze sind Nachfahren der amerikanischen Minks, die zur Familie der Marder gehören. Sie kommen im Frühjahr zur Welt und erreichen eine Körperlänge von 60 Zentimetern. Es sind sogenannte semi-aquatische Tiere, die in der Natur einen Großteil ihres Leben an Bächen, Seen und Flüssen verbringen und in selbstgebauten Uferhöhlen und Nestern hausen. Nerze sind sehr bewegungsfreudige und flinke Einzelgänger, die gegenüber „Eindringlingen“ energisch ihr Revier behaupten. Sie jagen nicht nur in Ufernähe an Land, sondern auch im Wasser und sind aufgrund ihrer Schwimmhäute zwischen den Zehen hervorragende Schwimmer und Taucher. Das Wasser ist in dieser Hinsicht ihr wichtigstes Lebenselement.

Auf den deutschen Zuchtfarmen der Pelzwirtschaft werden die Tiere in Drahtkäfigen von 30 mal 90 Zentimetern Bodenfläche gepfercht. Hunderte dieser Käfige stehen nebeneinander. Abgesehen von einer Trinkstation gibt es für die Tiere kein Wasser, in dem sie schwimmen oder tauchen könnten. Die Käfigen werden häufig artfremd mit mehreren Tieren gleichzeitig belegt. Die monotonen Bewegungsabläufe führen oft zu psychischen Störungen wie Selbstverstümmelung und Kannibalismus, dem vor allem Neugeborene zum Opfer fallen. Die permanente Nähe zu ihren Artgenossen ist für Nerze eine Tortur, der Gestank der massig anfallenden Exkremente für die geruchsempfindlichen Tiere unerträglich.

Während der Nerz in der Natur etwa zehn Jahre alt werden kann, werden die Tiere auf den Pelzfarmen im Alter von sieben Monaten im Winter getötet. „Ernte“ nennt das die Pelzbranche. Damit das gerade gewachsene Winterfell nicht beschädigt wird, werden die Tiere in der Regel in eine Kiste gestopft und mit Kohlenmonoxid erstickt.

In der vergangenen Jahren sorgten mehrfach spektakuläre Befreiungsaktionen für Aufsehen, die auch unter Tierfreunden zu einem Disput geführt haben. Das Argument der Tierschützer, Nerze hätten in freier Wildbahn keine Überlebenschance, ist mittlerweile widerlegt. „Die überleben sehr wohl“, weiß Gustav-Adolf Engelin vom Amt für ökologische Forst- und Landwirtschaft der Umweltbehörde Hamburg, „aber sie verdrängen die heimische Fauna“. Ein Nerz-Pärchen beansprucht ein Revier von bis zu 19 Quadratkilometern und jagt alles, was essbar ist – vom Iltis bis zum Vogel. „Die unkontrollierte Freisetzung ist ökologisch nicht vertretbar“, meint auch Ina Blanke vom Institut für Wildtierforschung in Hannover, „der Nerz ist ein Topjäger und anderen Tieren überlegen.“

Das sehen Tierrechtler ähnlich. „Man sollte tatsächlich nicht einfach die Käfige aufmachen und die Schutzwälle zerstören“, erklärt Markus Schaak von den „Tierbefreiern“, „man muss die Tiere mitnehmen und an geeigneten Plätzen und Biotopen aussetzen“. Solange die Pelzfarmen nicht geschlossen werden, so der Tierschützer, „sind gezielte Befreiungaktionen die einzige Chance, die Nerze vor dem sicheren Tod auf der Farm zu schützen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen